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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS MEDRANO
Nancy, 15. Januar 2011

www.cirque-medrano.fr
Während des Winters sind drei Einheiten des Cirque Medrano von Raoul Gibault in Frankreich auf Tour. Zwei Einheiten bereisen gegenwärtig den Süden des Landes, eine davon als „Cirque sur l' Eau“. Die dritte Einheit war in Lothringen unterwegs. Nancy, die „Stadt der Herzöge Lothringens“, ist einer von ganz wenigen Orten Frankreichs, in denen sowohl Pinder als auch Arlette Gruss ein Gastspiel geben.
Während diese beiden in der Innenstadt vor der Universität auf der Place Carnot aufbauen, war Medrano im außerhalb gelegenen Ausstellungsgelände zu finden.


Plakate waren so gut wie gar nicht zu sehen, so dass man als Passant kaum Kenntnis vom Circusgastspiel bekommen konnte. Medrano setzt auf andere Werbemittel. Vor der Kasse kann man beobachten, dass so gut wie kein Besucher ohne Werbeanschreiben mit Angebotsofferte Karten nachfragt.


Auf dem weitläufigen Parkplatz bilden zwei Sattelzüge mit der markanten Medrano-Kasse in der Mitte die Front. Ein kleines quadratisches Zeltdach markiert den Eingang. Schlichte Metallabsperrgitter riegeln nur den Zugang zum Chapiteau ab, der übrige Bereich des Circus ist frei zugänglich. Das neueste, wenig mehr als ein Jahr alte, der vier Chapiteaux des Cirque Medrano finden wir hier vor. Der Viermaster mit länglicher Kuppel und acht Quaderpoles zeigt sich konventionell in der Form, in Farbgebung und Design dagegen sehr ausgefallen. In kräftigem gelb und lila gehalten, zeigt die Plane spiralförmig von der Kuppel bis zur Erde führende Streifen. Ein passendes Vorzelt wurde an den neuen großen Restaurations-Sattelzug angebaut.
Der Fuhrpark ist komplett in dunkelrot mit pinkfarbenen Absetzungen lackiert, wurde komplett großflächig mit dem Namenszug beschriftet und zeigt sich straff organisiert. Wenige Transporter fürs Material und eine Anzahl Auflieger mit Wohnabteilen werden von den Campings der Artisten komplettiert. Zum Circus gehören fünf Tiger und ein Löwe, sowie drei Kamele und drei Esel. Als letzte Bewohnerin ist 'Dumba', die Elefantenkuh der Kludsky' s, im Medrano-Zoo zu nennen.
Die beiden Schiebeplanen-Sattelzüge in der Front sind auf den beiden Seiten unterschiedlich ausgeführt. Hier zeigt die „Medrano-Seite“ mit dem Aufdruck „Festival du Cirque in Richtung der ankommenden Besucher. In anderen Städten wird die zweite Seite, die den „Cirque de St. Petersburg“ in bunten strahlenden Bildern ankündigt, eingesetzt.

Der Cirque Medrano reist ohne Ausfalltage, gibt auch an Reisetagen eine Vorstellung. Am Wochenende werden drei Shows am Tag absolviert. Die Vorstellungen folgen dicht aufeinander. Während die Besucher der folgenden bereits bis in Vorzelt gelangen, werden die der vorhergehenden Show auf der anderen Seite aus dem Chapiteau geleitet.
Das Restaurationszelt ist im Innern vollkommen leer und schmucklos. Nichts lenkt von dem modernen, riesigen, gut bestückten Verkaufswagen ab. Im Chapiteau ist ein zehnreihiges Gradin mit Einzelklappsitzen aufgebaut. Die Logen sind mit gepolsterten Metallklappstühlen ausgestattet. Ihre vorderen Begrenzungen zeigen ein nicht mehr ganz frisches Dekor mit chinesischen Ornamenten. Der Artisteneingang ist, wie bei Medrano üblich, eine einfache mittig geteilte hohe Bahn aus glitzerndem roten Stoff, an deren oberem Rand der Namenszug angebracht ist. Über die Piste kann man nur den freundlichen Mantel des Schweigens decken. Den Boden der Manege bedeckt ein Hauch von Sägemehl und an einigen Stellen sind die Markierungen des Parkplatzes auf dem Asphalt deutlich zu sehen.
Während des Einlasses läuft über die Tonanlage eine Art Dauerwerbesendung, die in erster Linie zum Kauf von Leuchtartikel animieren will. Dazwischen dröhnt circa alle zwanzig Sekunden „un - deux - trois, Me - dra - no“ aus den Boxen.

