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Text und Fotos Friedrich Klawiter
FICFLAC „Höchststrafe“
Oberhausen, 06. Oktober 2014

http://flicflac.de
25 Jahre FlicFlac – am gleichen Tag, dem 05. Oktober, und in der gleichen Stadt in der seinerzeit Benno und Lothar Kastein mit ihrem Circus starteten, fand nun die Premiere des Jubiläumsprogramms „Höchststrafe“ statt.
Äußerlich hat der Circus im vergangenen Vierteljahrhundert eine enorme Metamorphose vollzogen. Man startete seinerzeit mit einem alten blau-gelben Roncalli-Leinwandzelt und nostalgischen, liebevoll aufgearbeiteten holländischen Zigeunerwagen. Ein mit Kunstschmiedeelementen verzierter Zaun umgab den Circusplatz und üppige Kandelaber schmückten die Front. Einige Jahre später waren die Zelte weiß und modern, die alten Wagen waren Sattelaufliegern gewichen und einfache Bauzaunelemente sicherten das Gelände. Bald darauf wurden die Wagen schwarz gestrichen und die Zeltanlagen, die immer größer und höher wurden erhielten das markante schwarz-gelbe Blockstreifendekor. Anstelle eines Zaunes umgab nun eine schwarze „Wand“ den Circus.
Parallel dazu entwickelte man auch im Programmkonzept den hauseigenen Stil. Von Beginn an wurde auf Tierdarbietungen verzichtet, nur Benno Kastein's humorvolle Hundenummer war anfangs im Programm, und immer mehr wurden spektakuläre Stunts in den Ablauf eingebunden.
Nachdem die letztjährige Tournee im riesigen Achtmaster unter dem Titel „Exxtrem“ stattfand, kehrte man mit dem Jubiläumsprogramm in ein traditionelles rundes Vier-Masten-Chapiteau zurück. Ein dreimastiges längliches Vorzelt ergänzt das Ensemble. Der Circusplatz ist komplett mit einem hohen Metallzaun, dessen einzelne Felder mit großformatigen Abbildungen ehemaliger FlicFlac-Darbietungen gestaltet sind, umgeben. Nur die Kasse und der große, im hellen Licht funkelnde Barwagen sind vor dem Zaun platziert. Das im Innern vollkommen schwarze Vorzelt beherbergt die verschiedenen Verkaufsstände der Restauration und den bestens bekannten luxuriösen Toilettenwagen.

Die aktuelle Show steht unter dem Motto „Höchststrafe“ und so findet das Ereignis in einer „Knast“-Umgebung statt. Der Weg zu den Treppenaufgängen des Zeltes führt an  schweren Metallkäfigen in Größe von Zellen entlang. Im Zelt steht ein FlicFlac typisches, steiles Gradin mit vierzehn Reihen für die Besucher bereit. Den Blick in den Hintergrund verwehrt eine schwarze Stoffbahn, die raumhoch zwischen die hinteren Masten gespannt ist. Der Bühnenboden ist mit einem Dekor, dass rissigen Beton nachbildet versehen. Einlasspersonal, bzw. Requisiteure sind als Wachmannschaften gekleidet und sämtliche Artisten treten einheitlich in „Anstaltskleidung“ - beige Hose und weißes Shirt – auf.
Die Lichtanlage ist ein Prunkstück und sucht im Bereich Circus Ihresgleichen. Eine große ringförmige, in der Höhe verfahrbare, Metallkonstruktion mit beweglichen Auslegern trägt eine große Anzahl hochmodernen Beleuchtungskörper. Mit deren in verschiedensten Farben leuchtenden Strahlengänge werden oftmals Muster erzeugt, die die Illusion vermitteln, der auftretende Artist arbeite in einem Käfig.
Musikalisch setzt man in der aktuellen Show auf einen durchgängig rockigen Sound. Zu weiten Teil wird die Show live von einer Band unter Sam Beck und der Sängerin Caro Kunde begleitet.

