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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS KNIE
Luzern, 31. Juli 2015


www.knie.ch
Auf seiner 97. Tournee durch die Kantone unseres Nachbarlandes war der „Gebrüder Knie Schweizer National-Circus AG“ wie stets in der Zeit um den Nationalfeiertag der Schweiz, am 01. August, in Luzern auf der Allmend zu Gast.
Am angestammten Platz, dem Innenraum der Galopprennbahn, steht der Circus großzügig aufgebaut. Der Weg über das Geläuf, zwischen Koppeln hindurch auf denen die Knie-Pferde den Tag verbringen, führt geradewegs auf das riesige Vorzelt zu, dessen hohe Seitenwand das Knie-Logo trägt. Der Frontzaun mit den nostalgischen Kandelabern, ein antiker Holzwagen auf der einen Seite und die moderne Kasse auf der anderen komplettieren die Front. Vier moderne Bürowagen und die langen Reihen der in Paradeaufstellung aufgefahrenen Zugmaschinen und Kleintransporter des Circus schließen sich auf der rechten Seite an. Dahinter sind die Wohnwagen der Mitarbeiter, Küche, Werkstätten und Materialtransporter abgestellt. Auf der anderen Zeltseite hat die Menagerie ihren Platz. Durch den im Safari-Look bemalten Eingangswagen geht zu den zwei Elefanten, die nun nur noch, da der größte Teil der Herde im neu geschaffenen Elefantengehege „Himmapan“ im Kinder Zoo in Rapperswil verbleibt, mit dem Circus reisen. Ein weitläufiger Paddock mit Badebecken und weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten und der Schatten spendende Stall können von den Dickhäutern nach Belieben als Aufenthaltsort gewählt werden.
Im Anschluss hat der langgestreckte, moderne Pferdestall mit Außenbereich an jeder Box seinen Platz. Exotenstall, Ziegen- und Hängebauchschwein-Gehege, eine elegante Ponyreitbahn, der „Elefanten-Bahnhof“, Restauration und Souvenirverkauf sowie ein Zelt mit einer Probemanege sind gleichfalls hier zu finden. Die Fahrzeuge der Circusrestauration, Garderoben und Elektrozentrale sind dicht beim Chapiteau platziert.
Die Größe des Vorzeltes ist so bemessen, dass sämtliche Besucher einer Vorstellung in seinem Innern Platz finden und Schutz vor Witterungseinflüssen haben. Die wie eine riesige Halle wirkende Konstruktion bedingt eine enorme Seitenhöhe, da beim Abbau die Gradinwagen hier hindurch ans Chapiteau gelangen müssen. Es ist komplett mit einem Holzboden, der mit rotem Teppich ausgelegt ist, ausgestattet. Die großen hohen Gitterträger der Dachkonstruktion sind mit kunstvoll bemalten Spannbändern versehen, die dem Raum Atmosphäre verleihen. Einer der beiden Container der Restauration und zahlreiche Sitzgelegenheiten und Stehtische gliedern den Raum. Die gesamte, ohne Abseglungen freistehende Konstruktion erscheint sehr arbeitsintensiv im Auf- und Abbau, besteht das Aluminiumgerüst aus immens vielen, zumeist miteinander verschraubten Teilen.
Das knapp 2300 Besucher fassende Gradin ist komplett mit – nummerierten – Einzelklappsitzen ausgestattet. Die blau-rote Piste mit hinterleuchteten Sternen und der große hohe rote Artisteneingang mit reichen goldfarbenen Applikationen sorgen für den seit vielen Jahren gewohnten Look.
Die sechs Musiker, die auf der Orchesterbühne Platz nehmen sind für die Akzente in der hauptsächlich im Playback stattfinden musikalischen Begleitung der Show zuständig.

