Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS BARELLI
Karlsruhe, 13.+14. Aug. 2010

www.circus-barelli.com
In Karlsruhe startete Barelli seine „Herbsttour 2010“. Großzügig und perfekt aufgebaut strahlt einer der größten Circusse Deutschlands mit der Sommersonne des Premierentages um die Wette. Um das gewaltige Pagodenzelt gruppiert sich  umfangreiches Material exakt ausgerichtet. Von den beiden am Platz entlangführenden Hauptverkehrsstraßen aus macht das Unternehmen einen hervorragenden Eindruck.

Die attraktive Front mit dem großzügigen Stakettzaun zeigt sich in frischer Farbe. Der renovierte Hanomag-Schlepper davor verleiht ihr das besondere Flair. Büro und Kasse wurden ebenso wie weitere Auflieger neu lackiert. Die MAN-Zugmaschinen sind in klassischer Manier in der Front aufgefahren. Ein neuer Toilettenwagen, entstanden aus einem 'richtigen Circuswagen', wurde gebaut.
Weiteres neues Material wurde angeschafft. Ein lichtdurchfluteter langgestreckter Pferdestall wurde mit flammneuen großzügig bemessenen Boxen ausgestattet. Er bietet den zahlreichen Hengsten des Circus ein komfortables Unterkommen.  Einer der Pferdetransporter wurde umgebaut, gleichfalls mit feinen Boxen eingerichtet, in denen die Pferde längs in Fahrtrichtung stehend auf die Reise gehen. Anstelle der sonst üblichen Einstiegsrampe an der Rückseite gibt es hier zwei seitliche Aufstiege. Äußerlich besticht der Auflieger durch eine großflächige aufwändige Dekoration mit Motiv-Aufklebern.


Weit mehr als eine Stunde vor Beginn der Premiere formiert sich eine lange Menschenschlange vor der Kasse und dem Einlass. Hat man diesen passiert führt der weitere Weg durch das üppig ausgestattete, dekorierte Vorzelt und den Freiraum bis ins Chapiteau über einen roten Teppich. Ein kleiner Biergarten zwischen den Zelten findet an diesem heißen Sommertag regen Zuspruch.
Im Chapiteau findet man die gewohnte Einrichtung und prächtige Ausgestaltung. Der Kronleuchter hängt in der Kuppel, Stoffbahnen und Lichterbögen zieren die hohe innere Rondelleinwand und der große schlichte blaue Vorhang verbirgt die Musikerbühne.

Das Gradin ist vollbesetzt, als 'Hausmeister Timmy' die letzten Sägespäne von der Piste fegt. In bekannter und bewährter Weise wird aus dem Hausmeister der Clown Timmy. Als 'gute Fee' fungiert seine Partnerin Salima Folco, die graziös einige Tricks am Trapez bietet.
Dann hebt sich der Vorhang, der Blick auf die prachtvolle Orchesterbühne wird frei und die zehn Musiker des Barelli-Orchesters setzen, unterstützt von einem Sänger, kraftvoll ein. Dieses großartige Circusorchester, eines der besten überhaupt, begleitet die komplette Vorstellung live und hat großen Anteil an der fantastischen Atmosphäre  und erstklassigen Wirkung des Programms.

Franz Barelli begrüßt das Publikum „in unserem Zuhause, in unserem Circus Barelli“ und wie stets verfehlt das Opening seine Wirkung nicht, zieht die Besucher in seinen Bann. Nun gehört die Bühne Ronny Niuman. Der charmante italienische Jongleur agiert, elegant gekleidet sehr geschickt mit Keulen, Pingpongbällen und Zigarrenkistchen. Er versteht es ausgezeichnet sich und sein Können zu verkaufen und sucht von der ersten Sekunde an den 'Dialog' mit dem Publikum.

Als erste der zahlreichen Tiernummern ist Franz Barelli mit den Exoten in der Manege. Zur Premiere führte er die bekannte und bewährte Formation aus vier Kamelen und vier Friesen vor. Bei Barelli kann man aus dem Vollen schöpfen und ganz in der Tradition alter Circusse das Programm variieren. Am folgenden Abend wurde ein neu formierter Sechser-Zug Kamele präsentiert. Beiden Nummern gemeinsam ist das Da Capo. Zunächst überspringen zwei Guanakos drei abliegende Kamele, ihnen folgt ein temperamentvoller Friese.
Die feminin-elegante, eindrucksvoll dargebotene Arbeit an den Tüchern von Salima Folco hat im zweiten Programmteil ein Pendant erhalten. An 'normalen' Strapaten produziert sich Roberta Belucci, die Partnerin von Ronny Niuman. Der Auftritt der zierlichen jungen Frau weist starke Gegensätze auf. In einem verspielten Kleidchen und zu romantischer Musik mit Live-Gesang zeigt sie eine ungeheuer kraftvolle, von vielen Tricks die ansonsten von Männern gearbeitet  werden, geprägte Kür. Beeindruckend ihre Schlusspassage mit fünfundzwanzig beidarmigen Aufschwüngen in Folge.

Selbstverständlich ist Timmy wiederum mit seinen Reprisen und Entrees der 'rote Faden' und, gemessen am Applaus im Finale, der Star des Programms. Er spielt seine bekannten Szenen und hat auch das lebhaft mitgehende Karlsruher Publikum sofort auf seiner Seite.
Gekonnt wird mit drei Regenschirmen jongliert, und gemeinsam mit dem Oberrequisiteur der Sketch um eine Eintrittskarte gespielt. Das Entree vom 'Verbotenen musizieren' ist in Timmys Version Kult und Klassiker zugleich. Seine ureigenste Version der 'Opera' mit drei Freiwilligen aus dem Gradin sorgt für große Heiterkeit gegen Programmende, bringt das Zelt zum toben.
Nach längerer Pause wurde nun auch wieder die Akrobatik der „alten Kameraden“ ins Programm aufgenommen. Gemeinsam mit seinem Bruder Franz und drei weiteren Partnern werden einige akrobatische Tricks mit viel Humor gewürzt vorgetragen.

