Text und Fotos Friedrich Klawiter
EQUIDIA
Leuven, 22. Mai 2010

Wie kürzlich in unseren 'News' gemeldet, hat die Familie von Elio Jarz  das Programmkonzept ihres Circus geändert. War man in den vergangenen Jahren als 'Moscou Star Circus' mit einem klassischen Nummernprogramm in Belgien auf Tournee, reist man nun als Pferdeshow 'Equidia'. In Zusammenarbeit mit dem bekannten belgischen Impresario Emmanuel Horwood wurde diese neue Show etabliert.

Logistik und technisches Equipement kommt vom Circus Jarz. Als geeignete Spielstätte wurde ein mächtiger Sechsmaster vom dänischen Circus Arena angemietet. Das gewaltige, vierzig mal sechzig Meter messende, rot-gelbe Zelt  dominiert den restlos gefüllten Platz. Der umfangreiche Fuhrpark und die beiden geräumigen Ställe für Pferde und Exoten des Circus Jarz dazu die Artistenwohnwagen nehmen einen großen Teil der Fläche ein. Nun sind weitere Ställe und die Wagen der zusätzlich engagierten Reiter dazu gekommen.
Im Chapiteau nimmt eine rechteckige, mit viel Sand aufbereitete Reitbahn, sie hat in etwa die Länge von drei Manegen, breiten Raum ein. Eine Piste ist nicht vorhanden, die Aktionen der Reiter und Pferde führen bis unmittelbar an die Logenkästen heran. An der Längsseite des Zeltes bietet eine lange Tribüne, die zwölf Reihen Schalensitze trägt, zahlreichen Besuchern Platz. Auf der einen Kopfseite der Reitbahn ist eine Hälfte des Gradins des Circus Jarz aufgestellt. Auf der anderen Seite wurde neben dem Zelteingang die Restauration sowie einige zusätzliche Verkaufsstände installiert.

Die zweite Längsseite wurde mit bunten aneinander genähten Stoffbahnen, die beinahe bis ans Zeltdach reichen, abgeteilt. So entstand ein weitläufiger 'Sattelgang' in dem die Reiter ihre Pferde aufwärmen können.
Die Lichtanlage ist an langen, relativ tief hängenden Gitterrohrträgern, die an den Längsseiten zwischen den Masten hängen, installiert. Auf Grund dieser Anordnung ist die Sicht auf die beiden Darbietungen in Kuppel, zumal das Hochseil zwischen einem äußeren Mastenpaar platziert wurde, vom größten Teil der Plätze stark eingeschränkt. Die Dimensionen der Spielfläche scheinen die Beleuchtungsanlage an die Grenze ihrer Möglichkeiten zu führen, zeigt sich die 'Manege' nicht in allen Bereichen gleich ausgeleuchtet. Wie überhaupt das Lichtdesign eher auf gebräuchlichere Chapiteaugrößen abgestimmt erscheint.

Mit einer kurzen Balletteinlage von fünf Tänzerinnen  findet der Einstieg in die Show statt. Schnell kommen vier Reiterpaare, die Damen haben quer hinter dem Sattel Platz genommen hinzu. Mit ihrer Quadrille nutzen die Mitglieder eines Reitsportvereins aus Modena ein erstes Mal die gesamte große Fläche.
Die Kostüme aller Auftretenden und die ausgewählter Musiken der gesamten Show sind durchgängig aufeinander abgestimmt, sind allesamt im spanischen bzw. argentinischen Stil gehalten. Alle Artisten die zu Beginn der Saison im 'Moscou Star Circus' aufgetreten sind sehen wir nun auch in der neuen Produktion wieder, wenngleich ihre Darbietungen mehr oder weniger starke Veränderungen erfahren haben.