„Phénomenal“ lautet das Motto der diesjährigen Produktion und in der Tat sind weite Teile der Show mit diesem Attribut treffend beschrieben.
Komiker Rob Torres wärmt mit einem ersten Auftritt das Publikum an. Er sammelt den Applaus des Publikums in verschieden großen Holzkistchen ein und lässt ihn immer wieder nach seinem Belieben erklingen.
Anschließend ist es an Direktor Fredy Knie jun. sein Publikum auf das herzlichste willkommen zu heißen.
Mit einem temperamentvollen Charivari der Truppe Bingo nehmen, der Tradition der vergangenen Jahre folgend, die akrobatischen Aktionen in der Manege ihren Beginn. Zehn ArtistenInnen, unter ihnen auch Ivan-Frédéric Knie, bieten Artistik an Tüchern, Jonglage und Kontorsion. Die Kostüme der Mitwirkenden zeigen auf der Brust einen großen stilisierten Pferdekopf, der im Schwarzlicht magisch leuchtet. Mit einer in den Ablauf integrierten kleinen Lasershow wird ein derzeit populäres weiteres Element geboten.
Jongleur Mario Berousek setzt das hohe Tempo des Opening fort. Perfekt und mit enormer Sicherheit manipuliert er die silbernen schlanken Keulen, die er dauerhaft mit einer Geschwindigkeit wie kaum ein anderer Jongleur zu drehen versteht. Bis zu sieben Requisiten hält der sympathische Artist in der Luft.
Komiker Rob Torres ist mit seiner pointierten Clownerie in zahlreichen Auftritten zu erleben. Der US-Amerikaner pflegt einen eigenen Stil und schleppt zu allen Auftritten eine riesige gelb-rote Tasche, in der die benötigten Requisiten transportiert werden, mit. Er formt Luftballons zu Brillen und wulstigen Lippen und verteilt diese an Zuschauer. Jongliert mit einem Hut und geht dabei seines „Haupthaares“ verlustig. Mit einem Zuschauerkind übt er sich im Teller drehen und immer wieder wird der Applaus im Holzkästchen eingesammelt. Von Ringmaster Enrico Caroli wird der als Wespe auftretende Clown schließlich mit einer überdimensionalen Fliegenklatsche gejagt. In seinem umfangreichsten Auftritt erweist sich Torres als geschickter Jongleur, der vier Metallbecher virtuos handhabt und die Routinen mit allerlei Gags versieht.

Die eindrucksvolle Hand-auf-Hand Artistik des Trio Bellissima, hierzulande von einem mehrjährigen Engagement bei Roncalli und aus verschiedenen Weihnachtscircus Shows bestens bekannt, wird auch vom Schweizer Publikum frenetisch gefeiert. Im Adagio Stil führen die drei jungen Frauen ihre Tricks perfekt aus, reihen dabei anspruchsvolle Abläufe sicher und gekonnt aneinander.
Der umfangreiche Block der Freiheitsdressuren wird zweigeteilt präsentiert. Zunächst arbeitet Marie-José Knie mit zwei Palomino Hengsten und einem Pony ein verspieltes, mit einer romantischen russischen Volksweise untermaltes, Groß-und-Klein. Anschließend bietet Direktor Fredy Knie jun. eine kommentierte Dressurprobe mit vier Andalusiern. Die vier jungen, vierjährigen Hengste sind seit rund einem Jahr im Circus und haben noch nicht die volle Manegenreife.
Nach zwei artistischen Nummern ist es an Maycol Errani vor der Pause ein wahres Feuerwerk abzubrennen und mit einem equestrischen Highlight den Höhepunkt des Programms zu bieten. Mit sechs weißen Araber und sechs Friesen beginnt die harmonische und perfekt ablaufende Folge abwechslungsreicher Figuren. Souverän führt der Dresseur die Chambriere und „wie an der Schnur gezogen“ folgen die Pferde den Anleitungen. Einige Touren werden von achtzehn Pferde in drei Sechsergruppen geboten.
Dann versammelt Maycol Errani neun Friesen und sechs Araber in der Manegenmitte und zwölf weitere Hengste – Araber und Palominos – laufen auf dem Hufschlag entlang der Piste ihre Runden. Die Friesen und Araber formt der Dresseur zu zwei weiteren Zirkeln im Innenraum der Manege, so dass nun siebenundzwanzig Pferde in drei gegenläufigen Ringen ihre Bahn ziehen. Ohne sichtbare Hilfen von Bereitern setzt Errani dieses Karussell in Gang (löst es schließlich auch genauso wieder auf) und dirigiert die Menge der Pferde fast nur mit der Stimme, während acht Ponys eine Runde über die Piste trippeln. Als optisches Highlight erfolgen die abschließenden Touren im abgedunkelten Zelt im Schein der an den Pferdegeschirren angebrachten LED-Lichtschnüre. Ein großartiges equestrisches Meisterwerk, dass wir in dieser Form und Perfektion seit vielen Jahren nicht mehr erleben durften begeistert und verzaubert seine Zuschauer. Chapeau.
Als Da Capo bringt Géraldine-Katherina Knie drei temperamentvoll agierende Korbpferde in den roten Ring und krönt ihren Auftritt mit verschiedenen erstklassig ausgeführten Steigern. Die kleine Chanel Marie Knie lässt völlig selbständig ein Pony rückwärts eine ganze Bahn quer durch die Manege steigen.

