Text und Fotos Friedrich Klawiter
HORROR CIRCUS
Koblenz, 30. Mai 2013



www.horror-circus.de
Zum ersten Mal schlug der Horror Circus von Dana Fischer seine mächtigen Zelte in Koblenz auf. Auf dem Festplatz am Wallersheimer Kreisel wurde mit einigem Aufwand ein wahres Grusel Szenario geschaffen.
Die bekannten großen, modernen Chapiteauanlagen des Circus Universal Renz beherrschen den Platz. Seit wenigen Wochen kooperieren die beiden Unternehmen miteinander, erhofft man sich hiervon Synergien zum Wohle beider Unternehmen. Kassen- und Bürowagen des Circus Renz flankieren die Front, die mit zahlreichen Kreuzen, Särgen, „Spinnweben“, Fackeln und Ölfässern dekoriert ist. In der Dunkelheit wird das Außengelände blutrot illuminiert. Fahles Licht und wabernder Nebel - aus dem riesige Spinnennetze, Extremitäten und Totenschädel deren leere Augenhöhlen im Kerzenlicht matt schimmern auftauchen - beherrschen das einer Gruft ähnliche Restaurationszelt. Finstere, gruselig zugerichtete Gestalten, mit großen Narben, blutigem Schorf und Exkrementen besudelter Kleidung, tauchen aus dem Nichts auf. Sie schleichen mit langen Messern sowie Henkersbeilen in den Fäusten und Ketten hinter sich herschleifend umher, stoßen kehlige Schreie aus, ähnlich Tieren in der Brunst. Spitze Schreie erschreckter Besucherinnen und der Duft von frisch zubereiteter Bratwurst und Pommes mischen sich mit dem Ambiente feuchter Keller. Ein unheimlicher Gang, in dem weitere Untote auf ihre Opfer warten, führt in den Gruselpalast.
Tarnnetze und fahles Licht unterstützt von einem monoton hämmernden Singsang aus den modernen Tonanlagen, bereiten den Zuschauer auf das Kommende vor. Eine erhöhte Bühne ersetzt die Manege und bietet für alle Zuschauer beste Sicht. Die Gruselgestalten bevölkern während des Einlasses, sehr zum Schrecken manch eines Besuchers auch das Chapiteau.

Mit einer viertelstündigen Verspätung, auf Grund des enormen Zuschauerandrangs, es mussten Zusatzstühle und Bierbänke aufgestellt werden, betritt ein niedliches kleines Mädchen von etwa sieben Jahren, in einem fleckenlosen weißen Kleidchen die Bühne und der Horror beginnt. Unschuldig auf einem Ringtrapez schaukelnd wird es vom Horror-Clown, der Symbolfigur des Circus, an die Hand genommen und in die Welt der Untoten entführt. Erst zur Pause sehen wir die Kleine wieder und ihr vormals weißes Kleid ist über und über mit Blut beschmiert. In der rechten Hand hält sie den „Kopf“ des Clowns, den sie mit einem riesigen Messer enthauptet hat.Verstört unter den wirren Haaren hervorblickend, geht das Kind langsam durch die Szenerie, stößt einen Schrei aus, der durch Mark und Bein geht und verschwindet. Soweit die Rahmenhandlung des tempo- und abwechslungsreich ablaufenden Programms, das stilsicher von Rammstein-Songs und Melodien aus bekannten Horrorfilmen begleitet wird.
Der Herr der Finsternis, Raimond Riedesel absolviert seine wenigen Moderationen mit großer Präsenz. In subtil unterkühltem Ton fließen die Worte in einen "abgerissenen Arm" und fordern den ultimativen Applaustest, denn „nur wer genügend applaudiert, wird dieses Zelt wieder lebend verlassen“.
Nach dem Opening, dass noch einmal alle schaurigen Gestalten auf die Bühne bringt, ist Alexandra Sazonova als erste Artistin mit ihrer Darbietung am Ringtrapez zu erleben. Temperamentvoll präsentiert die junge Frau eine umfassende Trickfolge in vollem Schwung unter der Kuppel des Gruselkabinetts. Routiniert erfolgen die erfolgen die Abläufe und nur der Schlusstrick, bei dem sie vom Zehen in den Kniehang und von einer zu einer tieferen Ebene am Requisit wechselt, wird mit Sicherung gearbeitet.

