Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE FRANCO-ITALIEN
La Louvière, 22. Mai 2010

Unter dem Namen 'Franco-Italien' reist John Beautour mit seinem Circus in Frankreich und besucht auch regelmäßig Städte im französisch sprechenden Teil Belgiens. In der rund fünfzehntausend Einwohner zählenden lebhaften Kleinstadt finden wir einen respektablen Familiencircus mit beeindruckendem Material vor.
Die  modernen Trucks, Auflieger und Anhänger sind in frisch glänzendem rot lackiert. Ein dreiachsiger Hänger mit dekorativ und professionell gemalter, aufklappbarer Fassade bildet die Front. Ein Durchlass führt auf eine über die Deichsel gebaute Veranda und zum dort platzierten Kassenschalter. Das ca. ein Jahr alte, modern und ausgefallen designete Chapiteau strahlt weithin in leuchtendem gelb. Der hohe Viermaster mit den vier Quaderpools trägt zwei kleine runde, von maurischen Formen inspirierte Kuppeln, die mit einem Gitterrohrbogen verbunden sind. Elegante rote Applikationen auf der Plane verleihen der Konstruktion Struktur und Flair.
Der Kleinbus des 'Service Publicitaire' - das Werbefahrzeug -  zeigt sich aufwändig gestaltet und umfangreiche Stapel moderner Plastikplakat-Tafeln zeugen von guter Gastspielvorbereitung.

In einem recht neuen, farblich auf Hauptzelt abgestimmten geräumigen Stall finden die vier Pferde, einige Ponys und Kamele und drei Zebras in sehr großen Boxen ihre Unterkunft. Den sechs Raubkatzen, Löwinnen und Tiger, steht ein großer umgebauter Anhänger zur Verfügung.

Aus den Boxen am Fassadenwagen und während des Einlasses im Chapiteau sorgen die Musik-CD' s, die die unterschiedlichsten Unternehmen in den letzten fünfzehn Jahren herausgebracht haben, für die entsprechende Atmosphäre.
Im Innern wurde das Chapiteau in blau mit weißen Absetzungen gehalten. Ein ziemlich neues sechsreihiges Gradin mit Holzbänken nimmt neben den Logen, deren Stühle mit rotem Samt bezogen sind, die mehrere hundert Besucher dieser Vorstellung auf. Der Circus wirbt mit moderaten Einheits-Eintrittspreisen für Gradinplätze. Der Restaurationscamping findet gleichermaßen Platz im Zelt und die beiden Damen haben kaum Hände genug die Nachfrage nach Popcorn, Zuckerwatte, Crèpes, Getränken und Leuchtartikel zu erfüllen.
Der Artisteneingang besteht aus einer einfachen blauen Plane mit weißem Dekor, wird durch den geschickten Einsatz eines Scanners optisch aufgepeppt. 
Überhaupt ist die Lichtanlage mit sechs Scannern und zwei Kugelköpfen sowie zahlreichen 'normalen' Scheinwerfern für einen Circus dieser Größe von sehr beachtlichen Dimensionen und man versteht auch sehr gut ihre Möglichkeiten zu nutzen. Nur in wenigen Momenten wünscht man sich den zusätzlichen Einsatz eines Verfolgers. Doch dies scheitert wohl an der Personenzahl des Unternehmens. John Beautour, seine Frau und drei Kinder zwischen sechs und etwa sechzehn Jahren, seine Schwägerin und ihr Lebensgefährte sowie ein Arbeiter sind die gesamten Bewohner dieser Zeltstadt. Wie schon des öfteren beobachtet erweist sich auch hier, dass nicht die Anzahl Personen entscheidend dafür ist, ob man rundes unterhaltsames Programm geboten bekommt.

Zunächst sehen wir John Beautour mit seiner Raubtierdressur. Zwei Tiger und eine Löwin beherrschen ein recht umfangreiches Repertoire heute gängiger Tricks. Pyramide, Bar, Balkenlauf, Sprünge u. a. auch über den Vorführer hinweg, Teppich, Rollover, Hochsitzer am Platz und Hochsitzer der Löwin auf einem Tiger werden gekonnt und flüssig in professioneller Manier vorgetragen. John Beautour zeigt sich als versierter Dompteur, der es auch versteht durch unterschreiten der Distanz Fauchen, Prankenschläge und zwei Scheinangriffe der Löwin zu provozieren.
In sehr schneller Zeit ist der Zentralkäfig entfernt, da alle sechs Erwachsenen kräftig zupacken, wie überhaupt die beiden Damen neben ihren Auftritten und der Verkaufstätigkeit die gesamte Zeit als Requisiteurinnen agieren.

