Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE MEDRANO
Metz, 01. März 2025
https://cirque-medrano.com
Der Cirque Medrano von Raoul Gibault tourt mit der Show „Les Jeux de la Piste“ (Manegenspiele) durch Frankreich. Mit dem Titel bezieht man sich auf die Olympischen Spiele in Paris im letzten Sommer zu denen die Show startete. Dies wird auch am Plakat deutlich. Es zeigt neben einem bunt gekleideten Mann der viele Medaillen hängen hat auch eine Grafik mit fünf verschiedenfarbigen Ringen.
Auf dem Circusplatz im Messegelände von Metz gab der Circus ein viertägiges Gastspiel mit insgesamt neun Vorstellungen.
Die markanten grellen Hausfarben des Circus, pink und gelb, finden sich auf den Fahrzeugen und dem Vorzelt wieder. Ein weißes Chapiteau mit wellenförmigen blauen Streifen ist als Spielstätte aufgebaut. Der weiße Kassenwagen mit der elegant geschwungenen Front trägt eine pinkfarbene Umrandung und neben den Countern einen großen Button, der neben einer Clownsfigur den Slogan „Medrano – Passion du Cirque“ zeigt. Die Banner des flachen Frontzaunes zeigen die Aufschriften „Cirque Medrano“ sowie „Le grand Cirque de Noel“ und die Sticker auf den Fahrerkabinen der Zugmaschinen verkünden den „Grand Cirque sur Glace“,
Der umfangreiche Fuhrpark, ausnahmslos Sattelzüge mit zugehörigem großen Anhänger, ist rings um die Zelte abgestellt. Campings sind nur sehr wenige zu sehen, da die meisten Artisten in den Abteilen der Mannschaftsunterkünfte untergebracht sind.
Das Rondell des ansonsten schmucklosen Vorzeltes ist im Innern mit rotem Tuch verkleidet. Auf der rechten Seite hat ein großer Verkaufswagen seinen Platz, während gegenüber fünf Biertischgarnituren und einige Stehtische verteilt sind.
Ein sehr großes, allerdings höchst eng gebautes Klappsitzgradin und drei Reihen Logenstühle stehen bereit, die sehr zahlreich erschienen Besucher aufzunehmen. Zwei ebenerdige Eingänge im Bereich der vorderen Masten teilen das Gradin in drei große Blöcke.
Anstelle einer Manege ist eine erhöhte Bühne, sie ist grauem Teppich belegt, vorhanden. Sie wird von einer nochmals erhöhten Metallplanke in Art einer Piste umgeben. Eine zweite, kleinere runde metallene Bühne füllt den Raum bis zum Artisteneingang.
Die Lichtanlage ist an zwei Quertraversen, vorne und hinten zwischen den Masten,
installiert. Die zahlreichen modernen Lichtquellen sind nicht ausgerichtet, sie erhellen nur kleine Bereiche – die Kuppel wird gekonnt komplett ausgelassen - der Bühne, so dass die auftretenden Artisten zumeist im Halbdunkel arbeiten. Auch der nur sehr sporadisch eingesetzte Verfolger sorgt nicht wirklich für Abhilfe. Nicht nur der schwache Einsatz der Lichtanlage, auch deren unglückliche Anordnung behindert für die Besucher des Mittelblocks oftmals die Sicht auf das Geschehen. Die Luftnummern sind immer nur für einen Teil der Gäste auf der frontalen Tribüne sichtbar.
Während des Einlasses und in der Pause wirbt eine Stimme aus dem Off laut und unablässig für den Besuch der Restauration und den Kauf von Souvenirs. Nur mit den richtigen Leuchtartikel ließe sich das Finale mit den Artisten angemessen feiern bekommen wir oftmals eingetrichtert. Auch könne man mit dem Erwerb eines Ausschneidebogens den Tieren des Circus Medrano, die ihre Freizeit zuhause im Quartier genießen, auf diese Weise Gutes tun.
Die beiden Damen des Balletts eröffnen die Show. Sie sind in allen ihren zahlreichen Auftritten nach Kräften bemüht, der Show Struktur und Atmosphäre zu geben.
Eine bunte Flaggenparade erinnert an den Einzug der Athleten bei der Eröffnungsfeier Olympischer Spiele und die Entzündung des Feuers, in einer kleinen Feuerschale vorn auf der Piste glimmt während der Vorstellung ein imitiertes Feuer vor sich hin, beendet das Opening. Die auftretenden Artisten erhalten keinerlei Unterstützung durch Licht oder Musik und entsprechend nüchtern und flott, ohne Verkauf, spulen sie ihre Auftritte ab. Es gibt keine Interaktion zwischen Artisten und Besuchern, keine Innehalten für Applaus oder Ähnliches und entsprechend verhalten sind die Reaktionen der Besucher.
Die Akteure der Show bleiben anonym, es gibt weder Ansage noch Programmheft oder eine namentliche Erwähnung auf digitalen Medien.
