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Text und Fotos Friedrich Klawiter
Crazy Cyrcus
Vittel, 19. Mai 2018

Die Agentur „Crazy Cyrcus“ veranstaltet zusammen mit Christophe Ivanes, einem der profiliertesten Manegensprecher unseres Nachbarlandes, und dem Cirque Lydia Zavatta Circus-Galas für die CGOS, einer französischen gemeinnützigen Organisation, in sieben Departements des Landes. In Vittel, die kleine Kurstadt gehört – nicht zuletzt durch die dort abgefüllte Mineralwassermarke – zu den bekanntesten Heilbädern Frankreichs, war man für zwei Tage zu Gast.
Auf dem Parkplatz des Sportstadions war der Cirque Lydia Zavatta von Adrian Caplot aufgebaut. Die Familie Caplot führt seit vielen Jahren den Namen von Achille Zavattas Tochter in Lizenz.
Großformatig in Airbrush-Technik mit Elefanten, Tiger, Tänzerinnen und einem Clowns-Konterfei gestaltet, lädt der Fassadenwagen zum Besuch ein. Oberhalb der kunstvoll geschwungenen Fassade bilden unzählige rote Glühbirnen den Namenszug des Unternehmens. Die Kassenschalter sind im Durchgangsbereich integriert.
Ein dekorativer Metallzaun mit Lichterbögen, die die Front in der Dunkelheit mit ihrem Farbwechsel malerisch erstrahlen lassen, schließt den Circusplatz ab.
Die rot-gelb gestreiften Zeltanlagen weisen eine moderne Formgebung auf. Am Chapiteau reicht die Plane hoch bis zu den vier Mastspitzen und überragt damit die langgestreckte Kuppel deutlich. Ein rechteckiges, zweimastiges Vorzelt ist mittels eines Tunnels mit dem Hauptzelt verbunden.
Der umfangreiche Fuhrpark des Circus setzt sich aus Sattelzügen mit zusätzlichen Jumbo-Anhängern zusammen. Jedem Gespann ist eine mächtige, mit verchromten Anbauteilen versehene Zugmaschine zugeordnet. Alle Fahrzeuge sind in leuchtendem rot lackiert und in großen gelben Lettern mit dem Circusnamen beschriftet. Die beiden Werbefahrzeuge, wichtiger Bestandteil jeder französischen Circusreklame, sind mit eindrucksvoll ausgeführten Motiven großflächig dekoriert. Die riesigen chromblitzenden Wohnwagenzüge, aus der französischen Edelschmiede Laurent, der Direktionsfamilie sind mit gewaltigen Kennworth Zugmaschinen bespannt.
Weitläufig abgesteckte Paddocks werden während des Tages von Kamelen, Lamas, Zebras und Rindern bevölkert. Die Stallanlagen sind optisch passend zum Spielzelt gestaltet und bieten ihren Bewohnern in großzügig bemessenen Boxen reichlich Raum.
Zwei moderne Raubtierwagen, um große Veranden erweitert, bieten sechs Löwinnen, einem weißen Löwen und zwei weißen Tigern allen erdenklichen Komfort und sind mit großen Freigehege kombiniert.
Im Vorzelt sind die beiden Verkaufswagen der Circusrestauration in die Seitenwände integriert. Frisch zubereitet werden neben Crêpes, Popcorn und Zuckerwatte.
Das Chapiteau, innen blau mit großen weißen Sternen um die Mastdurchlässe, ist mit einem steil ansteigenden Bankgradin und dekorativen roten Logen, die mit drei Reihen gepolsterter Klappstühle ausgestattet sind, ausgestattet.
Der Artisteneingang aus elegant gerafftem roten Samt bietet auf seiner Empore dem ausgezeichnet aufspielenden und die Show in exzellenter Manier unterstützenden sechsköpfigen Orchester Platz. Eingerahmt wird die Konstruktion von zahlreichen modernen Beleuchtungselementen, die unzählige Lichteffekte ermöglichen. Etliche dieser Leuchten sind zudem ringsum auf der Piste platziert.
Die bestens ausgestattete opulente Lichtanlage ist an einem hoch über der Piste hängenden Gitterrohrring, sowie an zwei Traversen zwischen den Masten und beidseits des Artisteneingangs montiert. Mit einem exzellenten, in einem Circus dieser Größenordnung nicht oft zu erlebenden Lichtdesign wird die Show in einzigartiger, in beispielhafter Weise in Szene gesetzt und die auftretenden Artisten perfekt unterstützt.