So ist Stefania Jarz nun nur noch mit ihren Hula Hoop-Reifen präsent.  Sie ist die einzige Artistin, die zu ebener Erde auf dem Manegenteppich arbeitet. Für die anderen artistischen Sequenzen wird ein großes rechteckiges, auf Rollen montiertes, Podium in die Reitbahn geschoben.
Dieses Podest dient denn auch Cathy Farkas als Untergrund bei ihrer Jonglage. Die Passagen mit dem Röhrenkubus entfallen nun und sie arbeitet nur mit den Kugeln, die mit kurzen Seilen verbunden sind. Auch in dieser Show gibt ihr Mann Yozo den Clown. Er hat in jedem Programmteil nur noch einen Auftritt und arbeitet keine seiner bisherigen Reprisen. Stattdessen versucht er einen 'entwichenen' Esel, der sich allen Berührungsversuchen massiv widersetzt, einzufangen. Dabei ist er natürlich stark von der Tagesform und Spielfreude des tierischen Partners abhängig. Im zweiten Teil reitet er auf einem Steckenpferd in die Bahn, um alsdann zwei Zuschauer in die selbige und auf Steckenpferde zu nötigen.

Da den Freiheitspferden die Piste als Orientierungshilfe fehlt, wird eine 'Manege' mit Stoffbändern, die in Höhe der Logenbrüstungen gespannt werden, improvisiert. In der so geschaffenen quadratischen Fläche in der Zeltmitte stellt Emiliano Jarz in poetischem Zusammenspiel zunächst einen weißen Hengst vor.
Selbstverständlich sind auch die beiden Töchter des Hauses mit ihren Ponys weiterhin im Programm. Linda Jarz präsentiert ihre sechs Pferdchen als erste und die Kleinpferde haben sichtlich Mühe mit den neuen räumlichen Gegebenheiten und so muss ganz im Gegensatz zu ihren perfekten Auftritten in der normalen Manege die ordnende Hand von Emiliano Jarz eingreifen. Valentina Jarz stellt im zweiten Programmteil in gewohnter Manier ihr Solopony vor, dass vollkommen unbeeindruckt seine Bahnen durch die Reifen zieht.
Eine besondere Form von 'Groß-und-Klein' präsentiert einer der Reiter aus Modena. Während sein Pferd verschiedene Figuren und Schulschritte geht, lässt er an einer Longe ein Falabella-Pony gleichfalls munter seine Kreise ziehen.
Eine erste Darbietung in der Kuppel bietet wiederum die junge südamerikanische Artistin mit ihrem Zopfhang. Ihre Nummer ist nun auf dieses Requisit reduziert, wirkt kompakter und stimmiger. Zur gleichen Zeit zieht ein eleganter Reiter seine Bahnen durch den Sand. Gemeinsam verlassen beide nach dem Kompliment auf seinem Pferd die Stätte.

Vor der Pause präsentiert Emiliano Jarz seinen feinen Achterzug andalusischer Schimmel. Vielfältige Lauffiguren werden von den Pferden fehlerfrei geboten. Es ist eine umfangreiche Demonstration equestrischen Könnens und einige eindrucksvolle Steiger runden das Gebotene ab. Besonders beeindruckend, dass Emiliano Jarz nun völlig auf Hilfsmittel wie Chambriere und Gerte verzichtet und die Pferde ausschließlich mit Stimme und Handzeichen dirigiert.

Die 'Argentinian Devils', Walter Pas mit seiner Truppe, eröffnen tanzend den zweiten Programmteil. Ihre argentinische Folklore-Nummer wurde in mehrere Teile getrennt und nun präsentieren sie die Passage mit ihren Ponchos.
Im Anschluss reitet Emiliano Jarz eine Hohe Schule. Zwei junge Männer umrunden als Stehendreiter auf ihren Pferdepaaren zugleich die Bahn. Es sind temperamentvolle, lebhafte Szenen die mit viel Schwung herüberkommen. Ohne Unterbrechung wird dieses Bild fortgeführt mit einer relativ kurzen Dschigitenreiterei der beiden jungen Männer.
Zum Abschluss präsentiert Emiliano Jarz die vier Freiheitspferde, die bisher im Anschluss an den Achterzug als Da Capo gearbeitet haben. Auch ihre Aktionen sind tempogeladen und so findet diese rasante Sequenz unter dem Beifall des begeistert mitgehenden Publikums ihren Abschluss.

