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Text und Fotos Friedrich Klawiter
Eine besondere Perle in der Schweizer Circuslandschaft, der Circus Harlekin von Peter – Pedro – Pichler und Monika Aegerter reist in der 27. Saison durch das Land. Der kleine, sehr feine Circus ist in erster Linie in den Regionen Berner Oberland, Wallis sowie in der Zentralschweiz anzutreffen.
In Zell im Kanton Luzern war der schmucke Circus am Ortseingang neben dem Sportplatz aufgebaut und bietet einen romantischen Anblick. Ein großer, gepflegter Kassenwagen und ein ebensolcher Barwagen, Zierzaun mit Lichterketten und Thujabäumchen bilden die attraktive Front. Ein blaues Vorzelt bietet Schutz vor den Regen- und Schneeschauern des unwirtlichen Wetters der frühen Maitage. Das recht neue, blau und cremeweiß gestreifte Chapiteau leuchtet zwischen hohen alten Obstbäumen hervor. Lichterketten an den Abseglungen und der beleuchtete Namenszug auf der langgestreckten Zeltkuppel laden zum Besuch ein.
Die zahlreichen, äußerst gepflegten Circuswagen, weiß mit roten Absetzungen und dem Logo des Circus versehen, sind in zwei langen Reihen entlang der Bundesstraße abgestellt. Zugmaschinen und Wohnwagen der Direktion und Artisten ergänzen das Arrangement. Im hinteren Bereich des Platzes hat der Stall für Pferde und Kamele seinen Platz und großzügig abgesteckte Koppeln bieten den Tieren während des Tages viel Raum zum Auslauf.
Der bestens sortierte Verkaufswagen der Circusrestauration hat seinen Platz im Vorzelt, in dem auch Crêpes-Stand und Bratwurststation zu finden sind. Einige Sitzgelegenheit strukturieren den übrigen Raum.
Das innen blaue Chapiteau ist mit einem fünfreihigen Gradin, dass weitgehend mit Schalensitzen ausgestattet ist, eingerichtet. Die Logen, gleichfalls in blau gehalten, sind mit Klappstühlen ausgestattet.
Ein breiter dreigliedriger Artisteneingang nimmt den hinteren Zeltbereich ein und bietet auf der mittig angeordneten Bühne dem Harlekin-Orchester Platz.
Fünf Musiker und der langjährige Harlekin-Kapellmeister Vladym Kovalchuk bieten mit ihrem ausgezeichneten Sound und hervorragend aufs Manegengeschehen abgestimmten Arrangements einen eindrucksvollen Klangteppich, der die Vorstellung exzellent trägt.

Das Auditorium zeigt sich sehr gut gefüllt, als die Vorstellung mit einem poetischen Opening startet. Die Mitglieder des Ensemble sind in der Manege, im Dornröschenschlaf erstarrt, versammelt und werden vom August „Pierrot“ Rossi nacheinander zum Charivari „erweckt“.
Der äthiopische Fahrrad-Artist Berkete zeigt zu Programmbeginn sein umfangreiches Können auf verschiedenen Einrädern. Normales Einrad, Hochrad dessen Antrieb über drei übereinander angeordneten Räder erfolgt, sowie ein hohes Stangenrad sind die Requisiten seiner Wahl, ehe er abschließend auf einem Mini-Einrad, dessen Laufrad nur wenige Zenitmeter Durchmesser misst, über die Bühne rollt.
Als erste von zwei Dressurdarbietungen bringt Juniorchefin Nicole Pichler, Tochter von Pedro Pichler, vier große Kamele und zwei Lamas in die relativ enge Manege. Es werden eine Reihe von Lauffiguren absolviert, dann liegen die Kamele ab. Mit Sprüngen eines Lamas über zwei abliegende Kamele findet der Auftritt seinen gelungenen Abschluss.
Im zweiten Programmteil präsentiert Susanne Mani eine Pferdefreiheit. Zu Beginn zieht ein Groß-und-Klein seine Bahnen zur „Leichten Kavallerie“ von Franz von Suppé. Jeweils nach einigen Touren kommen weitere Ponys hinzu und schließlich ist ein munterer Sechser-Zug versammelt.

