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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE HENRY ZAVATTA
Aigues Mortes, 04. August 2015



Der Cirque Henry Zavatta von Jean Danglar und Adeline Falck gastierte in diesem Sommer in Aigues Mortes, der ehemaligen Hafenstadt am Rande der Camargue, von der aus Ludwig der Heilige zum sechsten und siebten Kreuzzug ins Heilige Land aufbrach. Die Kernstadt ist noch heute von der komplett erhaltenen mittelalterlichen Stadtmauer mit ihren vierzehn mächtigen Türmen umschlossen.
Der Circus war nur wenig außerhalb auf der Ladestraße des aufgelassenen Güterbahnhofs aufgebaut, unter hohen Platanen direkt neben der in die Stadt führenden Nationalstraße.
Im Gegensatz zu den meisten französischen Circussen, die während der Ferienzeit nur Ein- und Zweitagesgastspiele geben, bleibt der Cirque Henry Zavatta vier Wochen auf diesem Gelände stehen. Man setzt hier auf die zahlreichen Tagestouristen, die die interessante Stadt und ihr historisches Highlight, den „Tour de la Constance“ besuchen. Auch der Vorstellungsbeginn um 18:00 Uhr ist an dieses Konzept angelehnt, ist die Show so zur üblichen Diner-Zeit beendet.
Ein dekorativ bemalter Durchgangswagen, der auch den Kassenschalter beherbergt empfängt die Besucher auf dem sehr kleinen und engen Gelände. Durch ein Spalier mannshoher Plakataufsteller erreichen die Besucher das Chapiteau.
Die langgestreckte Kuppel des rot-weiß gestreiften Zweimasters moderner Bauart, von ca. sechzehn mal zweiundzwanzig Metern, wird von vier hoch und weit aufragenden Quaderpools geformt. Die Transportfahrzeuge des Circus sind in gelb und rot lackiert und an den dicht das Zelt umringenden Fahrzeugen wurden die Absegelungen vorgenommen.
Die Circustiere finden hier keinen Raum und sind auf einer Wiese wenige hundert Meter entfernt untergebracht.
Im Chapiteau ziehen sich mit rotem Samt dekorierte Logen um die in gleicher Weise gestaltete Piste. Eine große rote Plane trennt den hinteren Teil des Zeltes ab und bildet mit ihrem weißen Dekor den Artisteneingang. Auf ein Gradin wurde verzichtet und so stehen für die Besucher die gepolsterten Klappstühle in den Logen bereit. Die seitlich im Zelt angeordnete kleine Circusrestauration hält frisches Popcorn und Zuckerwatte bereit.

Nur wenige Besucher hatten an diesem heißen Nachmittag den Weg zum Circus gefunden, als der Manegensprecher aus dem Off die Show wortgewaltig eröffnete. Sämtliche Ansagen während der Vorstellung erfolgen auf die gleiche Weise und der im französischen Circus so wichtige „Monsieur Loyal“ tritt nicht in Erscheinung.
Jean Danglar junior, alias Rinaldo Falcki, startet die Spielfolge auf der Rola-Rola. Sicher agiert der Juniorchef des Hauses auf dem labilen Untergrund. Er vollführt einen Handstand auf dem Rollbrett, jongliert mit Keulen und gewaltigen Messern. Abschließend baut er nach und nach einen Turm mit drei Etagen unter seinen Füssen auf und balanciert auf diesem Gebilde.
Wenig später präsentiert der junge Mann die Cavallerie des Circus. Ein Palomino bietet in schwungvollem Ablauf eine Reihe Figuren und Volten. Er fußt mit den Vorderhufen auf einem flachen Tonneau auf und legt vertrauensvoll ein Vorderbein über die Schulter des Vorführers. Mit der mehrmaligen Abnahme von Zuckerwürfeln direkt aus dem Mund des Dresseurs wird die Dressurfolge komplettiert.
Im zweiten Programmteil erleben wir weitere Tiere der Menagerie im roten Ring. Je ein Lama, Zebu und Watussi werden umher geführt während der Sprecher allerlei Wissenwertes von den Tieren zu berichten versteht.

Die kleine, etwa fünfjährige Chloe beherrscht bereits ein umfangreiches Repertoire verschiedener Handstände, die sie auf den Händen ihres Großvaters gekonnt ausführt.
Mit einem lange und sicher gehaltenen Einarmer beendet die Nachwuchsartistin ihren Auftritt in gelungener Weise.
Clown „Caramel“ ist in drei Auftritten präsent. Zunächst fordert er, in einer in Frankreich des Öfteren zu sehenden Szene, im Zusammenspiel mit Rinaldo Falcki mehr Applaus vom Publikum wenn er die Manege betritt. Dieses Spiel wiederholt sich mehrmals bis der Clown endlich zufriedengestellt ist. Hernach wird er von der Stimme aus dem Off zum neuen „Monsieur Loyal“ des Circus ausgerufen. Natürlich ist seine Ansage trotz lautem Vorsagen des Textes durch die Stimme zur großen Freude der Kinder völlig fehlerhaft.
Wie so oft in französischen Circussen steht auch hier das große Entree als finale Nummer auf dem Spielplan. Wieder einmal ist das musizieren verboten und ein weiteres Musikabspielgerät landet in einer Mülltonne.
Mademoiselle Violett arbeitet in der Kuppel des Chapiteau am Ringtrapez. Anmutig reiht die sympathische Artistin die gängigen Tricks des Genres aneinander und mit heftigem Einsatz der Nebelmaschine wird für ein mystisches Ambiente gesorgt.

Noch einmal ist Rinaldo Falcki in der Manege zu erleben. Eine veritable Handstandnummer beginnt verschiedenen kraftvoll ausgeführten Evolutionen auf zwei hohen Handstäben, die in einem Piedestal verankert sind. Anschließend bietet der versierte Artist Stuhlbalancen. In unterschiedlicher Weise werden die Stühle lose aufeinander gestapelt und immer wieder erfolgt ein erstklassiger Handstand auf der Pyramide.
Jean Danglar senior begeistert mit einer fulminanten Western-Darbietung. Zwei gewaltige Bullpeitschen führt der Chef des Hauses mit leichter Hand. Mit donnerndem Knall reißt er die Zuschauer aus den Sitzen. Gekonnt lässt er die Seilschlingen der Lassos auf vielfältige Art rotieren und sicher und elegant springt er hindurch. Nun greift er wieder zu den Peitschen und mit gezielten Hieben zerteilt er mittels der Peitschenschnur Zeitungsseiten in kleine Papierfetzen. Die Peitschen sind so lang, dass die Schnüre nur wenige Zentimeter vor den Logen vorbei zischen, wenn der in der Manegenmitte stehende Artist zum Schlag ausholt.
Schließlich schnippt Jean Danglar ein Tuch mit der Peitsche vom ausgestreckten Arm seiner Assistentin. Er drapiert das Tuch auf ihrem Kopf und ein geschickter Peitschenschlag lässt das Tuch über das Gesicht der jungen Frau gleiten, mit einem weiteren wird das Tuch vom Kopf hinweggefegt.
In einem kurzen Finale verabschieden sich die Mitwirkenden von ihrem zufriedenen Publikum, das neunzig Minuten unterhaltsamer Circuskunst genossen hat.