Pferde spielen, ganz der klassischen Circustradition verhaftet, eine zentrale Rolle im aktuellen Barelli-Programm. So gibt es einen neuen Vierer-Zug Araber-Schimmel, den Franz Spindler-Barelli vorführt. Vielfältige Lauffiguren werden beherrscht und perfekt vorgetragen. Eine umfangreiche und beeindruckende Arbeit liefert der Junior des Hauses mit seinen vierbeinigen Partnern ab. In hervorragender Manier demonstrieren drei Hengste das flechten. Imponierende Gruppen- und Einzelsteiger beschließen diese feine Arbeit.
Salima Folco und Ramona Spindler reiten Hohe Schule. Die beiden jungen Frau verbreiten auf dem prachtvollen Andalusier Armarando und dem eindrucksvollen Friesen Marcho bestes Circusflair. 
Natürlich ist die bekannte Pferderevue von Harry Barelli weiterhin im Programm. Da ist zunächst die auf sechs Tiere verringerte, da einige Pferde die „Altersgrenze“ erreicht hatten, Freiheit mit den Friesen. Ihnen folgt das, beim Publikum immer wieder für 'ah' s' und 'oh' s' sorgende, 'Groß-und-Klein' von einem Friesen im Zusammenspiel mit einem gescheckten Pony. Mit den Da Capos endet diese publikumswirksame Pferdepräsentation.

Doch vor den Da Capos erleben wir den Start einer neuen Manegenkarriere. Direktor Harry Barelli' s vierjährige Enkelin Ashley präsentiert sich mit ihrem Schaukelpony. Professionell und mit großer Ernsthaftigkeit agiert die kleine Prinzessin unter Assistenz des stolzen Opas in der Manege.

Für die „Herbsttour“ hat der Circus Barelli eine große, hochkarätige Truppe verpflichtet. Die Reiterei der Eshimbekov wurde beim diesjährigen Festival in Monte Carlo mit einem 'Silbernen Clown' ausgezeichnet. Hier sind sie mit ihren beiden Nummern zu sehen.
Aufgrund widriger Umstände - Verzögerungen bei der Visaerteilung, stundenlanger Wartezeiten bei Grenzkontrollen - und der weit über zweitausend Kilometer langen Anreise von Sofia, kam die Truppe erst spät am Nachmittag des Premierentages auf dem Circusplatz an. So war die Zeit zu knapp, ihren Hochseilapparat im Zelt zu installieren und die Premiere dieser Darbietung fand erst am folgenden Abend statt.
Die Hochseilnummer der Eshimbekov weist im Erscheinungsbild einige Parallelen zur Darbietung der Tashkenbaev auf. Ein beinahe baugleiches Requisit sowie einige typische Tricks der russischen Schule der gleichfalls vierköpfige Truppe sorgen für dieses 'deja vue'. Gezeigt wird u. a. Zwei-Mann-Hoch, überspringen eines Partners, Einradfahrt und das übersteigen einer Leiter. Ein Seilüberquerung im Drei-Mann-Hoch haben sie gleichermaßen im Repertoire. Darüber hinaus wird u. a. eine Viererpyramide sowie der Rückwärtssalto auf dem Seil beherrscht. Sämtliche Tricks werden mit Longensicherung gearbeitet.
Den Programmhöhepunkt stellt vor dem Finale die Dschigitenreiterei der achtköpfigen Truppe dar. Einleitend sind drei Stehendreiter auf je einem Pferdepaar, ähnlich einer Post, manegenfüllend unterwegs. Äußerst selten sieht man eine Frau aktiv in einer solchen Darbietung mitwirken. Hier demonstriert sie das aufheben von Tüchern vom Manegengrund in vollem Galopp. Starke Tricks werden in großer Zahl in kaum zu überbietender Rasanz ausgeführt. Dieser tempogeladene Auftritt lässt keine Wünsche offen und begeistert die Massen.
Der Jubel um die Dschigitenreiter hat sich ein wenig gelegt, als Timmy „Ja, wir sind Artisten...“ anstimmt und so das stets prächtige Barelli-Finale einleitet. Dann öffnet sich der Vorhang, die Manege füllt sich und die Direktion mit ihrer Enkelin sowie alle Mitwirkenden nehmen den frenetischen Beifall, der in Standing Ovations mündet, entgegen. Nach den Zugaben streben die ersten Besucher zu den Ausgängen, doch dann verharren sie auf den Aufgängen, werden noch einmal von der fantastischen Atmosphäre gefangen. Timmy schminkt sich ab, wird wieder zum Hausmeister, der resignierend mit dem wegfegen der Überbleibsel des Konfettiregens aufhört. Noch einmal reicht man ihm seine Trompete und mit „May way“ verabschiedet er sich, während die Scanner sein Bildnis und Namenszug in die Kuppel zaubern. Die drei Herren Spindler umarmen einander, ein letztes winken ins Publikum, dann fällt der Vorhang vor der Orchesterbühne.
Ein liebevoll gestaltetes, hervorragend zusammengestelltes, starkes klassisches Circusprogramm ist nach mehr als drei Stunden zu Ende. Der Circus Barelli bietet klassischen Circus, wie man ihn schöner nicht gestalten kann. 
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