Selbstverständlich tritt der artistische Direktor Christophe Ivanes bei seiner eigenen Produktion als eleganter „Monsieur Loyal“ in den roten Ring. Sein Markenzeichen ist der Kostümwechsel zu jedem Auftritt und im Rahmen dieser Gala tritt er in elf verschiedenen, kreativ designten und erstklassig gefertigten Fräcken und Smockings in Erscheinung. Charmant und eloquent begrüßt er die anwesenden Gäste, würdigt den Veranstalter der Gala und stellt Direktor Adrian Caplot vor, informiert über die das Unwesen der Tierrechtsextremisten; er vermittelt dem Publikum jede nur erdenkliche Information zum Circus. Im Verlauf des Abends wird klar, dass es keine Umbaupause gibt, die Monsieur Ivanes in Verlegenheit bringen könnte.
Nach dem eindrucksvoll vom Orchester und Lightshow gestalteten Opening startet die Spielfolge mit einer klassischen Hohen Schule im spanischen Stil.
Die Fratelli Togni, zwei Herren und eine Dame, reiten auf zwei Friesenhengsten und einem weißen Andalusier zahlreiche Lektionen. Unterstützt wird das, in exzellenten Kostümen agierende Trio von einer feurig auftretenden Tänzerin. Dank der ausgezeichneten Inszenierung erhält diese equestrische Darbietung einen ganz besonderen Schauwert.
Perle Micheletty kombiniert in ihrer Luftnummer Deckenlauf und Schwungseil. Ein waagerecht hängender großer Metallring trägt sowohl das Schwungseil, als auch, rechtwinklig zu dessen Achse angeordnet, einen Träger mit Seilschlaufen. Optisch aufgewertet wird das Requisit durch zahlreiche nostalgisch inspirierte Leuchten. Gekonnt präsentiert die sympathische Artistin ihre umfangreiche Trickfolge.

Charles Dubois, fünfzehnjähriger Tempojongleur, begeistert mit seinem rasanten Auftritt. In hohem Tempo wirbelt der junge Mann durch die gesamte Manege und versteht es hervorragend drei, vier und fünf weiße Keulen in vielfältigen Mustern zu manipulieren. Sicher und souverän werden die Requisiten gehandhabt. Im zweiten Teil seines Auftritts versteht er es ausgezeichnet mit bis zu sieben Ringen zu jonglieren. Die abschließenden Touren werden mit per LED-Technik beleuchteten Keulen gearbeitet, während das farblich hervorragend abgestimmte sparsame Manegenlicht an Laser erinnert – formidable.
Man sei besonders stolz, informiert Christophe Ivanes, zwei hervorragende Vertreter des selben Genres in zwei unterschiedlichen Disziplinen in der Show zu präsentieren zu.
So erleben wir gleich im Anschluss Rhode Dumas mit einer hervorragenden Antipoden-Darbietung. Kostüm, Requisiten und Trinka sind in den gleichen Blautönen gehalten und mitsamt dem Licht perfekt auf einander abgestimmt. Eine Walze und ein Kreuz sind die ersten Gegenstände, die in variantenreicher Weise über seine Füße wandern, ehe mit einem hölzernen Tisch die abschließenden Routinen erfolgen.
Das Clowns-Trio „Caplotletti“ ist mit seinem umfassenden Entrée vor der Pause zu erleben. Mit Hingabe und eigenem großen Spaß am Spiel – wir hatten Gelegenheit die Herren nachmittags bei der Probe zu beobachten – gehen die Brüder Steeve und John Caplot zusammen mit Weißclown Cappuccino zu Werke. Höchst unterhaltsam reihen sich die Gags aneinander derweil die zahlreichen Kinder im Publikum vor Begeisterunge kreischen und lebhaften Anteil am Manegengeschehen nehmen. Immer wieder erlebt das turbulente Spiel eine neue Wendung, nimmt die Handlung einen anderen Verlauf und auch wir, die wir die fremde Sprache nur zum Teil verstehen, haben unseren Spaß. Nach mehr als fünfunddreißig Minuten endet das muntere Treiben wie es begann – mit hervorragendem Trompetenspiel der drei Akteure. Welches Entrée gespielt wurde? Eine kreative Komposition aus „Messerbrett“, „Kunstschütze“ und „musizieren verboten“.

