Text und Fotos Friedrich Klawiter
GRAND CIRQUE de SAINT PETERSOURG
Metz, 11. Februar 2012

www.cirque-saint-petersbourg.com
Raoul Gilbault lässt mehrere Circus-Einheiten durch Frankreich touren. Vor fünf Monaten war der Cirque Medrano in Metz zu Gast. Nun war eine zweite Einheit unter dem Namen „Grand Cirque de Saint Petersbourg“ in der Stadt an der Mosel anzutreffen.
Auf dem Circusplatz war ein blauer Viermaster mit roten Applikationen aufgebaut. Ein passendes Vorzelt ergänzt das Ensemble. Ein großer Sattelauflieger beherbergt vier die Kassenschalter. Der Schriftzug auf seinem Dach ist in der Dunkelheit nicht beleuchtet, wie die gesamte Front des Circus, die aus einigen wenigen Holzzaunelement besteht, im Dunklen verbleibt. Vier Lichterketten und Scheinwerfer am Chapiteau erhellen das Außengelände. Die zahlreichen Sattelauflieger und Anhänger sind zum Teil in den Medrano-Farben - pink mit dunkelroter Absetzung - und teils in mittelblau mit dunkelblauen Absetzungen - den Farben einer weiteren Einheit, dem Aquacircus - gehalten. Unverkennbar, auch in der neuen Lackierung, sind der Restaurations-, Heizungs- und Elektrowagen, die einst mit dem Circus Barum auf der Reise waren. Zwei geräumige, gut geheizte Ställe stehen in dieser eiskalten Nacht den Vierbeinern zur Verfügung und die zahlreichen Wohnwagen der Artisten sind gleich daneben abgestellt.
Im Chapiteau stehen den Besuchern sechs Reihen Schalensitze im Gradin und vier Reihen Logenstühle zur Verfügung. Die Logenbrüstungen sind schlicht in blau gehalten und farblich passend zum hohen Vorhang aus glitzerndem Stoff, der den Artisteneingang bildet. Einziger Schmuck ist ein großes Schild mit dem Namenszug des Circus. Das Einlasspersonal trägt folkloristische Kostüme und wie stets in französischen Circussen wird jeder Besucher zu seinem Platz begleitet.


Die Programmpräsentation des „Grand Cirque de Saint Petersbourg“ unterscheidet sich deutlich von der des „Cirque Medrano“. Werden dort nüchterne Nummernprogramme ohne den geringsten Ansatz einer szenischen Gestaltung geboten, wird hier eine moderne, stimmig gestaltete Show inszeniert. Großen Anteil daran hat der geschickte Einsatz der modern bestückten Lichtanlage.
Die sechs Tänzer/Innen des Balletts und eine Sängerin bilden den roten Faden der Show. In immer wieder wechselnden Kostümen, die stets eine „russische Optik“ aufweisen tritt das erstklassige Ballett in Erscheinung, derweil Sängerin Tatjana bekannte russische Lieder, wie beispielsweise Kalinka, vorträgt.
Auf einen „Monsieur Loyal“, ansonsten eine wichtige Figur in französischen Circussen, wird hier verzichtet und so ist Richard Wolf als erster Artist nach dem schwungvollen Opening mit seiner eleganten Handstandkür in der Manege aktiv. Auf einem hohen Piedestal präsentiert der sympathische Artist Handstände, Einarmer und Waagen in vielfältigen Variationen.
Im weiteren Programmverlauf präsentiert Robert Wolf zusammen mit seinem Bruder David eine rasante Kaskadeur-Nummer. In dekorativen Schottenkostümen tragen die beiden ihren Kampf um Stuhl und Zeitungslektüre aus. Zahlreiche artistische Tricks unter, auf und über einem Tisch bilden den zweiten Schwerpunkt des turbulenten Ablaufs.
In einer kurzen Dressurfolge stellt Sacha Houcke die drei Kamele des Circus vor.

Eine erste Darbietung in der Zeltkuppel sieht Valentina Mruz im Mittelpunkt. Am Schwungtrapez glänzt die erfahrene Artistin mit Abfallern und Pirouetten. Die meisten ihrer Aktionen werden, im vollen Schwung ausgeführt, im Fersenhang vollendet.
Ihr Mann Robert ist als Clown Ronik nur mit einer Reprise im Programm vertreten. Im Zusammenspiel mit einem Paar Freiwilliger beweist er sich als Maler, der eine Rose in der Hand der jungen Frau perfekt abbildet.
Alexander Mruz sorgt mit seiner erstklassigen Arbeit auf der Rola-Rola für den artistischen Höhepunkt im ersten Programmteil. Modern gestylt bietet der Artist vielfältige hochkarätige Tricks. Schwierige Balancen werden souverän gemeistert und abschließend auf einem fragilen Turm aus acht Walzen und Rollen der Höhepunkt der Evolutionen geboten.
Mit einer kurzen Tanzsequenz zusammen mit seiner Partnerin leitet Stephen Jahn seine Jongleur-Nummer ein. Fußbälle, Ringe und Keulen sind seine Requisiten. Einige Routinen mit Fackeln beschließen den Auftritt.