Crazy White Sean, ein bärtiger, am ganzen Körper reichlich tätowierter Freak lässt die Alpträume der Zuschauer Gestalt annehmen. Eine volle Bierdose gegen die Stirn hämmernd bis sie zerplatzt und sein Lebenssaft ihm in die Augen läuft, erobert die Bühne. Sodann zieht er seine Kapuzenjacke aus, hängt sie auf einen Draht-Kleiderbügel und führt den Bügel durch ein Loch in seiner Nasenscheidewand, lässt den Bügel samt Kleidung an dieser Aufhängung kreisen. Mit einem kräftigen Ruck wird der Metallbügel, in der Nase hängend, deformiert. Böller explodieren krachend in seiner Hand und zwischen den Zähnen. Auch wird ein Kanonenschlag in die Arschfalte geklemmt gezündet und detoniert vehement. Ein Pornomagazin wird mit einem großen Tacker an Brust und Stirn gehämmert, selbst die Zunge ist vor solchen Angriffen nicht gefeit. Sekundenkleber,  Bowlingkugel  und Haut gehen eine Verbindung ein. Ein Kondom wird mittels eines kräftigen Atemzuges durch die Nase hoch in den Kopf gezogen, um gleich darauf zwischen den Zähnen wieder zu erscheinen. Den gleißenden Funkenregen einer formidablen Flex lenkt der scheinbar schmerzunempfindliche Craxy White Sean auf seinen nackten Oberkörper. Entzündet im Strahl der glühenden Eisenteilchen eine Zigarette und leitet den Kometenschweif in die weggehaltene Hose direkt auf seine Balls.
Die Aktivitäten dieses Stuntmans im zweiten Auftritts wirken noch spektakulärer und lassen manchen Zuschauer/In erschaudern und ängstlich wegblicken. Mit der Rückseite eines Beils treibt sich Crazy White Sean starke Nägel durch die Nasenlöcher Richtung Hirn. Verschieden große Spritzen nehmen ihren Weg durch die Haut von Unterarm, Brust und Hals. Schwungvoll landet eine Spritze in der Stirn und aus der Kanüle, die eine Wange durchdrungen hat spritzt Wasser auf die Besucher der ersten Reihe. Ein Korkenzieher wird durch das Loch in der Nase hindurch seiner Bestimmung zugeführt und alsbald baumelt die gefüllte Weinflasche an dem Utensil unter der Nase des Künstlers. Ein Regenwurm nimmt den gleichen Weg wie zuvor das Kondom – durch die Nase in den Kopf und durch den Mund wieder hinaus – bevor er mit schwungvollem Wurf ins Auditorium geschleudert wird. Abschließend hängt sich Crazy White Sean in beide untere Augenlider einen S-förmig gebogenen Haken, an dem jeweils zwei Billardkugel an Ketten baumeln. Über die Bühne tanzend lässt er die Kugeln umherfliegen.

Zu all den gruseligen, dunklen und erschaudern machenden Szenen der Show gehören als Kontrapunkt auch einige heitere Momente, die Clown Alfredo gestaltet. Auf einem schweren Bike kommt er, in böser Baby-Maske ausgestattet auf die Bühne. Nachdem er mit einer (Wasser)-Maschinenpistole den von einer Zuschauerin hochgehaltenen Luftballon abgeschossen hat, tritt er als Messerwerfer in Erscheinung. Der mit verbundenen Augen ans Brett gefesselte junge Mann aus dem Publikum war sich auch in der Pause noch nicht sicher, auf welche Art der Ballon zwischen seinen Beinen zum platzen gebracht worden war.
Im zweiten Programmteil sehen wir eine Variante der bekannten Reprise „vier Stühle“. In dieser Show dürfen vier junge Frauen ihre artistische Geschicklichkeit unter Beweis stellen.
Katja Sazonova ist mit zwei Darbietungen in der Show vertreten. Zunächst präsentiert sie ihre bekannte Hula Hoop Show. Im zweiten Teil arbeitet sie eine Nummer an Tuchstrapaten. Auf einem Bett liegend wird die Artistin auf die Bühne getragen. Sie windet sich mit irrem Blick umher, wird von den Trägern mit roten Stoffbändern „gefesselt“, die sich alsbald als Strapaten erweisen.
Sascha steuert eine Jonglage mit einem großen Röhrenkubus zum Programm bei.
Als Pausennummer ist die Hochseil-Darbietung des Duo Tashkenbaev platziert. Einradfahrt, Sprung über die Partnerin, Blindlauf und Überquerung des Seils im Zwei-Mann-Hoch sind die tragenden Elemente dieses sicher vorgetragenen Ablaufs.