Zwei Luftnummern arbeitet 'Miss Victoria', die Schwägerin des Direktors. Da ist zunächst ihre Kür am Ring. Mit gutem Verkauf und kraftvoller Ausführung werden die üblichen Abläufe des Genres gezeigt. Auch am Vertikalseil versteht sie zu überzeugen. Die Trickfolge zeigt sich gleichermaßen ausgewogen, genau wie die stimmige Präsentation. Im stroboskopartigen Licht der Scanner lässt sie sich abschließend, an einem Arm hängend, voll ausdrehen.
Ihren Lebensgefährten sehen wir im ersten Programmteil als Clown Francesco mit drei Reprisen. Kampf mit einem Gummiband, Dompteur mit Stofflöwe und 'der Dumme der kehren muss' weil als einziger ohne „Handverletzung“ sind die gebotenen Szenen. Alle  Reprisen sind sattsam bekannt und oft gespielt, werden im Zusammenwirken mit dem Direktor ohne Längen vorgetragen und finden beim jugendlichen Publikum den größten Anklang.

Auch die zweite Dressurnummer des Tages sieht John Beautour als Vorführer. Vier Pintoschecken laufen eine umfangreiche Folge verschiedener Figuren. Souverän die Peitschenführung des Direktors und fehlerfrei der Lauf der Pferde. Neben den üblichen Formationen werden Variationen des Gegenlaufs geboten. So passiert wechselweise nach je einer halben Manegenrunde das andere Paar in der Mitte zwischen dem entgegenkommenden. Es folgt ein gegenläufiger Fächer. Zwei Kruppensteiger - je zwei Pferde rechts und links, dann alle vier auf einer Seite - entlang der Piste leiten über zu den Da Capo Steigern.
Eine Truppennummer wird mittlerweile längst nicht mehr in jedem größeren Circus-programm aufgeboten. Hier sorgen die 'William Bill' s' für reichlich Wirbel mit ihrer Lasso-Show. Die drei Kinder und die Frau von Direktor Beautour beherrschen ihr Metier und die Seilschlingen. Lediglich beim jüngsten sechsjährigen Spross der Familie will die Schlinge nicht immer so rotieren wie gewünscht und es werden - während die anderen im Vordergrund arbeiten - am Manegenrand Trockenübungen eingelegt.

Die Pause dauert deutlich länger als die avisierten zehn Minuten - der Ansturm zu Tierschau, Restauration und Pony reiten ist einfach nicht schneller zu bewältigen.
Auf der Rola-Rola eröffnet 'Rocky' - Clown Francesco hat sich inzwischen abgeschminkt - den zweiten Teil. Er erklimmt den hohen Piedestal über eine Treppe, auf deren Stufen jeweils eine Rolle auf ihn wartet. Das Rola-Brett hat zwei Schlaufen in denen die Füße stecken und so springt er Stufe um Stufe nach oben zur Plattform. Die Krönung der Evolutionen ist die Balance auf einer Bowlingkugel.
Eine Magic-Show bieten die beiden Damen des Hauses unter der Assistenz des Juniors. Drei Kistentricks, mit dem nötigen Brimborium vorgetragen, sind das Repertoir.

Dann haben wir den Höhepunkt, wie in so vielen klassischen französischen Circusprogramme erreicht - das große Entree der Clowns. Die Chefin in chicer Livree übernimmt das Mikrofon und den Part des Weißclowns, derweil die beiden Herren die Auguste geben. Mit allerlei Klamauk fügen sich zahlreiche Szenen und Gags aneinander und die kleinen Zuschauer jubeln. Schließlich folgt noch das Kunstschützen-Entree und das Spiel strebt dem Ende zu.
Ein Finale im gewohnten Rahmen gibt es zum Abschluss dieses Programms nicht. John Beautour kehrt im August-Kostüm in die Manege zurück, trägt ein „Komödianten-Gedicht“ vor. Wortreich bedankt und verabschiedet er sich, nicht ohne genügend auf die weiteren Vorstellungen hier vor Ort und in der kommenden Gastspielstadt hingewiesen zu haben. 
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