Marco Mariani ist der Monsieur Loyal dieser Einheit. Wortgewandt, mit Tanz- und Gesangseinlagen führt er durch die Veranstaltung, setzt dabei die Akteure ins rechte Licht und lässt es nicht an der Erwähnung des Circusnamens mangeln.
Mit einer Raubtierdarbietung erfolgt der Einstieg ins Programm. In einem sehr kleinen Zentralkäfig präsentiert Marcel Peters zwei junge Tiger. Zur Zeit ist der erfahrene Grandseigneur der Raubtierdressur dabei, eine Gruppe junger Tiere für Medrano zur Manegenreife zur führen. Die beiden Jungtiger beherrschen bereits ein umfangreiches Repertoire, dass sich auch schon ziemlich sicher abrufen lässt. Hochsitzer, Sprünge, Grundzüge einer Pyramide und Teppich gehören ins Programm und werden mit viel Lob und Belohnungshäppchen bedacht.
Den Käfigabbau überbrückt „Mister Slinky“, eine jener kopflosen Röhrenfiguren die vor Jahren häufiger im Circus zu sehen waren.
An den Strapaten produziert sich Wang Yang. Der chinesische Artist gehört seit einiger Zeit dem Circus Medrano an. Sahen wir ihn in der Vergangenheit zusammen mit einem Partner arbeiten, präsentiert er seine kraftvollen Tricks nun als Solist. Die meisten der raumgreifenden Flüge enden mit einhändig gehaltenen Posen.

Bei Medrano folgen die Tierdarbietungen meist in schneller Folge zu Programmbeginn, dies ist dem schnellen reisen mit vielen Eintagesplätzen geschuldet. So bringt denn Marcel Peters die zweite Dressurschule in die Manege. Drei noch nicht ganz erwachsene Kamele im Zusammenspiel mit drei Eseln bedürfen bei ein paar Figuren noch eines führenden Bereiters. Indes lässt sich bereits jetzt erkennen, dass hier in Kürze eine attraktive Exotendarbietung geschaffen sein wird. Das Miniballett, ein Tänzer und eine Tänzerin, in orientalischen Kostümen kommt zum zweiten Auftritt und leitet zur Elefantennummer der Kludskys über.
Charmant präsentiert das Ehepaar in orientalischen Phantasiekostümen Elefantendame Dumba sowie einen kleinen wuscheligen Hund, der in die Nummer integriert ist und für ein wenig Auflockerung sorgt. Der Elefant agiert routiniert und arbeitet flott seine Tricks. Dazu gehört auch der, heute fast nirgends mehr gezeigte, Balkenlauf des Elefanten.

Julia Magic Show nennt sich die folgende Darbietung. Je zwei junge Damen und Herren bringen einige der gängigen Großillusionen zu Gesicht. Den folgenden Netzaufbau überbrückt Jorge Alexis, indem er mit einem überdimensionalen Luftballon mit dem Publikum interagiert.
Die Flying Stars sind eine neue Formation am Flugtrapez. Die drei Herren und eine Dame gehörten vorher anderen Truppen an und haben sich nun zu einer neuen Truppe zusammengeschlossen. Eine größere Anzahl verschiedener Sprünge wird sehr elegant ausgeführt. Dazu gehören gestreckter Salto über die Trapezstange, Doppelter sowie eine Passage.
In der folgenden Pause wird man selbstverständlich wieder mit der Dauerwerbedurchsage beschallt.

Den zweiten Teil eröffnet ein Paar, es handelt sich um ein Mitglied der Diorios mit seiner Partnerin, mit Quick-Change. In eleganten Outfits werden die üblichen Abläufe 'auf komisch' geboten und verleihen der Nummer so ein eigenes Profil.
Nun ist es an Juan Pablo Martinez das Publikum mit zu reißen. Nach Beendigung des Barelli-Weihnachtscircus ist er nun mit seiner rasanten Jonglage bei Medrano zu sehen. Im unmittelbaren Vergleich zeigt sich klar, dass ein opulentes Umfeld und ein erstklassiges Orchester einem Artisten die Arbeit erleichtern.
In aller Ausführlichkeit spielen die Jorge Alexis Clowns ihr Entree. Viel oftmals gesehener Klamauk wird vom gemeinsamen musizieren des Trios umrahmt.
Man kann fast von einer Tradition sprechen, wie so oft ist eine der Motorradkugel der Diorio als Schlussnummer platziert. In mehreren Fahrten jagen bis zu vier Fahrer durch die Kugel und lassen die Zuschauer den Atem anhalten.

Das Finale bei Medrano beginnt mit einer streng choreographierten Flaggenparade der Artisten. Dann folgt ausführlicher kollektiver Tanz zu lateinamerikanischen Rhythmen. Marco Mariani verabschiedet das zufriedene, bis zum Schluss ausharrende Publikum. Nun gilt es, die Besucher flott aus dem Chapiteau zu komplimentieren, auf das die dritte Show des Tages termingerecht ihren Beginn nehmen kann.