Text und Fotos Friedrich Klawiter                                                 
CIRQUE MEDRANO
Amnéville, 21. Juli 2012

www.cirque-medrano.fr
Der Cirque Medrano von Raoul Gibault ist eines der führenden Unternehmen in Frankreich. Lässt man im Winterhalbjahr bis zu vier Einheiten durch unser Nachbarland touren, beschränkt sich deren Anzahl während des Sommers auf ein Geschäft.
Entgegen der Gepflogenheit der meisten französischen Circusse während der Urlaubszeit die Ferienorte entlang der Küsten zu bereisen, ist der Cirque Medrano in kleineren Städten in der Provinz auf Tour. Überwiegend werden Eintagesplätze, natürlich ohne Ausfaller, bei zwei und drei Shows täglich gehalten. Morgens um acht Uhr, direkt nachdem der Konvoi eingetroffen ist, beginnt der Zeltaufbau und am Nachmittag erfolgt die erste Vorstellung.
In Amnéville, rund zwanzig Kilometer nördlich von Metz gelegen und bekannt durch einen der größten Zoos Frankreichs, war der Circus inmitten eines Wohngebietes aufgebaut. Der markante Kassenwagen mit der dekorativen Fassade und ein Sattelzug bilden die Front des Circus. Dahinter strahlt das auffällige, spiralförmig gelb-violett gestreifte Chapiteau in der Sonne. Der große Restaurations-Sattelzug wurde quer davor platziert. Zahlreiche Sattelzüge und Anhänger, allesamt in den Hausfarben weinrot und pink lackiert, sind ringsum aufgefahren. Im hinteren Bereich des Geländes ist die artenreiche Menagerie untergebracht.
Ein zehnreihiges, mit Einzelklappstühlen bestücktes Gradin und zwei Reihen gepolsterter Logenstühle stehen den, an diesem Abend sehr zahlreichen, Besuchern zur Verfügung. Eine große, bis hoch ans Zeltdach reichende Gardine aus rotem, mit Glitzersteinchen besetztem Stoff, bildet den Artisteneingang und zahlreiche LED lassen den Namenszug darauf hell erstrahlen.

Die Show beginnt mit Christian Richter, der als Dirigent gekleidet, das Publikum mit seinen Mitklatsch-Übungen zum Takt der Walzermelodie anwärmt. Weiter geht es mit Live-Gesang einer jungen Frau, ehe Manegensprecher Keoma erstmals in Aktion tritt. Eloquent und versiert moderiert er in angenehmer Weise die Show.
Direktor Carlos Savadra, alias Zorro präsentiert die Cavallerie des Circus. Eine temperamentvoll Hohe Schule, auf einem Friesen geritten, wird von den synchronen Tanzschritten seiner Partnerin Marina begleitet. Mit einigen schwungvollen Steigern unter dem Sattel findet diese Darbietung ihr Ende.
Gleich im Anschluss führt der in Monte Carlo mit einem Clown ausgezeichnete Meisterdresseur einen Sechser-Zug dekorativer fuchsfarbener Araberhengste vor. Souverän und fehlerfrei erfolgen die Abläufe und in seiner einzigartigen, unnachahmlichen Art umtanzt Carlos Savadra die edlen Rösser. Mit einigen temperamentvollen Da Capo-Steigern mehrerer Hengste verabschiedet sich Zorro von seinem Publikum.
In einem kurzen Intermezzo stellt Christian Richter sein „Wunderpferd“ vor, bis sich schließlich des Pudels Kern, im wahrsten Sinn des Wortes, offenbart.
Liam Chue, ein chinesischer Diabolojongleur beherrscht in überzeugender Manier seine Requisiten. Mit großer Selbstverständlichkeit und scheinbarer Leichtigkeit werden viele Tricks des Genres vorgetragen. Mit einem und zwei Diabolos erfolgen die Routinen in hoher Geschwindigkeit und abschließend fliegen deren drei bis hoch unter die Kuppel.

Das große Showballett „La Troupe Samba da Brazil“ gibt dem
Programm des Cirque Medrano Struktur und Zusammenhalt. Die acht Tänzerinnen und Tänzer kommen aus Brasilien und der Ukraine und leiten viele Nummern in phantasievollen, sehr gut zum Thema passenden Kostümen ein. So sehen wir sie zunächst im Sportdress, da ein Fussball-Match Spanien gegen Frankreich ansteht. Michaels Boxerhunde jagen mit Begeisterung, Temperament und vollem Einsatz den Luftballons hinterher. Für erstklassige Atmosphäre sorgt „Stadionsprecher“ Keoma, der die lebhaften, mit vollem Körpereinsatz ausgeführten Aktionen gekonnt moderiert. Die Besucher ihren Spaß und speziell das junge Publikum unterstützt die Teams. Selbstverständlich siegt Team Frankreich nach Elfmeter mit 3:2.
Mazzo, ein osteuropäischer Luftartist, präsentiert sein Können in und am Netz. Im Stil der modernen ukrainischen Schule erfolgen die Evolutionen hoch unter der Kuppel. Es soll die einzige Luftdarbietung in diesem, von Tierdarbietungen dominierten Programm bleiben.
Gleich im Anschluss geht es zunächst wieder in die Luft, da Christian Richter die verhinderte „Königin der Luftakrobatik“ am Vertikalseil vertreten muss. Alsbald wird diese Arbeit von einem „entwischten“ quirligen Terrier „gestört“. Er hat sich das Seil als Gegner, den es zu erledigen gilt, erkoren. Immer wieder springt er nach dem pendelnden Seilende, verbeißt sich darin und fliegt lange hoch und weit durch die Luft. In das turbulente Treiben der Familie Richter und ihrem Vierbeiner ist auch Manegensprecher Keoma eingebunden.

