Text und Fotos Friedrich Klawiter
Circus Barelli

Darmstadt, 3. März 2007

Ganz so wie immer geizte Harry -Eschi- Spindler auch in Darmstadt nicht mit Superlativen bei der Vermarktung seines Circus. “100 Menschen, 100 Tiere, 100 Wagen im höchsten Zeltpalast der Welt zum ersten mal auf dem Messplatz” verkündete er den Darmstädtern. Sind auch die Zahlen branchenüblich ein wenig nach oben gerundet, fanden doch die zahlreichen Besucher einen beeindruckenden Großcircus in perfekter Optik dargeboten vor.

Betrachtet man Umfang und Zustand des aufgebotenen Materials, wird schnell klar, dass die Werbeaussage zweitgrößter Circus in Deutschland zu sein, zumindest in Bezug auf die klassischen Geschäfte, absolut zutreffend ist. Stakettzaun mit Lichterbögen, Vordach, Restaurationszelt sowie der seitlich angeordnete Kassencontainer und die beiden bemalten Frontwagen sind gepflegt und laden zum Besuch ein. Die Sattelauflieger, alle einheitlich lackiert und beschriftet, wurden exakt ausgerichtet, die Flotte der Zugmaschinen steht in Paradeaufstellung zwischen Vorzelt und Chapiteau. Die sehr hohe Kuppel des Barelli-Palastes, dessen weiße Plane nach Jahren der Benutzung nun ein wenig Patina angenommen hat, überragt das Ensemble und beherrscht den Platz. Die historische Feuerwehr, dekorativ mit Circusmotiven verziert, ist publikumswirksam am Platzeingang aufgefahren.

Nach sehr gutem Besuch am Nachmittag ist das Zelt zur Abendvorstellung bis auf den letzten Platz besetzt, als Timmi Barelli das zu größten Teilen neue Programm eröffnet. Seine Applaus-Animation und Glockenspiel bringen sofort Stimmung und der Funke springt über. Als sich dann der Vorhang hebt und die prächtige Bühne mit großem Orchester und Sänger sichtbar wird, geht ein erstes Raunen durch die Zuschauerreihen. Wieder einmal beweißt die Direktionsfamilie ihr Gespür für Publikumswirksamkeit und ihr großes Geschick im virtuosen Einsatz von Verkaufsunterstützung und gestaltet aus ganz “normalen Nummern”, ohne Einsatz von herausragenden Superstars, ein äußerst kurzweiliges unterhaltsames Programm. Die Familie Donnert, in der letzten Saison bei Herman Renz in Holland, startet die Programmfolge mit ihrem Pas de deux. Sie setzen mit ihrer sicher vorgetragenen, schwungvollen Jockeyreiterei auch den Schlusspunkt. Die hauseigenen Dressuren wurden gegenüber dem Vorjahr größtenteils variiert. Franz Barelli zeigt in einem orientalischen Eröffnungsbild nun zuerst drei weiße Steppenkamele zusammen mit drei Friesenhengsten. Der   anschließende Auftritt von  sechs jungen Dromedaren bietet eine gefällige Laufarbeit. Alle Tiere sind mit prachtvollen, aufwändig gearbeiteten, schwarz-gelben Schabracken geschmückt, auch das Kostüm des Vorführers ist dazu farblich perfekt abgestimmt. Rolina Spindler brilliert mit ihrem 6er Zug Arabern. Zehn Friesenhengste, ebenfalls mit neuem, hellblauem Sattelzeug, folgen Harry Spindler-Barelli in die Manege. Das Publikum goutiert seine hervorragende Arbeit und feiert ebenso das anschließende Groß und Klein sowie die zahlreichen Da Capo Pferde mit frenetischem Applaus. Prolongiert wurde Karoly Donnert mit seinen Tigern. Neu ist die Eröffnung der Nummer mit Hochsitzer auf einer Spiegelkugel. Dieser Trick ersetzt den Lauf über die aufleuchtenden Podeste. Trotz der großen Anzahl Dressurnummern wirkt das Programm keineswegs “tierlastig”, da alle Auftritte gut und flüssig absolviert werden und keine Längen beinhalten.

Timmi Barelli trifft mit seinen Reprisen genau den Geschmack des begeistert mitgehenden Publikums und wird im Finale bei der Einzelvorstellung mit  Beifallsstürmen gefeiert. Im artistischen Bereich zeigt die Tochter von Karoly Donnert ihre Antipodenspiele. Ihr Mann, Lajos Nereus jongliert sicher und variantenreich mit Bällen, Keulen und Ringen. Die Taschkhenbaevs, lange bei Fliegenpilz im Programm, erobern mit ihrem Hochseil den Raum über der Barelli Manege. Leider lässt die Konstruktion ihres Seilapparates  keine Arbeit in größerer Höhe zu. Ihre Leistung wirkt hier stärker, besser präsentiert. Dies sicher nicht zuletzt auch wegen der hervorragenden Live-Musikbegleitung.

Überhaupt kommt dem Barelli Orchester ein großer Anteil an der Begeisterung der Zuschauer zu. Gelungene, treffende Auswahl der Stücke, schwungvoll und mitreißend gespielt, größtenteils mit Life-Gesang unterstützt, zaubert das Orchester die stimmige Atmosphäre. Die gute Lichtregie sowie das ansprechende elegante Ambiente des Chapiteau tun ein übriges hinzu.
Das ganz im Stil von Roncalli inszenierte Finale vereint alle Mitwirkenden in der Manege und minutenlange Standing Ovations sind Ausdruck für die Zufriedenheit und Begeisterung des Publikums, das mehr als zweieinhalb Stunden bester Circusunterhaltung genossen hat.
optimiert