Text und Fotos Friedrich Klawiter
ZIRKUS DES HORRORS
Koblenz, 21. Mai 2022
https://zirkusdeshorrors.de
„Infernum - das Höllenfeuer“ loderte nun endlich, mit rund zweijähriger pandemiebedingter Verspätung in Koblenz. Die neueste Produktion des Zirkus des Horrors der Familie Sperlich vereint artistische Spitzenleistungen, einen abgedrehten Freak und schräge Comedie zu einer besonderen Show. Modern interpretierte Circuskunst in einem stimmigen Umfeld begeistert im Zusammenspiel mit einer stringent erzählten Story sowie perfekter Inszenierung und Ausstattung.
Die große Fassade des Circus, von Gitterrohrrahmen eingefasste Spannbänder, nimmt in Verbindung mit dem großen Kassenauflieger und dem Haupteingang die gesamte Frontseite des Platzes ein. Die mächtigen, glänzend schwarz lackierten Zugmaschinen sind seitlich aufgefahren. Die Transportfahrzeuge tragen in riesigen Lettern den Circusnamen und sind mit großflächigen Motiven aus der Show dekoriert.
Die modernen Zeltanlagen zeigen ein schwarz-rotes Streifendekor und am Chapiteau ragt die Plane bis zu den Mastspitzen, und damit bis über die langgestreckte Kuppel empor.
Grob gezimmerte hölzerne Pforten führen in einen kurzen dunklen Gang, in dem allerlei gruselige Gestalten auf die Eintretenden warten, durch den man die Vorhölle, respektive das Vorzelt erreicht. Eine große Bar nimmt den zentralen Platz ein. Verschiedene Stationen für Getränke, Grillspezialitäten und sonstigen Proviant, Fotowände und Sitzgruppen teilen sich den weiteren Raum im gelungenen Zusammenspiel mit allerlei Dekoelementen.
Neu angeschafft, und finanziert mit Geldern der Hilfsinitiative der Bundesregierung „Neustart Kultur“, wurde ein höchst komfortabler, pandemiekonformer Toilettenwagen. Je zehn Kabinen für Damen und Herren sind direkt von außen zu erreichen und die zentralen Handwaschbecken im Heck des Wagens verfügen über kontaktlose Wasser- und Seifenspender.
Ein neunreihiges Schalensitzgradin und drei Reihen bequemer Logenstühle stehen für die Besucher bereit. An Stelle einer Manege gibt es im Zirkus des Horrors eine erhöhte Bühne, in die die Technik für diverse Feuereffekte integriert ist. Abgeschlossen wird die Bühne von einem großen halbkreisförmigen Artisteneingang, der aufgrund von Form und Farbe - ganz besonders mit der entsprechenden Beleuchtung - als Schlund zur Hölle wirkt.
Die der aktuellen Produktion zu Grunde liegende Story ringen Himmel und Hölle um die Herrschaft über alle Seelen. Ein Amulett, einst in der Hölle geschmiedet, aber den Dämonen entglitten und nun im Besitz der himmlischen Macht in Gestalt des weißen Engels „Eloa“ steht im Mittelpunkt des Geschehens. Beim Versuch dem Bösen zu entkommen werden ihr die Flügel abgerissen und alle weiteren Fluchtversuche misslingen. Schließlich erliegt der Engel seinen Häschern, der Teufel bekommt sein Amulett und siegt.
Die Rolle der „Eloa“ übernimmt Kelly Joo, die in einem riesigen, beinahe die gesamte Bühne bedeckenden Kleid das Amulett präsentiert. Die Dämonen erobern Kleid und Engelsflügel und „Eloa“ entflieht mittels weißer Strapatentücher in die Kuppel. Freihändiger Spagat, weite Flüge durch den Raum und mehrere riskante Abfaller sind die Kennzeichen des Auftritts, der in einem ungesichert ausgeführten und lange gehaltenen Zahnhang seinen Höhepunkt findet.
Zu mystischen Klängen rollt im fahlen Licht langsam ein monströser, mit Totenschädeln und Tierhörnern geschmückter Thron aus dem Höllenschlund auf die Bühne und obenauf sitzt der Leibhaftige, eine große gehörnte Gestalt mit zotteligem Fell - Sonny Quaiser erfüllt die Figur mit Leben. Seine höllisch heißen Gespielinnen - das Circus-Ballett - lagert auf dem Sockel zu Füßen seinen Füßen. Ballett und vielseitige Feuereffekte geben dem Auftritt des Teufel, der seine Absichten kund tut, den notwendigen Rahmen.
Nun ist die Bühne bereitet und „The Gents“ sind mit ihrer furiosen Arbeit am Schleuderbrett zu erleben. Die drei ungarischen Artisten beherrschen ein breites Repertoire attraktiver Tricks des Genres und lockern ihren Auftritt zudem mit einigen Comedie-Einlagen auf.
Spiegelte sich der namensgebende „Horror“ bis zu diesem Moment in erster Linie in Ausstattung und Inszenierung wider, wird er nun für weite Teile des Publikums real und lässt erschaudern. Der reich tätowierte Freak Kurt Späth erobert mit seinen riskanten und blutigen Aktionen die Bühne. Zum Auftakt jagt er sich drei Spritzen durch Wange, Kehle und Stirn und lässt sie sich von Logenbesucherinnen langsam wieder entfernen. Nun treibt er sich mit einem Hammer einen langen Stahlnagel in die Nase. Mit einem schweren laufenden elektrischen Bohrhammer, mit einem etwa 50cm langen Meißel bestückt, zeigt er sein Können als Schwertschlucker. Nun nehmen ein kräftiger Mann und eine junge Besucherin ihre Plätze auf einem Rollhocker ein. Ein dünnes Stahlseil, das an dem Hocker befestigt ist wird mittels eines Fleischerhakens in die Zunge des Freaks eingehakt und der Rollhocker wird auf diese Weise quer über die komplette Bühne gezogen. Nun werden drei sehr kräftige Herren auf einen Rollwagen gebeten ein Speer, dessen scharfe Spitze auf der Kehle von Kurt Späth platziert ist, dient als Schubstange mit deren Hilfe der Rollwagen die Bühne überquert. Abschließend durchtrennt der Freak mit einem gewaltigen Messer scheinbar seinen Unterarm bis tief auf die Knochen.
