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Text und Fotos Friedrich Klawiter
24. EUROPEAN CIRCUS FESTIVAL
Lüttich, 13. Dezember 2014

www.europeancircus.com
Die Zeltanlagen des "European Circus Festival" waren an gewohnter Stelle im Park d' Avroy, im Herzen Lüttichs aufgebaut und zum vierundzwanzigsten Mal bot Direktor Stefan Agnessen ein völlig neues, hochklassiges und traditionelles Circusprogramm auf.
Direkt am Schnittpunkt zweier verkehrsreicher Magistralen sind die gelb-blauen Zeltanlagen der einzige Farbtupfer an diesem verregneten Dezembertag. Geschmückte Tannen und viele Lichterketten zieren die Front um den charakteristischen Kassenwagen und sorgen für eine vorweihnachtliche Stimmung. Die zahlreichen Auflieger und Wagen des Circus sind passend zu den Zelten in gelb und blau lackiert. Die Ställe der Exoten und Pferde sowie Wohnwagen und Unterkünfte von Artisten und Mitarbeitern nehmen den übrigen Raum ein.
Das Innere des Vorzeltes bietet, da in mehreren Rottönen gehalten, eine warme gemütliche Atmosphäre und zwei mächtige Tannen sorgen auch hier für Weihnachts-Feeling. Die beiden großen Verkaufswagen der Circus-Restauration halten ein umfassendes Warenangebot bereit. Eine heimelige Champagner-Bar und Garderobe (!) komplettieren die Einrichtung.
Durch einen breiten Tunnel gelangt man ins Chapiteau. Fünf Reihen komfortabler gepolsterter Stühle direkt an der Manege und acht Gradinreihen bieten den zahlreichen Zuschauern Platz. Der breite dreiteilige Artisteneingang aus rotem Samt wird vom großen Namenszug des Circus gekrönt.

Die acht Musiker des Orchesters von Eduard Tyburski haben ihren Platz, den Blicken des Publikums entzogen, über der Gardine hinter dem großen Namenszug. Mit volltönendem Sound werden die auftretenden Artisten in idealer Weise begleitet und mancher Klassiker der Circusmusik trägt zur stimmigen Atmosphäre bei.
Die opulent bestückte Lichtanlage lässt vielfältige Effekte zu und wird virtuos eingesetzt.

Stimmungsvoll beginnt die Show – Weißclown Gilberto Francesco Beeloo nimmt mit seinem Saxophonspiel die Zuschauer sofort gefangen, dann gehört die Manege ein erstes Mal dem Ballett. Die fünf Tänzerinnen der französischen Formation „A la Folie“ sind mit verschiedenen Choreographien im Programmverlauf zu erleben und sorgen mit den zu jedem Auftritt wechselnden aufwändigen Kostümen für den notwendigen Glamour.
„Monsieur Loyal“ Claude Brunel, erstmals nach vielen Jahren in denen Chrisoph Ivanes die Moderation der Show oblag gab es hier eine Veränderung, begrüßt die Anwesenden und führt im weiteren Verlauf des Abends wortgewandt durch die Show.
Getreu dem Motto „Le Cirque commence au Cheval“ beginnt die Nummernfolge mit den elegant vorgeführten Freiheitsdressuren von Alexander Scholl. Zunächst laufen zwei prächtig herausgeputzte Friesen ihre Figuren. Ein Groß-und-Klein eines Friesen und eines schwarzen Shetland-Ponys schließt sich unmittelbar an und ein weißer Araber zeigt sich als formidabler Steiger. Acht muntere Schecken-Ponys komplettieren mit ihren abwechslungsreichen Lauffiguren den Block der Pferdedressuren. Im zweiten Programmteil präsentiert Alexander Scholl vier Steppenkamele. Die Trampeltiere tragen dekorative rote Schabracken mit goldfarbenem Dekor. Als Da Capo zeigen sich drei Lamas als geschickte Barrierenspringer.

Adil Hajji hat seine Handstandequilibristik verträumt-romantisch gestaltet. Nach ausführlicher Einleitung erfolgen die unterschiedlichsten Handstände auf Handstäben, die in einem flachen Rahmen auf dem Manegenteppich ruhen.
Eine kräftezehrende Darbietung zeigen die Sydney Brothers an den Römischen Ringen. Die drei jungen Männer mit dem gewaltigen Oberarmumfang zeigen ein umfangreiches Repertoire anspruchsvoller Tricks. Mit cooler Attitüde und scheinbarer Leichtigkeit werden Solo- und Partnertricks in erstklassiger Manier dargeboten.