Zu Beginn des zweiten Programmteils sehen wir Sheila Nicolodi mit ihrer Pole-Akrobatik. Kraftvoll arbeitet die sympathische Artistin im vorderen Bereich der Manege während hinter ihr an zwei weiteren Masten die Mitglieder der Truppe Bingo ihre Tricks bieten.
Franco Knie jun. bringt zusammen mit seiner Frau Linna und Sohn Chris Rui die beiden noch mit dem Circus reisenden Elefanten in die Manege. Sie schaukeln Madame Knie auf einem Tau, das sie im Maul halten, bieten Laufarbeit, eine Pyramide und einer der Dickhäuter wirbelt die Vorführerin an einer Handschlaufe, die an seinem Kopf befestigt ist, umher. Ein abliegender Elefant hält Chris Rui nach Erhalt seiner Belohnungs-Banane solange mit dem Rüssel fest, bis eine zweite Frucht den Weg in sein Maul nimmt. Insgesamt wirkt diese, neben den Pferden einzige, Dressurnummer „unrund“, in der Abfolge zusammengewürfelt.
Das Trio Stoian begeistert mit seinen elegant dargebotenen Evolutionen am Russischen Barren. In erstklassiger Ausführung und mit enormer Sicherheit werden die hohen Flüge auf dem schmalen Barren gestanden. Drei in direkter Folge gesprungene Doppelsaltos und der Dreifache sind die Höhepunkte dieser mitreißenden Darbietung.
Das Duo Dasha und Vadym zelebriert eine Love Story an den Strapaten hoch in der Kuppel des Chapiteau. Mit scheinbarer Leichtigkeit werden schwierigste und riskante Haltefiguren ausgeführt. Beide Partner agieren als Porteur und mit weiten Flügen füllen sie den Raum. Anmutig erfolgen die Aktionen zu „Caruso“ von Lara Fabian und ziehen die Zuschauer ihren Bann.
Ventriloge Willer Nicolodi bemüht sich nach Kräften den Redeschwall der vorlauten mexikanischen Maus „Joselito“ - „mit die ché“ - in geordnete Bahnen zu lenken und endlich mit dem Bühnenpartner „La Cucaracha“ singen zu können. Zum gemeinsamen Lied schafft er es nicht und so demonstriert der Künstler mit vier Freiwilligen aus dem Publikum, dass jedermann „bauchreden“ kann.

Gleich zwei Schleuderbrett Darbietung sind im diesjährigen Programm des Circus Knie zu sehen. Im ersten Programmteil arbeiten die Brüder Wioris und Maycol Errani zusammen mit einem weiteren Partner, dieser ersetzt den verletzten Guido Errani, an der koreanischen Wippe. In flottem Ablauf werden die Saltos und Pirouetten ausgeführt, nachdem sich die Akteure mittels des Bordes immer höher in die Luft katapultiert haben.
Als letzte Darbietung der Show ist die Truppe Sokolov mit ihrer Interpretation von „Amadeus“ am Schleuderbrett zu erleben. Kostümierung und Schminke sind perfekt auf das Thema „Mozart“ angestimmt und der Auftritt bis in die allerletzte Kleinigkeit durchgestylt. Eindrucksvoll werden sämtliche Möglichkeiten des Genres von den zwölf Truppenmitglieder aufgezeigt. Hohe und weite Sprünge auf ein Kissen finden in einem vierfachen Salto ihren Höhepunkt. Synchron fliegen zwei Voltigeusen zum Drei-Mann-Hoch, Salto in den Handstand zum Drei-Mann-Hoch, Vier-Mann-Hoch ohne Vorteil und ein dreifacher Salto in einen Sessel sind weitere Element. Verschiedene Stelzensprünge erfolgen vor dem spektakulären Höhepunkt der Darbietung. Auf einer von zwei Truppenmitgliedern gehaltenen Stange steht auf hohen Stelzen ein Porteur, der seinerseits einen auf einer meterhohen Stange montieren Sessel hält. Scheinbar ohne jede Anstrengung gelingt der dreifache Salto zur sicheren Landung in ca. sechs Metern Höhe.
Das Finale im Circus Knie folgt der traditionellen Choreographie. Die Truppe Bingo tanzt zu Beginn, nacheinander kommen die Artisten in die Manege und empfangen ihren wohlverdienten Applaus und wenn alle ihre Plätze eingenommen haben erscheinen die Mitglieder der Familie Knie mitten im roten Ring. Géraldine-Katherina Knie spricht die traditionellen Abschiedsworte und mit ausgiebigen Standing Ovations bringt das Publikum seine Begeisterung zum Ausdruck. Es folgen die obligatorischen kleinen Zugaben und fröhlich winkend verlassen die Artisten die Manege.
Der Schweizer National-Circus Gebrüder Knie bietet auch in diesem Jahr wieder ein traditionelles Circusprogramm auf sehr hohem Niveau mit erstklassigen artistischen Darbietungen und dem herausragenden Highlight der Freiheitsdressur. Schade nur, dass die Anzahl der Dressurdarbietung, die dem Circus einst zu seiner Geltung und seinem Weltruhm verhalfen, auf ein derartiges Minimum beschränkt wurden.