Jongleur Rudi Janecek begeistert mit seiner fulminanten Keulen-Jonglage. Während seiner gesamten Darbietung manipuliert er die silbernen Keulen in extrem hohem Tempo. Mit großer Sicherheit erfolgen die abwechslungsreichen Routinen und immer wieder wird ein weiteres Requisit in die Muster eingefügt, bis es schließlich deren sieben sind, die in höchsten Tempo gehandhabt werden.
Mit Beginn dieser Saison ist Gino Kaselowsky für die Comedie in der Show zuständig. Als „Höllenclown Andromalius“ mischt er, gemeinsam mit einem Dämon - Johnny Cognetti - die Show und das Publikum auf. Zunächst wird ein junges Pärchen auf die Bühne zitiert und der „Andromalius“ sitzt über die beiden, die recht anzügliche Fragen zu ihrer Beziehung beantworten müssen, zu Gericht. Für den jungen Mann, von „Richter Andromalius“ als „Drecksau“ eingestuft, lautet das Urteil Guillotine. In einem weiteren Auftritt erwischt es ein weiteres Paar, das vom Höllenclown und seinem dämonischen Begleiter auf der Bühne eine liebevolle spezielle Behandlung erfährt. Dieses Mal bleibt dem jungen Mann der Platz am Pranger vorbehalten. In seiner dritten Szene betätigt sich der Clown als „Amor“, der mit Pfeil und Bogen für neue Beziehungen stiftet, allerdings auch für Irritationen sorgt.
Ein lasziv vorgetragenen Pole-Act arbeitet Viktoria Yudina aus der Ukraine. Geschmeidig nimmt die Artistin ihre Posen an der Stange ein, die mit einigen Handständen am Boden kombiniert werden.
Zwei Klassiker in der Show des Zirkus des Horrors sind die Auftritte von Maik und Siegfried Sperlich am Todesrad sowie der Flaschenstuhl von René Sperlich. Sie sind vor bzw. nach der Pause zu erleben.
Die Todesrad-Darbietung wird perfekt in Szene gesetzt. Voller Dramatik der Aufbau des Requisits, großartig das Lichtdesign - inklusive LED-Leuchten am Rad, sowie Können und gekonnte Präsentation der Akteure machen die Nummer zu einem Highlight der Show. Seil springen, Blindlauf und hohe Absprünge gehören u.a. zum Gezeigten.
Auch die Flaschenstuhl-Nummer von René Sperlich wird exzellent präsentiert. Das Ballett verleiht dem Auftritt den nötigen Rahmen und die edel aus klarem Acryl-Glas gefertigten Stühle bieten zusätzliche Leuchteffekte. Gekonnt und kraftvoll ausgeführte Handstände und Waagen, auch auf einem auf nur drei Beinen stehenden Stuhl, von René Sperlich fesseln die Zuschauer.
Johnny Cognetti arbeitet seine rasante Cyr Rad Darbietung nun als Dämon und fasziniert damit auf ganzer Linie. Die vielseitigen und dynamischen Abläufe bekommen in dieser Inszenierung einen ganz besonderen Drive.
Nicht minder rasant geht es beim Rollschuh Act der Skating Belli zu. Viele der Spitzentricks des Genres werden in erstklassiger Weise geboten.
Mit der Strapaten Darbietung von Adele Fame erleben wir ein Highlight der Luftartistik. In einem temperamentvollen Vortrag folgen viele kräftezehrende Tricks aufeinander. Schwungvoll werden zahlreiche einarmige Aufschwünge direkt nacheinander ausgeführt. Weite Flüge, spektakuläre Abfaller und elegante Haltetricks reihen sich zu einem umfangreichen Ablauf, der in einem freihändigen Spagat an den Strapaten gipfelt.
„Mystery of Ocean“ nennen sich vier ukrainische Artisten, die in strenger Choreographie hervorragende Handvoltigen und Hand-auf-Hand Akrobatik bieten. Exzellent ausgeführte Saltos auf den Händen der Porteure und anspruchsvolle Handstände, Waagen und Einarmer auf mehreren Untermännern faszinieren stets aufs Neue.
Die Höllenreiter donnern mit schweren, mächtig aufgemotzten Motorrädern auf die Bühne und entfachen das Höllenfeuer. Ein großer Teil des Ensembles wirkt in der finalen Feuershow mit. Feuersäulen steigen aus der Bühne auf, Feuerräder werden gedreht, brennende Schalen geschwungen und lodernde Peitschen knallen laut. Natürlich wird auch Feuer gespukt und mit einer gewaltigen, von drei Feuerspuckern synchron produzierten Feuersäule findet die Show ihren gelungenen Abschluss.
Die Artisten nehmen Aufstellung und werden vom Publikum, dessen Erwartungen offensichtlich bestens erfüllt wurden, ange und enthusiastisch mit Standing Ovations gefeiert. Sehr viele Besucher nehmen gerne die Gelegenheit wahr, sich im Foyer noch mit den Akteuren auf gemeinsamen Fotos zu verewigen.