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Text und Fotos Friedrich Klawiter
FLICFLAC
Gießen, 25. Mai 2017

https://flicflac.de
Mit der neuen Show „BEST of“ geht FlicFlac in diesem Jahr auf Tournee und  lässt den mobilen „Knast“ hinter sich. Passend dazu wurden neue Zeltanlagen angeschafft. In Gießen, einer der Städte in denen FlicFlac in der Vergangenheit sehr häufig gastierte, ergab sich die Gelegenheit zum Besuch.
Zwei hohe schwarze Gitterrohrbögen spannen sich über die markanten gelb-schwarzen Zeltanlagen. An ihnen ist das im Innern völlig mastenlose Chapiteau aufgehangen und die schwarze Spitze der Kuppel ragt über die Bögen in den Himmel hinein.
Ein dreimastiges Vorzelt, zwischen dessen Kuppeln die beiden Leuchschriften „Flic“ und „Flac“ den Namenszug des Unternehmens transportieren, komplettiert die Zeltanlagen
Ein hoher Metallzaun, in dessen Feldern großformatige Abbildungen ehemaliger FlicFlac-Darbietungen angebracht sind, umschließt das Circusgelände.
Einzig der schwarze Kassenauflieger und Barwagen sind außerhalb des Zaunes platziert.
Das im Innern völlig schwarze Vorzelt beherbergt die verschiedenen Verkaufsstände der Restauration. Die puristische stilvolle Einrichtung verleiht dem großen Raum ein elegantes Ambiente. Ein breiter Tunnel verbindet Foyer und Spielzelt.
FlicFlac typisch füllt ein extrem steil ansteigendes, mit vierzehn Reihen bequemer Einzelstühle bestücktes Gradin den Raum. Einige raumhohe schwarze Stoffbahnen bilden den Artisteneingang. Erstmals bildet ein Gitterrohr-Ring, der mit zahlreichen Beleuchtungskörper bestückt ist, eine Art Piste um die Bühne.
An einer großen, hoch in der Kuppel hängenden achteckigen Gitterrohr-Konstruktion ist der größte Teil der zahllosen Beleuchtungskörper angebracht. Das Lichtdesign der Show beschränkt sich überwiegend auf hartes weißes Licht, das nur von wenigen sparsamen bunten Licht-Mustern auf dem Bühnenboden begleitet wird.
Die musikalische Begleitung des Geschehens erfolgt nun ausschließlich von CD. Viele rockige Songs stehen im Kontrast zu den klassischen Klängen zu Beginn beider Programmteile und dem jazzig-verträumten Sound bei zwei – drei Darbietungen. Allerdings steht die Musikauswahl nur selten in einem Kontext zu den Auftritten und kommt phasenweise als „Fahrstuhlmusik“ daher.

Feuersäulen schießen aus Öffnungen am Rande des Bühnenbodens empor und unter einem riesigen Tuch auf der Bühne sind sechs Körper zu erkennen. Eine Stimme aus dem Off lässt uns wissen, dass die „Zeit der Gefangenschaft nun vorbei“ sei, „alle sind frei und Jeder geht seiner Wege“. Logischerweise ist die Knastkulisse im Hintergrund der Bühne nun nicht mehr vorhanden und die Anstaltskleidung der Artisten ist einem neuen „Einheitslook“ gewichen – alle Mitwirkenden treten komplett schwarz gekleidet auf, was speziell bei den Luftdarbietungen in Anbetracht des schwarzen Zelthintergrundes nicht optimal ist.
Viktar Shainhoha fliegt an seinen Strapaten über die Szene, reißt das Tuch über dem Hausballett an sich und leitet so den Aufbau des Globe of Speed ein. Während der ersten, recht langen Tour mit drei Fahrern im Globe performt Viktar völlig ungesichert auf dem Zenit der Stahlgitterkugel. Schließlich bieten sieben Fahrer ihre Stunts im Globe.
Nachdem die Kugel wieder von der Bühne gerollt wurde setzt Viktar Shainhoha seine Strapaten-Darbietung fort und stürzt sich nach den Tricks immer wieder aus einigen Metern Höhe rücklings auf ein dickes Kissen.
Ferry und Zofi arbeiten eine ungewöhnliche Nummer an Rhoenrädern.  Die genretypischen Abläufe finden spektakuläre Ergänzung in Tricks, wie z. B. einen Sprung von einem zu einem anderen Rhoenrad, einem Kopfstand auf dem Zenit eines senkrecht stehenden und seitlich gegen das zweite Rad geneigten Requisit sowie eines Zwei-Mann-Hoch oben auf dem Rhoenrad.
Die vier ukrainischen Artisten der Truppe „Wild“ bieten bei ihren Handvoltigen die typischen Tricks und Abläufe, wie wir sie von anderen, der zahlreichen ähnlichen Truppen kennen.

