Text  und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS RENAISSANCE
Loosduinen, 04. Juni 2011


In Loosduinen, einem Vorort von Den Haag/NL, erlebte das neue Projekt von Alberto Althoff, der "Circus Renaissance" seine Weltpremiere.
Auf einem Brachland am Rand eines Gewerbegebietes hatte man aufgebaut. Die Front zeigt sich in der gewohnten Form.

Der weiße Stakett-Zaun mit orangen Ornamenten und Lichterbögen steht  vor vier weiß-orangenen Containern, die Kasse und Wohnabteile beherbergen. Eine  handvoll Auflieger steht neben dem Zelt und dahinter sind die Wohnwagen der Artisten zu finden. Der rote Viermaster mit blauen Absetzungen, der Familie Teuteberg, ergänzt mit einem passenden Vorzelt, findet nun hier Verwendung. Ein kleiner, liebevoll restaurierter Zigeunerwagen schmückt den Raum zwischen Restauration und Spielzelt.
Schwierig gestaltet sich für Circusse in unserem Nachbarland die Werbung, so auch in der Hauptstadt Den Haag, welche Plakate nur in einer äußerst geringen, nicht werberelevanten Zahl zulässt. So bleibt nur der kostenintensive Weg über Printmedien, Hausmailing oder regionale Radio- und TV-Sender.


Gibt sich der Circus im Äußeren recht schlicht und bescheiden, wartet man in den Zeltanlagen mit umso mehr Atmosphäre auf. Ein dekorativer Oberlichtwagen nimmt die Circus-Bar auf. Zahlreiche weitere, liebevoll gestaltete Verkaufsstände sind entlang der anderen Zeltseiten platziert. Einige Steh-Tische wurden mit roten Hussen edel hergerichtet. Ringsum an den Rondellstangen hängende alte Kostüme und Stallmeisteruniformen erzählen dem interessierten Betrachter ihre Geschichten. Mit vielen kleinen Utensilien – z. B. Kerzenständern, Laternen, Sätteln, Kupfergeschirr – hat Katharzyna Althoff das gesamte Foyer geschmackvoll dekoriert. Stimmungsvolle Beleuchtung durch Lichterketten mit Glühbirnen trägt einen weiteren Teil zur freundlichen Atmosphäre bei.
Der Name „Circus Renaissance“ soll für den Circus der goldenen zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts stehen, erfahren wir von der Direktion und so möchte man mit Dekor und Kostümen, mit - weitere sollen hinzu kommen – Oberlichtwagen und dem gesamten Auftreten jene "Belle Epoque" des Circus wieder aufleben lassen. Folglich ist die Kleidung des Personals beim Einlass an jene Zeit angepasst. Die Requisiteure verrichten ihre Arbeit in Clownskostümen, und Frau Kartharzyna Althoff selbst ist für das passende schminken der Gesichter vor der Vorstellung zuständig.

Im Chapiteau selbst setzt sich der angestrebte Look konsequent fort. Die Logenbrüstungen sind mit Stoffbezügen versehen und tragen verspielte kleine Kaffeehaus-Lämpchen. Ein kristallener Kronleuchter hängt während des Einlasses in der Kuppel und der bekannte Althoff-Artisteneingang aus dunkelblauem Samt wurde weiter verfeinert. Dunkelrote Schabracken, deren elegante Falten von üppigen goldenen Quasten geformt werden, geben ihm Struktur. Mit der Lichtanlage wird einmal mehr bewiesen, dass es keiner Materialschlacht bedarf, um stimmungsvolles gutes Licht zu zaubern.

Das Direktorenpaar schreitet rekommandierend vom Haupteingang zur Gardine und mit einem furiosen Charivari beginnt die Vorstellung. Jongleure, Feuerschlucker und Akrobaten bieten Kostproben ihres Könnens. Ein kleiner Oberlichtwagen wird in die Manege gezogen und die Clowns stürmen hinaus. Dieses bunte Bild findet mit der Kraftjonglage von Youssef seinen Höhepunkt. Gekleidet im Stil antiker Athleten jongliert der Artist eine voluminöse Metallkugel. Er beendet seine Evolutionen mit der Balance eines Amboss auf seiner Stirn.
Old Regnas ist mit seiner Hundekomödie seit vielen Jahren in den großen Manegen zu Gast. Auch in diesem Rahmen findet die Geschichte vom Kutscher, der von einem Hund genarrt wird Anklang.