Die tragende Figur und roter Faden der Show ist Weißclown Francesco. Seine Intermezzi mit Tenor- und Baritonsaxophon, Konzertina, Xylophon sowie gesanglich zeugen von großer Musikalität. Zu jedem Auftritt trägt er, einer der letzten weißen Clowns klassischer Prägung, einen anderen edel und aufwändigst gefertigten „Sac“ und schlägt mit Können und Ausstrahlung die Zuschauer in seinen Bann. Zusammen mit seinem Vater bildet er das Clowns Duo „Les Shepperd's“. Beim aktuellen European Circus Festival bringen die beiden das  Spiegel-Entrée. Mit pointiertem Spiel wird der clowneske Klassiker perfekt vorgetragen und mit rascher Abfolge der Gags zielstrebig zur Pointe gebracht.
Vor der Pause erleben wir mit dem Duo Valdemar am Todesrad Spannung und Nervenkitzel. Es ist eine der wenigen Todesrad-Darbietungen mit einem weiblichen Partner und nach unserer Meinung die Frau, die außen auf dem Kessel läuft in Europa. Zahlreiche Aktionen in den Kesseln, Fackeljonglage, Blindlauf des weiblichen Partners außen, Seil springen und hohe Absprünge sind die Eckpunkte der Darbietung, die mit einem Salto vom Rad in die Manege ihren Abschluss findet.

Der Italiener Anthony Zatta bringt mit einer der derzeit sehr populären Papageien-Revuen einen Hauch Exotik in die Show. Sieben Aras und ein Kakadu begeistern mit ihren Flügkünsten, überbringen einer Zuschauerin eine Rose und durchfliegen von Logenbesuchern hoch gehaltene Ringe. Eine Schar kleiner Sittiche landet auf Köpfen und ausgestreckten Armen von drei in die Manege geholten Kindern. „Riesenwellen“ um die Sitzstangen und rhythmische „Tanzbewegungen“ zur Musik sind genauso in der Darbietung zu sehen, wie eine „Strandszene“, in der drei Vögel sich in Liegestühle unter einem Sonnenschirm begeben. Beeindruckende Flugrunden über dem bestens besetzten Gradin vollenden den erfrischenden Auftritt.
Roska Alexandrova zeigt ihr Können am Trapez. Nach einer Reihe eleganter Tricks am ruhenden Requisit erfolgen einige Abfaller im vollen Schwung. Mit einem – longengesichert – Salto vom Trapez zu einem Vertikalseil erreicht die Nummer ihren spektakulären Höhepunkt.

Juniorchef Andrew Agnessen ist mit einer großen Magic-Show im Piratenlook im Programm präsent. Aus einer Schatzkiste wird der Magier hervorgezaubert und präsentiert im Folgenden eine Reihe gängiger Großillusionen.
Die acht Mitglieder der Truppe Hajji entfachen vor dem Finale noch einmal einen gehörigen Wirbel. Heutzutage nur noch sehr selten in europäischen Manegen vertreten, sorgen die Pyramidenbauer und Springer für Furore. In vielfältiger Weise werden die Pyramiden bis zu vier Etagen hoch gebildet. In rasantem Wirbel erfolgen im zweiten Teil des Auftritts die unterschiedlichen Sprungkombination verschiedenster Salto- und Handstandüberschlagausführungen. Eindrucksvoll beweist abschließend der „Untermann“ der Truppe seine körperliche Stärke indem er seine sieben Kameraden auf seinen Schultern trägt.
Mit einem glamourösen Auftritt des Balletts nimmt das Finale seinen Lauf. Claude Brunel stellt alle Mitwirkenden der Show wortreich vor und Direktor Stefan Agnessen und Sohn Andrew verabschieden das Publikum bis zur Jubiläumsausgabe im kommenden Jahr. Während Weißclown Francesco mit einem letzten Weihnachtslied die Zuschauer unterhält stellen sich die Artisten, wie in jedem Jahr im Vorzelt auf und geben den Besuchern Gelegenheit zu einem Erinnerungsfoto und zu ein paar persönlichen Worten.
Wie immer steht das Programm des European Circus Festivals in Lüttich auf einem hohen Niveau und bietet allerbeste Circusunterhaltung in einem stilvollen Rahmen und ein Besuch ist stets lohnenswert.