Mit einer weiteren Balletteinlage der beiden Herren der 'Argentinian Devils' auf dem Podium wird zur 'Spanischen Hohen Schule' von Mignon Bratuchin übergeleitet. Ruhig und souverän absolvieren Reiterin und Pferd die Lektionen. Nach einigen Minuten kommt einer der Italiener dazu, eine Schule am langen Zügel vorführend. Die große Bahn bietet beiden Akteuren viel Platz für die Exerzitien.
Abgelöst werden sie von zwei Reiterinnen aus Modena, die in romantischen Kostümen zu „Don' t cry for me Argentina“ eine eindrucksvolle doppelte 'Hohe Schule' bieten und für einen der träumerischen Momente der Show sorgen.
Ihnen folgt, mit einer weiteren Variante der 'Hohen Schule' Emiliano Jarz. Ihn begleitet die Tochter von Walter Pas. Zu Tangoklängen folgt sie tanzend dem Reiter durch die Bahn.

Nach dieser eher ruhigen, poetischen Passage wird es wieder rasanter, folgen spannungsgeladene Momente. Marco Polo erklimmt sein Hochseil und zeigt mit gutem, die Spannung steigernden Verkauf seine traditionellen Tricks. Auch in dieser weitläufigen Umgebung und teilweisen eingeschränkten Sicht auf den Artisten verfehlt er nicht seine Wirkung aufs Publikum.
Die fünf Herren der Reitertruppe aus Modena kommen als 'Gardians', als Camargue-Hirten, in die Bahn. Unglaublich vielfältig sind die gerittenen Figuren und Muster, die sie mit ihren – für diese Hirten typischen – langen Stangen in den Sand zeichnen. Es ist eine hervorragende Demonstration reiterlicher Klasse – einzig dieser Auftritt gerät etwas zu lang und mindert so seine Publikumswirksamkeit.
Nun kommen die 'Argentinian Devils' zu ihrem eigentlichen Auftritt mit Trommeln und Bolas. In gewohnter Weise entfachen sie zu viert gehörigen Wirbel und sorgen für Schwung und Stimmung.

Ihren ganz großen Auftritt haben nun die Reiter/Innen aus Modena. Zu zehnt brillieren sie mit gekonnt gerittenen Formationen. Ohne Fehler reihen sich die Lektionen und Figuren aneinander, füllen noch einmal die große Reitbahn.
Dann nehmen sie in der Mitte Aufstellung, die Artisten kommen, in Zweierreihe marschierend, dazu und übergangslos sind wir mitten im Finale angelangt. Die fünfundzwanzig Mitwirkenden werden vom flämischen Sprechstallmeister, der ansonsten nur noch zur Ankündigung der Pause aktiv wird, kurz vorgestellt und nehmen den lebhaften Applaus des Publikums entgegen.

Es ist eine schwungvolle unterhaltsame „Pferdeshow“ die die Familie Jarz und Emmanuel Horwood zusammengestellt haben. Durch die relativ hohe Anzahl artistischer Genres erfährt das Programm einerseits angenehme Auflockerungen, wenngleich man sich die ein oder andere weitere equestriche Disziplin im Ablauf vorstellen kann.
Auf der anderen Seite stellt diese Programmzusammenstellung einer dominierenden Anzahl Pferdedarbietung mit einigen anderen – teils sehr alten und traditionellen - Genres eine interessante Wiederbelebung des ursprünglichen klassischen Circus dar. Das Publikum und hier besonders der Teil, der offensichtlich nicht zu regelmäßigen Besuchern „normaler Circusvorstellungen“ gehört, zeigt sich in höchstem Maß zufrieden.

optimiert