Mit ihren beiden Darbietungen wurde Jeanne Durand-Raucher verpflichtet. Zunächst produziert sich die junge Französin am Ringtrapez. Mit gutem Verkauf werden die gängigen Tricks geboten. Im zweiten Programmteil folgt ihre wohlbekannte Handstandequilibristik. Auf den originellen Requisiten werden in flüssiger Abfolge die unterschiedlichen Handstände gezeigt.

Vorzügliche Clownerie bieten die Monte Carlo Preisträger Vladimir und Denis Stoljarov. In bester russischer Clownstradition arbeiten Vater und Sohn in unterschiedlichen artistischen Disziplinen. Hula Hoop, Jonglage und Rola Rola sind die artistische Basis ihrer Reprisen. Neben durchdachter feiner Komik und Gags werden manch artistische Kabinettstücke geboten. So springt Denis aus dem Stand mit den Füssen voraus durch zwei von seinem Vater in Brusthöhe gehaltene Hula Hoop Reifen. Bei der Rola-Reprise wird die Unterlage einfach in die, in diesem Fall recht unebene, Manege gelegt und auf einem Turm von fünf Rollen und Walzen balanciert. Die beiden sind unverwechselbare originelle Typen, die mit großem Können und sehr viel Ausstrahlung ihre Zuschauer begeistern. Eine äußerst originelle Quick-Change Darbietung zeigt uns Irada Stoljarova. Von einem Kleiderständer nimmt sie eine Kopfbedeckung, schreitet durch ein kleines Kabinett und kommt verwandelt wieder hervor. So verwandelt sich sich zunächst von einer  russischen Bojarin in ein typisches holländisches Meisje. Kurz darauf erscheinen kurz nacheinander Denis und seine Mutter im gleichen Outfit aus der Kabine und agieren ein wenig a la „Spiegelentree“. Nun nimmt die Nummer immer mehr Fahrt auf und das turbulente Treiben erreicht seinen Höhepunkt, als Vater Vladimir, mit freiem Oberkörper als blasshäutiger „Wilder aus dem Busch“ gleichfalls aus der Kabine kommend, die Manege rockt.

Carmen Murariu produziert sich an den Tüchern und nutzt in ihrem weiten Flügen den Raum der Kuppel aus.
Mensch oder Puppe? Diese Frage stellen Denisa Cristea und Aurel Neagu mit ihrer Kaskadeur-Akrobatik. In einem zweiten Auftritt sehen wir das junge Paar an den Strapaten. Kraftvolle Haltetricks sehen auch Denisa in der Rolle des Porteurs.
Vom Moskauer Nikulincircus kommt Alenya Rosliakova mit ihrer Katzendressur. Ein origineller Beginn, sieben konische – stark Papierkörben ähnelnde – Kunststoffhocker werden von den Tieren am Platz hin und her gerollt, ist das Charakteristikum der Nummer. Es folgen Hochsitzer aller Katzen in einer Reihe. Die nun folgenden Tricks entstammen dem gewohnten Repertoire des Genres und werden sehr flott von der elegant gekleideten Vorführerin abgerufen.
Ganz große Klasse beweist der vierzehnjährige Diabolojongleur Michael Betrian. In großer Zahl werden hohe Schwierigkeitsgrade mit Sicherheit und Selbstverständlichkeit geboten. Auch im Verkauf zeigt sich der junge Mann, er war Teilnehmer am holländischen Pedant unserer „Supertalent-Show“ bereits als versierter Profi.

Den Schlusspunkt in diesem, an Luftnummern reichen Programm, setzen Patricia und Valentin Cristea auf dem Hochseil. Viele effektvolle Tricks – übersteigen des liegenden Partners, Schulterstand auf dem Seil, Stelzenlauf, Zwei-Mann-Hoch mit Keulenjonglage, Fahrradfahrt im Zwei-Mann-Hoch – werden mit großer Routine sicher und effektvoll gearbeitet.
Die Choreographie des Finales ist stets die Domäne von Katharcyna Althoff, so auch in der aktuellen Produktion. Bunt, heiter und beschwingt klingt nun dieses Programm aus, die Artisten werden vorgestellt, die ein oder andere Zugabe erfolgt.
Auch heuer ist es Alberto Althoff gelungen ein gutes Programm zu verpflichten, dass von ihm und seiner Frau zu einer starken Show geformt wurde. 
optimiert