Justin Case begeistert mit seiner Kombination aus Fahrradartistik und Comedy. Eine umfassende Auswahl Tricks des Kunstrad fahrens wird in erstklassiger Manier geboten. Die Sprüche, mit denen der Artist seine Aktionen kommentiert sind das Salz in der Suppe. Ungläubiges Staunen herrscht auf den Rängen, wenn Justin Case nacheinander zwei Pilotenkoffern zwei unterschiedliche große Miniräder entnimmt und damit Runden radelt.
Das Highlight der Show ist Mitte des ersten Programmteils zu erleben – Alain Alegria mit seinem risikoreichen Act auf dem Washington-Trapez. Er lässt mit seinen waghalsigen Balancen, u.a. auf einem frei auf dem Trapez stehenden Klappstuhl, viele Besucher den Atem anhalten. Kollektive schweißnasse Hände sind beim einzigartigen Schlusstrick – Alegria nimmt im vollen Schwung, freihändig auf dem Trapez balancierend, mit dem Mund ein Tuch von der Stange auf – angesagt.
Christina Garcia präsentiert ihre gekonnten Kontorsionen auf einer Plattform, die auf dem Dach eines Kleinwagens angebracht ist. Sicher und souverän werden die zahlreichen anspruchsvollen Tricks gearbeitet. Sich rückwärts biegend nimmt die Artistin eine Blüte mit dem Mund auf, die wesentlich tiefer als die Position ihrer Füße liegt und abschließend schnellt sie, im Handstand stehend, mit den Füßen einen Pfeil treffsicher vom Bogen auf einen Luftballon.
Einzig der parallele Aufbau der Rampe für die Motorrad-Springer beeinträchtigt den Auftritt in seiner Wirkung.
Die Mad Flying Bikers zeigen ihre gewagten Stunts und Sprünge mit dem Motorrad nun zu zweit. Von der Rampe über dem vorderen Treppenaufgang fliegen sie quer über die Bühne und landen nach spektakulären Aktionen in der Luft sicher auf der Rampe die im Artisteneingang steht.

Nicolai Kuntz hat die Trickfolge seiner bestens bekannten, Longen gesicherten, Nummer am Schwungtrapez, die nun zu Beginn des zweiten Programmteils zu sehen ist, variiert. Neu einstudiert hat er den Schlusstrick, zu dem er vom Trapez an ein Vertikalseil, das am Bühnenrand aus der Kuppel herab hängt, springt.
Ira Rizaeeva jongliert mit bis zu fünf Tennisbällen im Innern eines großen Plexiglas-Kubus. Effektvoll werden die Seiten des Kubus als „Bande“ in die unterschiedlichen Muster integriert.
Zwei Mal sind die südamerikanischen Artisten der „Troupe Adrenalin“ zu erleben. Zunächst zeigen sie ihr Können auf dem Hochseil. Viele relevante Abläufe des Genres werden mit südländischem Temperament und perfekter Ausführung unter Verzicht auf jegliche Sicherheitsmaßnahmen geboten. Bocksprünge, überspringen von einem und zwei auf dem Seil sitzenden Partnern, Seil springen und ein Kopfstand auf dem Seil gehören zu den sehenswerten Tricks. Eine Vierer-Pyramide mit einem Zwei-Mann-Hoch und die abschließende Siebener-Pyramide sind Spitzenleistung die in exzellent Ausführung gezeigt werden.
Wenig später sind vier Truppenmitglieder am Todesrad zu sehen. Auf und an dem sehr großen Requisit werden die gängigen Abläufe – Aufschwung an einem Arm, Sprünge in den Kesseln, Seil springen und hohe Absprünge auf der Außenbahn- gekonnt gearbeitet.

Patrick Lemoine, nach etlichen Jahren wieder einmal bei FlicFlac zu erleben, reißt mit seiner Comedy-Jonglage das Publikum förmlich von den Sitzen. Die Routinen mit Hut und Tennisbällen würzt der eloquente Jongleur mit reichlich coolen Sprüchen und treffenden Kommentaren. Drei Zigarrenkistchen wirft er nach wenigen Sekunden wieder weg, „das dauert lange –  ich habe keine Lust“. Mit einem kongenialen Mitspieler aus dem Publikum zelebriert Lemoine den Sprung eines Stoffhundes durch einen Reifen in brillanter Manier.
Das Duo Turkeev, Iryna Galenchyk und Dmytro Turkeleev, erzählt an den Strapaten eine romantisch-dramatische Liebesgeschichte. In einer erstklassigen Choreographie überzeugen die beiden Luftartisten durch Leistung und Ästhetik.
Starker Regen fällt aus der Kuppel auf die Bühne während Jenny und Daniil als letzte Akteure im Programm ihre Hand-auf-Hand Darbietung arbeiten. Auch sie erzählen eine romantische Geschichte. Die vielseitigen Tricks werden trotz der Erschwernis durch die nassen und glitschigen Körper erstklassig ausgeführt und mit geschmeidigen Übergängen gekonnt verbunden.
Das Finale der „BEST of“ Show fällt kurz und knapp aus. Alle Mitwirkenden kommen, von Kopf bis Fuß in schwarze Regencapes gehüllt, im strömenden Regen auf die Bühne und bilden einen großen Kreis entlang der Piste. Mit dem Ende des Regens werden die Capes abgelegt und die nun ganz in weiß Dastehenden nehmen den lebhaften Applaus entgegen. Unter den Standing Ovations verlassen die Akteure, wie bei FlicFlac seit Langem Usus, über den vorderen Treppenaufgang das Chapiteau.