Gute, unterhaltsame und abwechslungsreiche Clownerie nahm stets breiten Raum im Programm des Circus Harlekin ein. Leider ist die Direktion nicht mehr als Duo „Les Nicas“ zu erleben, doch für adäquaten Ersatz wurde gesorgt.
Clown Luc, Lukas Böss, ist mit einer sehr interessanten und völlig neuen Variante des Golfspiels zu erleben. Ein etwas größerer weißer „Golfball“ wird in der Manege platziert und der August versucht, ihn mittels einem Schläger ins Loch an der Fahne zu bugsieren. Doch der Ball hat „anderes im Sinn“ und rollt, mittels integrierter intelligenter Technik, auf sehr eigenen Wegen umher.
Die „Rossi Clowns“ bieten eine Reihe vorzüglicher Auftritte. „Hector“ und „Pierrot“ sind solo, gemeinsam, mit Unterstützung von Luc und mit Monika Aegerter als seriöser Gegenspielerin zu erleben. „Hectors“ abladen-aufladen mündet in eine veritable Balance auf einer Rola mit Tennisschläger-Jonglage. „Pierrot“ scheitert grandios als Star-Gitarrensolist „Santiago“. Ein riesiger und eigenwilliger Fotoapparat steht im Mittelpunkt der gemeinsamen Auftritts der drei Clowns. Im großen, musikalisch geprägten Entree ziehen die Rossi Clowns sämtliche Register und nehmen das Publikum mit ihrem
exzellenten Spiel gefangen. Zahlreiche, unterschiedlichste Instrumente – bis hin zu Flaschenorgel, unter Wasser gespielter Trompete und eigenwillig geformter Posaune und Trompete - kommen zum Einsatz und zu guter Letzt spielt „Hector“ auf zwei Konzertinas zur gleichen Zeit. Ein grandioses musikalisches Spektakel, wie man es heute leider fast nicht mehr erleben kann.

Die erstklassige Handstand-Darbietung der „Black Diamants“ muss derzeit leider pausieren, da eine der drei afrikanischen Artistinnen auf Grund einer Verletzung nicht auftreten kann. So erleben wir die beiden verbliebenen Damen mit ihrer Zweitnummer, einer interessanten und abwechslungsreichen Hula Hoop Nummer.
Auch das mexikanische Duo Zontli laborierte bei unserem Besuch an einer Verletzung, die den Auftritt des Partners verhinderte. So arbeitete die Partnerin eine Solo-Variante der Zopfhang-Darbietung.
Yared eröffnet den zweiten Programmteil mit einem trickreichen Auftritt auf der Freistehenden Leiter. Versiert und temporeich absolviert der Artist seine Routinen und steht abschließend frei auf der Spitze einer skurril geformten Leiter.
Aus Weißrussland kommt Alina Malko, die mit einer romantisch gestalteten Vertikalseil-Darbietung aufwartet. Zahlreiche attraktive Tricks werden in erstklassiger Manier geboten und mit dem rasanten ausdrehen an einem Arm findet der gelungene Auftritt seinen idealen Abschluss.

Nati und Nagassi begeistern mit ihren rasanten Ikarischen Spielen. Die beiden äthiopischen Artisten beherrschen ein breites Repertoire der verschiedenen Kombinationen aus Saltos und Pirouetten. Abschließend dreht der zierliche, noch sehr junge Voltigeur unglaubliche fünfzig Saltos in schneller Abfolge auf den Füßen seines Partners.
Jongleur Rogerio Concalves lässt ein Racket auf den Devil Sticks tanzen. Virtuos handhabt er die Requisiten und reiht viele unterschiedliche Figuren aneinander. Er brilliert mit drei, bzw. fünf Tennisbällen, die zum Abschluss der Routinen in kleinen Köchern am Gürtel sicher gefangen werden. Ein Bumerang rotiert nach seiner Landung auf der Nasenspitze des Jongleurs. Zum Höhepunkt des mitreißenden Auftritts hält Rogerio Goncalves zwei Tennisschläger parallel mit seinen Devilsticks in der Luft.
Das Final aller Artisten ist bei Harlekin stets eine ausführliche und fröhlich in Szene gesetzte Angelegenheit. Nachdem „Pierrot“ seine Kollegen wieder in ihren Dornröschenschlaf versetzt hat, folgen Einzelvorhänge für alle Mitwirkenden. Direktor Pedro Pichler ist bekennender Fan des kölschen Karneval und mit dem Live-Gesang der Direktion, der Black Fööss Song „Bye, Bye my Love“ wurde mit eigenem Text versehen, erreicht die Stimmung im roten Ring ihren Höhepunkt, ehe die Show mit dem Party-Hit, gleichfalls live gesungen , „Wir sind eine große Familie“ zu Ende geht.
Nachdem sich die Manege geleert hat, treten „Hector“ und „Pierrot“ noch einmal vor die Gardine und gestalten auf dem Akkordeon und mit Glöckchen den verträumten Epilog.
In jedem Jahr gelingt es der Direktion ihr zahlreiches treues Stammpublikum mit einem neuen leistungsstarken, unterhaltsamen und erstklassig präsentierten Programm zu begeistern. Der Circus Harlekin ist in seinen Ausmaßen ein kleinerer Circus, allerdings in Optik und Qualität des Gebotenen zu den Großen zu zählen.
CIRCUS HARLEKIN
Zell, 03. Mai 2019

www.circusharlekin.ch