Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE Firmin Bouglione
Mons, 26. Februar 2011


In Mons war der Cirque Firmin Bouglione auf einem Gelände am Rande eines Freizeitgebietes ein wenig außerhalb der Stadt zu finden . Nach dem ausscheiden der Familie seines Sohnes Alexandre hat Senior Firmin Bouglione seinen Circus entsprechend umbenannt. Er reist nun mit seiner Tochter Rosa Bouglione-Canestrelli.
Der im vergangenen Jahr neu angeschaffte Zweimaster bildet das Zentrum des Circus. Mit hoher spitzer Kuppel und weit hinausragenden sechs Quaderpools ist die Optik des weiß-rot gestreiften Chapiteau in top aktuellem Design, wie man es bei vielen neuen Zelten in Frankreich sieht, gehalten. Ein passendes Vorzelt und der nostalgische weiße Kassenwagen, den der Cirque Bouglione seit Jahren nutzt, sind dem Zelt vorgelagert.
Die Trucks sind perfekt in Reihe ausgerichtet aufgefahren, etliche der charakteristisch und unverwechselbar bemalten und beschrifteten Bouglione-Transporter um den Platz formiert. Campings und Wohntrailer wurden in exakten Reihen platziert. Der Raubtierwagen mit Außengehege und der Pferdestall fanden hinter dem Chapiteau ihren Platz. Für den technischen Ablauf in diesem neu formierten Unternehmen ist nun Riccardo Bouglione-Canestrelli, der Sohn von Rosa, zuständig.

Zahlreiche Lichterketten und Sterne auf den Mastspitzen lassen den Circus in der Dunkelheit erstrahlen. Auch das Innere des Vorzeltes wird mit vielen Lichtquellen stimmungsvoll erhellt. Der Restaurationswagen findet auf einer Schmalseite seinen Platz, während ein großer Bereich des Zeltinnern mit Tischen und Stühlen ausgestattet ist. Der Boden ist komplett mit Kunststoffplatten ausgelegt. Ein Tunnel verbindet die beiden Zelte miteinander. Im Chapiteau steht ein beinahe neues fünfreihiges Holzbankgradin. Die roten Logen sind in dieser Form seit einiger Zeit bei Bouglione im Einsatz, ergeben mit dem roten Stoff des Artisteneinganges ein stimmiges Bild.
Die Lichtanlage ist komplett und ausschließlich mit herkömmlichen Scheinwerfern bestückt und Riccardo Canestrelli liefert eindrucksvoll den Beweis, dass hervorragendes Licht keiner Materialschlacht bedarf.

Der Cirque Firmin Bouglione bietet klassischen unverfälschten Circus gemäß dem aktuellen Motto „Tradition“. So findet der Einstieg in die Vorstellung musikalisch mit dem französischen Klassiker „Vive le Cirque“ statt. Monsieur Loyal Pierre Paille, er nimmt nun auch administrative Aufgaben wahr, kündigt sich selbst aus dem Off an, dann begrüßt er in der Manege das Publikum angemessen. Mit dem Slogan „Bouglione – le Cirque des Cirques, Bouglione – le Cirque des Belges“ (Bouglione – der Circus aller Circusse, Bouglione – der Circus der Belgier) gibt er die Manege frei und Heiko Olf startet die Spielfolge mit seiner Raubtierdressur. Drei Löwinnen und ein Löwe sind derzeit, vor ein  paar Tagen gab es kleinere Auseinandersetzungen der beiden Löwenmänner in der Manege ließ uns der Dompteur wissen, in der Vorstellung zu sehen. Schwungvoll und flott präsentiert Heiko Olf die zahlreichen Tricks seiner Katzen.
Den Käfigabbau überbrückt Clown  Angelo, der in einigen Szenen in Pierre Paille einen kongenialen Gegenspieler findet, mit der Frage, welches „Getränk“ aus einer kleinen Holzkiste herausläuft. Angelo Chaves, sein Vater Lionel ist seit Jahren im Wiener Circus zu sehen, überzeugt mit großer Spielfreude sowie auffallend feinen Kostümen. Er verkörpert überzeugend einen sympathischen freundlichen Clowntypus. In weiteren Reprisen „balanciert“ er eine Flasche auf einem Stab und übt sich mit zwei Kindern, mit dabei sein kleiner Sohn, im Seil springen. Zum Entree werden sechs Mitspieler in die Manege gebeten und schnell errät der erfahrene Circusbesucher, was gespielt wird – richtig, das Orchester findet in einer weiteren Variante statt.