Direktor Carlos Savadra und seine Partnerin sind ein weiteres Mal in der Manege zu erleben. Nun präsentieren sie mit Schwung und Charme die Bauernhoftiere des Circus. Zwei große Kühe zeigen im Zusammenspiel mit drei Wollschweinen neben verschiedenen anderen Lauffiguren den Gegenlauf. Walliser-Ziege, Gänseschar und ein Minipony, dass die auf Tonneaus stehenden Rinder umrundet und Barriensprünge bietet, dürfen natürlich nicht fehlen.
Groß angelegt ist die Darbietung der beiden indischen Elefanten des Cirque Medrano. In stilechten aufwändigen „thailändischen“ Kostümen tanzt das Ballett, ehe die beiden grauen Riesen die Manege mit ihrem Vorführer Ahmed Loyal erobern. Eine höchst umfangreiche Trickfolge bieten die mit Figurantinnen besetzten Dickhäuter in hohem Tempo. Umfangreiche Laufarbeit und akrobatische Tricks, u. a. Hochsitzer eines Elefanten sowie Rüsselspagat einer Figurantin werden genauso sicher ausgeführt, wie Szenen aus dem Alltag asiatischer Arbeitselefanten.
Mit der Equilibristik-Darbietung von Sergej Barishnikov geht der erste Programmteil zu Ende. Kraftvoll produziert sich der Artist an einer ca. zwei Meter hohen, frei stehenden Metallstange. Zahlreiche Handstand auf und Absteher an der Stange erfolgen in perfekter Haltung, wobei die Posen lange gehalten werden.

Tom Dieck präsentiert derzeit die fünf Tiger des Cirque Medrano. Ruhig und routiniert lässt der erfahrene Dompteur die verschiedenen Tricks ausführen. Pyramide, verschiedene Hochsitzer, Roll over und Balkenlauf gehören neben anderem zum Repertoire.
Christian Richter überbrückt den Käfigabbau, indem er in seinem auflasbaren Kostüm durch die Manege tanzt.
Die Salvini Clowns präsentieren mit viel Spielfreude ihre Version des Kunstschützen-Entree. August Gino, der einen Luftballon über seinen Kopf halten soll, lässt natürlich viele vorzeitig den Weg aller Dinge nehmen. Die Kinder gehen begeistert mit und kreischen vor Vergnügen. Mit stimmungsvollem gemeinsamen musizieren auf Saxophon und Xylophon verabschieden sich Weißclown und August.
Juan de la Cruz Gutierrez Gonzalez begeistert mit seiner erstklassigen Papageien-Revue. Acht Aras und einige kleine Sittiche gestalten den faszinierenden Auftritt. So schiebt unter anderem ein Ara einen Minieinkaufswagen, in dem zwei kleine Sittiche Platz genommen haben. Eine Flagge wird gehisst, Rollschuh gelaufen und Roller gefahren. Beeindruckend sind die vielen langen, etliche Runden andauernden Flüge der Aras über den Köpfen der Zuschauer. Bis zu vier Vögel sind gleichzeitig in der Luft und kehren einzeln nacheinander auf Zuruf auf die Schulter ihres Vorführers zurück.
Los Hermanos Rodríguez, Jonathan Josué und Juan Alejandro, aus San Salvador sind Ikarier der Extraklasse. Die Brüder bieten eine Vielzahl an schwierigen, selten zu sehenden Tricks, die allesamt in hohem Tempo perfekt ausgeführt werden. Natürlich verkaufen sie ihre herausragende Darbietung im Stile obercooler Latino-Machos.
Das Ballett zaubert in glitzernden Kostümen, die dank LED-Technik leuchten, Las Vegas in die Medrano-Manege und startet so das große Finale. Wie stets bei Medrano, vereint eine fröhliche Choreographie noch einmal alle Mitwirkenden und das Publikum dankt für das Gebotene mit reichlich Applaus.
Das an Dressurnummern reiche Programm bringt Spezies in enormer Vielfalt zu Gesicht, ohne die beiden anderen Elemente des klassischen Circus - Akrobaten und Clowns - zu vernachlässigen. Die einzelnen Nummern, die allesamt gute Leistungen bieten, werden dank des professionellen und häufig auftretenden Balletts zu einer szenisch gestalteten, durch eine stimmige Lichtregie unterstützten, Show vereint, die bestens unterhält. Dies ist umso beachtenswerter, als der Aufwand unter hohem Zeitdruck mit fast täglichen Platzwechseln erfolgt.
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