Mit der exzellenten Raubtierdressur von Steeve Caplot, die u.a. beim Festival von Massymit einem Hauptpreis ausgezeichnet wurde, beginnt der zweite Programmteil.
Sechs Löwinnen beherrschen ein höchst umfangreiches Repertoire attraktiver Tricks, dass in hohem Tempo gearbeitet wird. Pyramide, weite Sprünge – auch über den Vorführer hinweg, Teppich und Hochsitzer in der Manegenmitte erfolgen in erstklassiger Ausführung. Zahlreiche Sprünge hoch an die Käfigwand über hochsitzende Tiere hinweg zeigen die ganze Kraft und Dynamik der Raubkatzen. Darüber hinaus sind auch selten zu sehende Elemente, wie z.B. das parallele hochsitzen zweier Löwinnen auf zwei abliegenden Tieren zu erleben. Furiose Scheinangriffe und ein formidabler „Vorwärts-Steiger“ einer Löwin sind weitere exzellente Tricks und auch der Sprung über den sich niederwerfenden Dompteur hinweg fehlt nicht.
John Caplot präsentiert eine neu einstudierte Dressurschöpfung. Vier Steppenkamele und vier prachtvolle Schimmelhengste interagieren in einem temperamentvollen Ablauf. Vielseitige Figuren lässt der versierte Dresseur souverän und gekonnt ausführen. Harmonisch fügen sich Volten, Gegenläufe und viele weitere Elemente zu einer gelungenen Komposition. Exzellente Steiger runden den Auftritt ideal ab.
Magier „Malefique“ und seine Assistentinnen verblüffen mit  abwechslungs-reichen Großillusionen moderner Prägung.

Ein wahrer Stern am Circushimmel, Enzo Caplot - dreizehnjähriger Sohn von Steeve Caplot - begeistert mit einer Handstandequilibristik der Extraklasse. Der Teenager verfügt Kraft, enorme Körperbeherrschung und Ausstrahlung. Nach den ersten Handstandfiguren auf einem hohen chromblitzenden Piedestal baut er gekonnt Klötzchentürme auf. Perfekt gearbeitete Einarmer erfolgen im Anschluss. Ein erstklassiger Kopfstandauf der Mittelsäule des Piedestals wird sehr lange gehalten, während diese hoch in Richtung Kuppel ausfährt und sich hernach wieder absenkt. Doch diese Spitzenleistung war bei Weitem noch nicht der Abschluss seiner Evolutionen. Auf der immer wieder hochfahrenden Säule, die durch Handstäbe noch weiter verlängert wird, folgen in großer Höhe Handstand, Einarmer und Handstandwaage in Perfektion, wobei auch beim umsetzen von einer in eine andere Position keine Unsicherheiten zu erkennen sind. Chapeau.
Die Kaskadeur-Nummer der „Speed Boys“ - Enzo Caplot und Charles Dubois – sorgt vor dem Finale noch einmal für einen furiosen Wirbel in der Manege. Die beiden jungen Männer bieten in einer an Rasanz kaum zu überbietenden Abfolge alle relevanten Tricks des Genres. Mit Können und Verve erfolgen Saltos, Pirouetten und Kaskaden. Die erstklassig aufgebaute Darbietung besticht mit Trickreichtum, stimmiger Abfolge der Kaskaden und hohem Tempo.
Mit einem schwungvollen Finale findet die mitreißende Show ihren gelungenen Abschluss. Minuten lange Standing Ovations halten Artisten, „Monsieur“ Loyal und Direktion lange am Platz, ehe sich Christophe Ivanes, sichtlich gerührt, aus der Manege dieser Veranstaltungsreihe verabschiedet und nach fünfzehn Jahren den Staffelstab an Delphine Saint-Cyr weitergibt.
Die Familie Caplot betreibt ihren Circus mit großer Freude, mit Lust und Liebe zum Beruf. Mit Einsatzbereitschaft und großem Können bietet man ein sehr sehenswertes, unverfälschtes, echtes, traditionelles Circus-Spektakel, dass mit den aktuellen technischen Möglichkeit in erstklassiger Weise präsentiert wird und in das sich die engagierten Artisten harmonisch einfügen.