In die Bouglione-Manege zurückgekehrt sind die Schwestern Dania und Ethel Biasini. Zunächst sind sie mit ihren Antipodenspielen zu sehen. Walzen, Basketbälle und kleine Teppiche werden virtuos auf Händen und Füssen jongliert. Neu im Repertoire haben sie ihren Schlusstrick. An eine der Trinkas wird eine Art Leiter angebracht, so dass die eine der Damen auf den Füssen ihrer Schwester und diesem Gestell zu liegen kommt. Die „Oberfrau“ jongliert ein großes Feuerkreuz auf den Füssen, derweil die untere zwei per LED leuchtende Teppiche auf den Händen kreisen lässt.
In der zweiten gemeinsamen Darbietung zeigen die Schwestern Biasini Schwerterbalancen. Im orientalischen Look werden die üblichen Abläufe elegant und gut präsentiert.
Zudem versteht es Ethel im zweiten Programmteil mit ihrer anspruchsvollen Arbeit an Strapatentüchern zu begeistern.

In zwei unterschiedlichen artistischen Disziplinen agiert Florian Mikaill. Der junge Artist mit albanischem Pass überzeugt zunächst mit einer Jonglage, die durch außergewöhnlichen Verkauf auffällt. Er trägt einen knallgelben, frackartig geschnittenen Anzug und hat, aus welchen Überlegungen auch immer, sein Gesicht giftgrün gefärbt. Zu schwungvoller Musik jongliert er flüssig und tänzerisch zunächst mit kleinen orangenen Bällen. Die Wechsel der Utensilien werden zu flotten Tanzeinlagen genutzt. Es folgen Routinen mit Keulen und abschließend die effektvolle Arbeit mit Zigarrenkistchen. Sicherlich gibt es technisch anspruchsvollere Jonglagenummer, diese hier kommt beim Publikum ob ihres Präsentationsstiles ausgezeichnet an.
Im zweiten Auftritt sehen wir Florian Mikaill auf der Rola. Auch diese Darbietung zeichnet sich durch sehr guten Verkauf der teils anspruchsvollen Tricks aus. Speziell sein finaler Trick beeindruckt. Auf einem Turm aus fünf Walzen und Rollen, der auf einer kleinen Drehscheibe ruht, vollführt er eine Drehung um 360 Grad.
Gleichfalls in zwei Disziplinen ist Desiree Chaves, die Tochter von Clown Angelo, zu bewundern. Die Artistin im Teenageralter arbeitet zunächst eine elegant choreographierte Darbietung an Strapatentüchern. Mit jugendlicher Frische und Ausstrahlung wird die Kür absolviert.
In der Aufmachung etwas an FlicFlac orientiert, sehen wir sie im zweiten Programmteil mit Handstandequilibristik. Auf einem hohen Piedestal bietet sie eine Vielzahl moderner und klassischer Handstandposen, die kraftvoll ausgeführt werden. Der finale Schuss im Handstand stehend, mit Pfeil und Bogen in den Füssen auf einen Luftballon kommt beim Publikum gut an.

Für die weiteren Nummern mit Tieren wurde Sandrine Beautour verpflichtet. Die renommierte Dresseurin bringt als Pausennummer die erstklassige Freiheit mit „Doppelponys“. In der besuchten Vorstellung arbeitete sie mit „nur“ fünf Tieren, was der exzellenten Darbietung allerdings keinen Abbruch tat. Die vielfältigen Figuren werden ruhig, sicher und perfekt vorgetragen. Eine ganze Reihe verschiedener Da Capo Steiger runden die feine Leistung ab und zeugen vom hohen Ausbildungsstand der Pferde.
Gleich nach der Pause sehen wir Sandrine Boutour mit einer munteren Hundemeute. Auch diese agiert sehr flott und exakt. Tricks, wie das laufen auf den Vorderpfoten auf der Piste, Kugellauf und im „Handstand“ eine Treppe hinab gehören zum Repertoire. Auffällig das Requisit, auf dem die Hunde sitzen – es wird von einem hohen Eiffelturm überragt.
Als Finalnummer wurde ihre „Phantasie Equestre en noir et blanc“ platziert. Auf zwei dekorativen Pferden, der Friese hatte sein Manegendebut zu Saisonbeginn, reitet Madame Beautour die Hohe Schule. Gekonnt und mit der notwendigen Grandezza werden die verschiedenen Schritte und Figuren vorgetragen.

Im Finale stellt man überrascht fest, dass dieses umfangreiche, sehr unterhaltsame und abwechslungsreiche Programm von nur acht Akteuren bestritten wurde. Gute Leistungen werden, geschickt von erstklassigem Licht und stimmiger musikalischer Begleitung unterstützt, dargeboten und zu keinem Zeitpunkt kommt das Gefühl auf, dass "immer wieder die gleichen Akteure" in der Manege stehen. Alle Liebhaber klassischer Circuskunst sollten einen Besuch in diesem Unternehmen fest einplanen. Die Besucher der von uns gesehenen Vorstellung zeigten sich sehr zufrieden und begeistert. 
optimiert