Jongleur Tibo startet seinen rasanten Wirbel auf einem „Elektrischen Stuhl“, von dem er sich nach einigen Augenblicken befreien“ kann. Tennisbälle, Fußbälle, Ringe und Keulen sind die Requisiten, mit denen variantenreich und sicher die verschiedenen Muster gearbeitet werden. Natürlich gehört in diesen Rahmen auch eine effektvolle Jonglage mit hell lodernenden Fackeln. Wenig später sehen wir den sympathischen Artisten mit seiner zweiten Darbietung auf der Rola-Rola. Er springt Seil, balanciert auf einem Basketball und stapelt bis zu fünf Brettern unter seinen Füßen.
Jerome Frank präsentiert auf einem hohen Piedestal seine Flaschenstuhl-Darbietung. Allerdings sind die Flaschen hier durch kleine Metallkonstruktionen, die fluoreszierend orange lackiert sind, ersetzt. Drei Stühle stapelt der Artist in verschiedenen Formationen aufeinander und führt darauf seine Handstände aus.
Miss Gina arbeitet ihre Antipoden-Spiele im Look einer Vampir-Lady, die ihren Assistenten an der Kette hat. Würfel und Rolle werden geschickt mit Händen und Füßen manipuliert. Ein großer Ball folgt in einer weiteren Sequenz der Darbietung, die mit der Jonglage eines großen Feuerkreuzes ihren Höhepunkt erreicht.

Thomas Frank, alias Fakir Fantomas, begeistert mit einer herausragenden Feuer-Show. Im stimmigen Habitus eines Teufels arbeitet er seine beeindruckenden Tricks. Lange werden die Flammen im Mund gehalten, wenn er die Fackeln verlöscht und wieder neu entzündet werden. Fantomas formt eine Spitztüte aus Papier, balanciert sie brennend auf dem Kinn und stößt, während sie zur Hälfte niedergebrannt ist, eine gewaltige Feuersäule, die sich an der Tüte entzündet aus. Mit einigen meterhoch ausgestoßenen Feuersäulen findet der Auftritt seinen Abschluß.
Los Nablolitos bieten zum Programmabschluss noch einmal Nervenkitzel pur auf dem Todesrad. Bereits die Sprünge in den Kesseln, mit denen Nico und William ihre Trickfolge starten, entlocken dem Publikum laute Aufschreie. Seil- und Blindlauf wechseln sich mit einigen Armaufschwüngen auf der Außenbahn ab.  Hohe Absprünge auf der Außenbahn werden vom Publikum mit lebhaften Reaktionen begleitet.
Zum Finale versammeln sich noch einmal alle düsteren Gestalten auf der Bühne und in seinen Abschiedsworten wünscht Raimond Riedesel einen „horrorfreien Nachhauseweg“. Tosender Applaus und Standing Ovations des restlos ausverkauften Gestühls bezeugen, dass diese spezielle Form eines artistischen Spektakels die Erwartungen des, zu allermeist jungen, Publikums erfüllt. Sehr viele der, teils auch horrormäßig ausstaffierten, Besucher nehmen das Angebot der Aftershow-Party an und nutzen die Chance zu einem gemeinsamen Foto mit den Künstlern.
Nicht nur Horror-Fans, sondern auch Anhänger gepflegter artistischer  und Schaubuden-Künste werden von diesem abwechslungsreichen und geschickt zusammengestellten  Programm bestens unterhalten.

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