Vom Moskauer Nikulincircus kommt Alenya Rosliakova mit einer Katzendressur. Nach originellem Beginn, die acht Katzen rollen Kunststofftonnen durch die Manege und sitzen anschließend auf diesen Tonneaus hoch, folgen die gängigen Tricks des Genres.
Meisterdresseur Sacha Houcke präsentiert vor der Pause eine neue Freiheitsdressur. Neun Araber in drei Farben absolvieren ein umfangreiches Repertoire verschiedener Lauffiguren. Mehrfach wechseln die Formationen zu Dreiergruppen nach Farben sortiert, bzw. zu Gruppen in denen jede Farbe einmal vertreten ist. Erwähnenswert, dass Sacha Houcke vollkommen auf jede Hilfe von Bereitern verzichtet. Selbstverständlich lässt er auch ein Karussell auf drei Zirkeln ohne Zutun Dritter paradieren. Ein schwungvoller Gruppensteiger krönt diese equestriche Kostbarkeit und als Da Capo zeigt ein Fallabella-Ponys einen Vorwärtssteiger längs durch die Manege.


Sonja Gruss, Tochter von Arlette Gruss ältestem Sohn Yann, präsentiert nach der Pause vier Tiger. Diese Raubtiernummer wurde speziell für das Gastspiel in Metz verpflichtet. Souverän leitet die junge Frau die Raubkatzen zu ihren Tricks. Sprünge und Hochsitzer werden mit großer Selbstverständlichkeit absolviert. Die Tiger reagieren unmittelbar, stoppen mitten im Schritt, auf kleinste Handzeichen der Dompteuse. Ein fulminanter Hinterbeinläufer ist der beeindruckende Höhepunkt dieser Dressurnummer.
Conchi Munoz und Gary Jahn komplettieren mit ihren Seelöwen den Reigen der Tierdarbietungen. Sie haben eine dritte Robbe in die Nummer integriert und ihr jüngerer Sohn ist nun gleichfalls in die Abläufe eingebunden. Ballbalancen, Frisbee-Spiel, Ringe fangen, ins Mikro singen und diverse Flossenstände gehören neben anderem zu den sicher präsentierten Tricks.

Versace ist mit seinen Reprisen wieder einmal in diesem Unternehmen zu sehen. Nachdem sein kleiner Hund im Elefantenkostüm die Zuschauer verblüffte rollt er den überdimensionalen luftgefüllten Würfel ausgiebig über die Ränge. Sehr langgezogen kommt seine Version der „vier Stühle“ daher, bevor er in seiner stärksten Szene mit vier „Skeletten“ in Piratenkostümen an den Stangen tanzt.

Aljona arbeitet eine leistungsstarke, elegant choreographierte Kür an roten Strapatentüchern. Kraftvoll agiert die junge Frau in ihren Haltetricks. Weite, raumgreifende Flüge werden erstklassig ausgeführt und faszinieren die Zuschauer.

Denis präsentiert zusammen mit seiner Assistentin Julia eine erstklassige und modern verpackte Darbietung als Kraft-Mensch. Als Aufwärmübung jongliert der hünenhafte Ukrainer mit drei Pkw-Reifen. Anschließend wird eine normaleMittelklasse-Limousine an einer Kette, die mit den Zähnen gehalten wird, in die Manege gezogen. Ein im Mund gehaltenes Metallrohr biegt der Artist mit Leichtigkeit zu einem „U“. Anschließend setzt er eine Metallstange mit einem Ende an seine Kehle und mit dem anderen auf die Abschleppöse des Autos und drückt dieses so wieder aus der Manege. Eine quer über den Schultern liegende Rondellstange nimmt fünf Kollegen auf und Denis lässt diese so Karussell fahren.

Finalnummer und akrobatischer Höhepunkt des Programms ist die Strapatenkür eines jungen russischen Artisten. Kräfte zehrende Tricks werden in großer Zahl und in perfekter Ausführung geboten. Mit hohen Feuersäulen, die aus zwei Kanonen hinter der Manege emporschießen, wird diese Spitzendarbietung effektvoll in Szene gesetzt. Einmalig und in dieser Art noch nie gesehen der riskante Schlußtrick. Kopfüber, im Handstand in den Strapaten stehend, stürzt sich der Artist aus großer Höhe und fängt den Fall dicht über der Erde, noch immer im Handstand, ab.
Ein fröhlich gestaltetes Finale beschließt dieses unterhaltsame, starke, klassische Circusprogramm. Noch einmal haben Ballett und Sängerin einen großen Auftritt, dann füllt sich die Manege mit den Mitwirkenden. Denisa Wolf stellt die Artisten mit kurzen Worten vor, eine stimmige Choreographie des Ensembles und dann verabschiedet sich die Truppe winkend aus der Manege.
Ein dreistündiges schwungvolles Spektakel, dass ohne Füller auskommt und ohne Längen präsentiert wurde, hat die zahlreichen Besucher bestens unterhalten und in seinen Bann geschlagen...
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