Kaltes weißes Licht erhellt die Bühne und die Gruppe der „Knastinsassen“ ist beim Hofgang versammelt. In Grüppchen vertreibt man sich mit verschiedenen Aktivitäten die Zeit, bis die „Aufseher“ dem Treiben ein Ende setzen und alle zurück in den Bau treiben.
Auf dem „Hof“ bleiben nur die vier Mitglieder der Truppe Expendables zurück, mit deren Handvoltigen die Show startet. Ihre Trickfolge ähnelt stark der anderer ukrainischer Truppen und die hoch gesprungenen und sicher gefangenen Saltos und kraftvoll ausgeführten Handstände sorgen für erste Begeisterung auf den bestens besetzten Rängen.
Nun fällt der schwarze Stoff am hinteren Rand der Bühne und der Blick fällt auf den Zellentrakt eines US-Gefängnisses. Vier Zellen, ihre Vorderseite ist voll vergittert, ragen in die Höhe und in der obersten Reihe verbindet eine Brücke aus drei weiteren Unterkünften die beiden seitlichen Säulen. Die Band sitzt in der vierten Etage ein und die Sängerin agiert auf einem schmalen, den Zellen vorgelagerten Gang. Die übrigen Räume sind im Verlauf der Show mehr oder weniger bevölkert.
Aus dem gewaltigen Tor zwischen den Zellen zieht sich die Sprungunterlage bis mittig auf die Bühne und die Truppe Acro Swing zeigt ihren Fasttrack-Auftritt unter dem Gejohle der übrigen Gefangenen. Vor der Pause arbeitet die Truppe in gleicher Weise an der Russischen Schaukel. Zunächst werden die hohen Flüge auf einem Kissen gelandet; die zweite Serie weiter spektakulärer Flüge endet in einem vor den vorderen Stuhlreihen gespannten Netz.
Marco Noury bietet eine Reihe kraftvoll ausgeführter Tricks an den Strapaten. Perfekt in Szene gesetzt wird der Auftritt durch das hervorragende Lichtdesign, dass den Artisten „hinter Gittern“ schweben lässt. Mit weiten, raumgreifenden Flügen wird die Begrenzung der „Gitter“ gesprengt.
Mit der Kubusjonglage von Denis Ignatov kehren die Aktionen auf den Boden zurück und seine glänzenden, umher gewirbelten Requisiten reflektieren das Licht in vielfältiger Weise.
„Höchststrafe“ ist nicht nur die Show der harten Machos, die hinter Gittern zu hämmernden Beats die Muskeln spielen lassen, es gibt darüber hinaus auch träumerisch-romantische Momente - so zum Beispiel bei Larissa Kasteins Pole Dance. Einer der Inhaftierten träumt von seiner Freundin und zu dem französischen Chanson „Je suis malade“ bietet die versierte Artistin ihre starken Tricks an der Stange.
Den ersten Programmteil komplettiert Vladik Miagkostoupov mit seiner außergewöhnlich choreographierten Jonglage-Nummer. Sie wird mit vielen tänzerischen Elementen dargeboten und orientiert sich auch am Nouveau Cirque. Mit kleinen weißen Bällen erfolgen die variantenreichen Routinen, die der Artist auch in einem Longengestell schwebend ausführt. Anschließend werden fünf goldene Keulen manipuliert. Mit dem Fuß kickt Miagkostoupov nacheinander die Bälle ins jonglierte Muster und tauscht so die Requisiten wieder aus. Zum Abschluss des Auftritts werden sieben Bälle sicher in der Luft gehalten.

Comedian Marcel Exner, „ich bin Oberhausener“, tritt in ganz normaler Straßenkleidung, seinen Kumpel „Rocky“ im „Bau“ besuchend, auf. Drei Mal werden Gags zu lokalen Themen – z. B. das Aussehen der über vierzigjährigen Oberhausenerin, soziale Brennpunkte in Oberhausens Mitte – gemacht, die allerdings längs nicht alle zünden.
Willer Nicolodi hingegen, er erscheint als einziger Artist im Outfit eines Wachhabenden auf der Bühne, räumt mächtig ab. Mit seinem neuen Bühnenpartner, der Ratte Josélito - „mit die ché“ - hat zur Freude der Zuschauer seine liebe Not. Im zweiten Teil des Auftritts bittet er nun vier Freiwillige auf die Bühne und verleiht ihnen eine neue Stimme.

