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Text und Fotos Friedrich Klawiter
Circus Harlekin
Signau, 1. September 2007

Der Circus Harlekin ist ein kleiner feiner Circus, den die Primarlehrerin Monika Aegerter und der Kaufmann Peter Pichler vor 15 Jahren ins Leben gerufen haben. Ihn nun aber in der Rubrik “klein aber fein” vorzustellen, würde diesem Unternehmen nicht gerecht werden, da es sich nicht um einen „Kleincircus” hiesiger Prägung handelt.
Der kleine, blitzsaubere blau/rote Viermaster, ergänzt mit einem passenden Vorzelt, schmuckem Frontzaun und eingerahmt vom gepflegten rot/weißen Fuhrpark wirkt auf den zumeist Wiesenplätzen und vor den Bergpanoramen der Dörfer und Städtchen des Berner Mittel- und Oberlandes wie ein Bilderbuchzirkus. Das Reisegebiet des “Bern Oberländer Nationalcircus”, beheimatet ist man in Thun, liegt in der Zentralschweiz. Außer im Heimatkanton kann man den Harlekin im Wallis, am Neusiedler See, im Fribourger Land oder im Emmental antreffen. Eigene Tiere besitzt der Circus keine, es wird für die Saison entsprechend engagiert. Wie in der Schweiz üblich, wird in jedem Jahr ein komplett neues Programm geboten, angesichts der fast gleichen jährlichen Route ein normaler Vorgang. Das Chapiteau bietet in Logen und auf dem 5 reihigen, davon 3 Reihen mit Schalensitzen, Gradin rund 500 Personen Platz. Getreu dem Motto “Ambiance und Qualität” wirken Gardine und Logen in dunkelblauem Stoff mit goldenen Applikationen festlich.

Das sechsköpfige ukrainische Circusorchester unter der Leitung von Vadym Kovalchuk trifft den richtigen Ton und sorgt so für eine schwungvolle und perfekte Begleitung des Programms. Die diesjährige Produktion wird von einem liebevoll gestalteten Charivari eingeleitet. Das Zitat aus dem alljährlich aktuellen Programm beschreibt es treffend: „Die Turner- und Zirkusgesellschaft beehrt sich, das hochwohllöbliche Publikum zu begrüßen und das Programm zu eröffnen.” Im Stil „alter Kameraden” präsentiert sich die Truppe als männliche und weibliche Sportlerriege. Das Ehepaar Tkach aus der Ukraine sorgt mit seiner Rola-Rola Darbietung als Duett Bingo für einen furiosen Start. Nicht alltägliche Tricks mit komödiantischem Talent präsentiert geben der Nummer ihren Drive.

Sohn Valery begeistert im zweiten Teil als Jongleur. Mit fünf Reifen und verschieden langen Stäben, die auf einem Mundstab gefangen und balanciert werden, überzeugt er das Publikum. Eine bulgarisch-ungarische Artistenfamilie ist dreimal in der Manege zu erleben. Tochter Otilia arbeitet am Luftring und Mutter Fatime lässt geschickt die Hula-Hoops kreisen. Den dritten Auftritt hat “Mr. Jumping” mit seinem komischen Trampolin. Als Pausennummer platziert, entfacht er einen tollen Wirbel. Auch wenn genrebedingt eine gewisse Affinität zu Ray Dondy und Don Martinez unverkennbar ist, handelt es sich um eine gelungene eigenständige Darbietung. Die beiden diesjährigen Tiernummern kommen von Circus Stey. Peter Pichlers Tochter Nicole dirigiert vier Palominohengste, denen im zweiten Teil eine Esel- Lamafreiheit folgt. Wie in jedem Jahr steht die Direktion als Clownsduo “Les Nicas”, Monika Aegerter als Weißclown Madame „Nica” und Peter Pichler ist August „Pedro”, in der Manege. Alljährlich wechselnde Entrees und Reprisen werden mit viel Schwung, Spielfreude und eigenständigen Elementen gebracht. In dieser Saison unterstützt der Schweizer Allroundartist Legola die beiden in den Entrees. Seine Großillusionen verkauft er mit einem tüchtigen Schuss Komik zusammen mit der Schweizer Artistin Katherina, die herrlich eine “freiwillige“, jüngere, leicht schusselige, überschwänglich begeisterte, zur Mithilfe gebetene, einheimische Frau aus dem Publikum verkörpert. Nach der Pause eröffnet Katherina den zweiten Programmteil mit ihrem Tanz auf dem Seil, in dessen Verlauf sie ihre Fertigkeiten im Arkodeonspiel unter Beweis stellt.

Die Familie Wolf, zuletzt bei Charles Knie, reist nun in diesem Jahr mit Harlekin. Maria hat mit ihren Diabolos sehr an Routine gewonnen und präsentiert sich im Girlie-Stil zu leider ein wenig nervender, als einzige Nummer, Bandmusik. Die Ring-Stirnperchenummer der Geschwister kommt hervorragend an. Den Schlusspunkt setzt dann die Wolf Family mit der trickstarken Darbietung auf freistehender Leiter. Das Publikum ist restlos mitgerissen, wenn die Höhe der Kuppel des Harlekin-Chapiteaus den Schlusstrick gerade noch so zulässt. Ein wenig Folklore schwingt durchs Zelt, als die Direktion auf Akkordeons das Finale einleitet; Legola in Älpler-Tracht drei Ziegen kurz ein paar Tricks zeigen lässt. Die Artisten und Mitarbeiter werden einzeln vorgestellt und zeigen noch eine kleine Zugabe.

Als großer Fan des „Kölsche Karnevals” lässt Peter Pichler oftmals entsprechende Musik im Programm zu hören und seit Jahren ist bei Harlekin Tradition, dass die Direktion zum Abschied live singt. Das “Bye Bye my Love” der Bläck Fööss wurde mit eigenem Text versehen und erklingt, bis sich das Zelt geleert hat. Die Verbundenheit von Circus und Publikum zeigt sich deutlich, wenn die beiden Direktoren am Frontzaun die Besucher mit Handschlag verabschieden und in den meisten Fällen einige persönliche Worte gewechselt werden.
Circus Harlekin bietet alljährlich ein liebevoll zusammengestelltes Programm von gut zwei Stunden Dauer. Die Freundlichkeit der Direktion, Artisten und Mitarbeiter wirkt herzlich und hat nichts geschäftsmäßig Aufgesetztes. Alljährlich ist der Besuch dieses kleinen feinen Schweizer Circus ein fester Eckpunkt auf der Reise durch die Circuswelt unserer eidgenössischen Nachbarn.