Zwei asiatische Artistinnen beginnen ihren Auftritt mit einer Keulenjonglage. Nach einigen Touren wechseln sie das Metier und bieten einige Passagen auf Einrädern. Der Auftritt erlebt seinen Höhepunkt mit Pasings von sieben Keulen auf den Einrädern.
Wenig später sehen wir die beiden Artistinnen mit einer Kür an einem Luftapparat.
Der anschließende Act eines jungen Mannes an den Strapaten bleibt unseren Augen leider weitgehend verborgen, da er von der Lichtanlage hervorragend abgeschirmt wird.
Die beiden Komiker sind drei Mal auf der Bühne präsent. Auftrittsstil und Kostümierung lassen die Frage aufkommen, ob Clownerie ihre Profession ist und falls ja wie lange schon. Eine längere Umbaupause überbrücken sie einfach mit dem schwenken ihrer Handy-Taschenlampen und fordern dabei das Publikum zum mitmachen auf. Im umfangreichsten Auftritt wird mit fünf Freiwilligen ein Boxkampf abgearbeitet. Ihre erste Szene bietet einen Applaus-Wettbewerb der in ein imaginäres Federballspiel mit einem Zuschauer übergeht. Diese Reprise leidet zusätzlich enorm unter dem Aufbau des Slackline Requisit des nachfolgenden Artisten. Dieser läuft während der gesamten Reprise auf der Bühne umher um seinen Apparat aufzubauen und mit großer Gestik „auszuloten“ ob das Ganze auch im richtigen Winkel steht.
Der Auftritt auf der Slackline reiht eine Menge hoher Sprünge, ähnlich einer Arbeit auf einem Schwungseil, aneinander. Die Trickfolge beinhaltet sowohl Vorwärts- als auch Rückwärtssalto.
Der gleiche Artist bietet im zweiten Teil des Programms einen Auftritt auf dem Washington-Trapez. Der junge Mann arbeitet exzellente Tricks, leider recht uninspiriert, in extremer Höhe und ist damit, dieses Mal hauptsächlich für die untere Hälfte der Sitzreihen, kaum zu sehen. Noch dazu ist der Durchhang der Zeltplane so groß, das man von den oberen Reihen nicht in die schmale Kuppel schauen kann und das weit schwingende Requisit irgendwann einfach „nach oben verschwindet“.
Zwei Herren zeigen in einer Art Balltraining ihre Fertigkeiten per Kopf und Fuß mit einem Fußball umzugehen.
Der zweite Teil startet mit BMX-Akrobatik. Vier Fahrern vollführen waghalsige Sprünge mit ihren Fahrrädern vollführen in zwei großen, hintereinander stehenden Halfpipes. Die hintere reicht bis hinter den Vorhang und von ihrer erhöhten Plattform beginnt der Anlauf zu den riskanten Manövern, die in der zweiten Pipe gelandet werden. Bei dieser Nummer haben die Besucher der Mittellogen und große Teile des mittleren Gradinblocks schlechte Karten – die mehrere Meter breite und hohe Rampe aus Metall und Holz steht unmittelbar vorn an der Piste und deckt das Geschehen völlig ab.
Mit der Finalnummer geschieht dann doch noch das inzwischen völlig Unerwartete. Wir erleben eine ansprechend in Szene gesetzte und stilistisch ausgearbeitete Darbietung, die sich völlig vom Rest des Programms unterscheidet. Ein Kontrabass ruht auf einem Ständer und die beiden Tänzerinnen imitieren Geigenspiel zu entsprechenden Klängen. Ein junger Artist, offensichtlich aus einer russischen Circusschule kommend, arbeitet auf dem Bass, der sich permanent dreht, und dem dazugehörigen Bogen eine poetisch inspirierte anspruchsvolle Handstand-Equilibristik. Der gesamte Auftritt erinnert im Ablauf und auch aufgrund der klassischen musikalischen Begleitung an Oleg Izossimov.
Zum Finale kommt das gesamte Ensemble auf die Bühne und nach der bei Medrano üblichen Choreographie nimmt man die Schlussaufstellung ein.
Nun brandet ein wenig Beifall auf und die Stimme aus dem Off verabschiedet flugs die Besucher und der letzte Artist, der die Bühne verlässt schaltet das „Olympische Feuer“ aus. Nach einer Stunde und fünfzig Minuten – inklusive der ausführlichen Pause – endet der Circusbesuch genauso nüchtern wie er begann. Da die lange Schlange der auf Einlass für die dritte Show des Tages Wartenden vom Eingang des Chapiteau durch das Vorzelt bis weit vor die Front des Circus reicht, gilt es für die aktuellen Besucher schnell das Feld zu räumen. Durch einen zweiten Eingang geht es hinaus und dann führt der Weg seitlich zwischen Material- und Toilettenwagen durch eine Lücke im Zaun in die Dunkelheit und den Matsch eines holprigen Geländes.