Evgeny Nikolaev zeigt zu Beginn des zweiten Programmteils, der mit einer ausführlichen Solonummer der Band startet, seine Kür am Cyr-Rad. Introvertiert agierend bringt er die verschiedenen Abläufe zu Gesicht.
Eine furiose Luftnummer arbeitet Anastasia Makeeva am Schwungband. In großer Höhe erfolgen zahlreiche Haltetricks, riskante Abfaller und spektakuläre Tricks ohne jeden Vorteil. Zehenhang an einem Fuß und Nackenhang gehören ebenso zum Repertoire, wie lange gehaltener Spagat zu dem die Artistin freihändig in den Seilschlingen stehend gleitet.

Tatjana Kastein präsentiert ihre Handstandkünste auf der sich langsam drehenden Bühne. Ihre kraftvollen, elegant ausgeführten Evolutionen werden von vier Männern eindrucksvoll umrahmt. Über deren Rücken laufend erreicht sie ihre Handstäbe und abschließend führt sie Handstände auf den hochgereckten Händen der Partner aus.

Selbstverständlich muss eine Flicflac-Show auch eindrucksvolle, spektakuläre Stunts bieten und so wird riesige "Globe of Speed" in Stellung gebracht. Zunächst sind drei, anschließend fünf Fahrer in der Stahlgitterkugel unterwegs. Unter erstaunten Ausrufen der Zuschauer steigert sich die Anzahl der Fahrer in der Kugel schließlich auf neun, die auf kreuzenden Bahnen durch den Globe rasen. Ein kleiner Zwischenfall am Ende der Nummer (siehe die News vom 07.10.) sorgte für Schreckensmoment.
Den ultimativen Kick der Show bieten die Freestyle Jumper von „Air-Speed“. Mit ihren PS-starken 250ccm Motocross Maschinen fliegen sie hoch über die Motorradkugel durch die Kuppel des Chapiteau. Aus dem Vorzelt nehmen die tollkühnen Motorrad-Artisten Anlauf und durch den Tunnel geht es über eine Rampe, die anstelle der mittleren Treppe nun in das Gradin ragt, durch den engen Aufgang. Der Flug beginnt knapp unterhalb des Treppenpodestes und führt quer durchs Zelt bis in die Zellenkulisse, in der die Aufsprungrampe steht.
Lautstark bejubelt das Publikum die verschiedenen riskanten Flugfiguren. Die Fahrer stellen die Füße auf dem Lenker ab, schweben über den Maschinen sich dabei nur noch mit einer Hand am Lenker oder Tank festhaltend, fliegen gar ganz die Maschine loslassend durch den Raum oder stellen die Motorräder in der Luft quer zur Flugrichtung. Mit einem Backflip, einem Rückwärtssalto mitsamt der Maschine, erreichen die tollkühnen Sprünge ihren Höhepunkt. Die letzte Flugrunde absolvieren die vier Biker in äußerst knappem Abstand hintereinander herfliegend.
Zum Finale versammelt sich die gesamte Truppe auf der Bühne, erfährt per Ansage, dass die Haft nun vorüber und alle „frei“ seien. Man klatscht einander ab und nachdem sich die Standing Ovations der Zuschauer gelegt haben leert sich die Spielfläche rasch.
Den Machern von FlicFlac ist es wiederum gelungen ein starkes Programm zu einer stimmigen Show zu formen. Ein sich stetig steigernder Spannungsbogen kumuliert in einem grandiose Action bietenden Höhepunkt. Auch wenn in vergangenen Produktionen mehr spektakuläre Action geboten wurde, zeigt sich das Publikum, als es nach zwei Stunden und fünf Minuten Show inklusive Pause das Zelt verlässt, sehr zufrieden.