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Text und Fotos Friedrich Klawiter
FESTIVAL INTERNATIONAL DU CIRQUE DE NAMUR
Namur, 01. November 2022

www.festival-cirque-namur.com
Endlich, nach zwei Jahren erzwungener Pause, war es Impresario Emmanuel Horwood wieder möglich sein großes Circusfestival in der wallonischen Metropole Namur durchzuführen. Die 17. Ausgabe bot erneut ein abwechslungsreiches und hochkarätig besetztes Programm. Wie stets entschied das Voting der Besucher über die Vergabe der Preise.
Erstmals in der Historie der Veranstaltungsreihe konnten die Zeltanlagen nicht auf der „Esplanade de Citadelle, dem angestammten und exponiert gelegenen Circusplatz der Stadt installiert werden. Daher wurde in diesem Jahr auf eine Brachfläche neben einem Kinocenter ausgewichen. Am Vortag unseres Besuches fegte ein starker Herbststurm über  die Stadt an der Maas hinweg, der das Außengelände des Circus in Mitleidenschaft zog. Zäune und Fahnen waren umgestürzt und der rote Teppich, der von der Straße bis zur Circusfront führte, weggeweht. Die großen bunt bemalten Leinwände, die die Fassade bilden, waren entfernt worden. Über die Jahre hatte man Zeltanlagen von unterschiedlichen Circussen angemietet und nun war es erstmals der schwedische Circus Brazil Jack, der das technische Equipment zur Verfügung stellte. Hoch ragen die vier runden Stahlmasten über das rot und gelb gestreifte Chapiteau mit der lang gestreckten Kuppel empor und das Vorzelt zeigt sich im gleichen Design. Zahlreiche Wohn- und Materialwagen sowie Campings sind neben dem Pferdestall auf dem Gelände in Reihen aufgefahren.
Das Innere der Zelte atmet sehr viel Atmosphäre, der Boden ist mit rotem Teppich bedeckt und zahlreiche großformatige Abbildungen zeigen Artisten früherer Editionen. Ein Tonnendach-Verkaufswagen nimmt eine Zeltseite ein und gegenüberliegend sind weitere Verkaufsstände und sowie eine Champagnerbar eingerichtet.
Leicht nostalgisch und heimelig kommt das Spielzelt daher. Runde Stahlmasten, Sturmstangen, Leuchtpiste, blaue Zeltplane mit roter Gurtung und ein Artisteneingang mit Musikerpodium obenauf finden Ergänzung in einem achtreihigen Schalensitzgradin und gleichfalls ansteigenden dreireihigen Logen.
Die perfekt eingesetzte Lichtanlage zeigt sich auf Höhe der Zeit und das
Orchester unter der Leitung von Rafael Wojaczek, das die Show größtenteils live begleitet, unterstützen die auftretenden Artisten in vorzüglicher Weise. Die Regie lag in den bewährten Händen von Trolle Rhodin, der auch für das ausgezeichnete Lichtdesign verantwortlich zeichnete.

Emmanuel Horwood übernahm wiederum bei seinem Festival die Rolle des „Monsieur Loyal“. In eloquenter Weise stellte er die Artisten vor und verstand es ausgezeichnet, dem Publikum zahlreiche interessante Informationen nahezubringen.
Einen equestrichen Leckerbissen und ein Highlight der Show
unverständlicherweise mit keinem der zahlreichen Preise ausgezeichnet – wurde gleich zu Beginn geboten. Chefdresseur Robert Stipka jun. präsentierte acht braune  Araberhengste des Circus Louis Knie in einem formidablen Ablauf. Perfekt folgen die jungen Pferde den sparsamen Zeichen des erfahrenen und versierten Dresseurs. Ohne Fehler und ohne Hilfe von weiteren Bereitern erfolgen auch in anspruchsvollsten Figuren in exzellenter Manier und souverän lässt Robert Stipka jun. andernorts nur sehr selten zu sehende Lauffiguren ausführen. Ein erstes Da Capo sieht zwei Korbpferde in temperamentvoller, völlig synchron ausgeführter Aktion. Dann folgen eine Reihe feuriger unterschiedlicher und hervorragend ausgeführter Steiger.
Die zweite Darbietung mit Tieren bringt Peter Balder im zweiten Teil des Programms zu Gesicht. Vier Hunde verschiedenster Größe zeigen sich verspielt, schauspielerisch begabt und demonstrieren ein ums andere Mal ihr großes Sprungvermögen.

Luftakrobatik im Netz zeigt Susann Jasters in Vollendung. Elegant und charmant erfolgt eine Vielzahl der Tricks des Genres und mit weiten Flügen füllt die sympathische Artistin die Zeltkuppel.
Auf Circus typische Clowns wurde bei der diesjährigen Ausgabe des renommierten Festivals verzichtet, stattdessen wurde die Sparte Humor mit Kenneth Huesca und den Brüdern Wolf besetzt.
Ventriloge Kenneth Huesca ist hierzulande von vielen Engagements bestens bekannt und kommt auch beim französischsprachigen Publikum bestens an. Sowohl sein Dialog mit seiner Puppe als die Interaktion mit drei Besuchern werden lauthals bejubelt.
Die Wolf Brothers, sie errangen den silbernen Preis des Festivals, sind in vier Szenen zu erleben. Zunächst treten sie im Schottenlook als Kascadeure in Erscheinung. Eine Planke und ein Tisch sind die Requisiten um die sie ihre Action aufbauen. „Torro oh weh...“ heißt es im zweiten Auftritt, in dem sie als kühner Matador und als Flamencotänzerin und auch als Stier zu erleben sind. Kraft- und Schleuderbrettakrobatik im Stil der „Alten Kameraden“ sind Thema und Inhalt der beiden weiteren Szenen im zweiten Programmteil.

Fulminante Handstandequilibristik bietet Alexander jun. auf dem hohen Piedestal. Vielseitige Handstandfiguren und Waagen arbeitet der zwanzigjährige Artist, der den dritten Preis errang, in exzellenter Ausführung. Ein gewagter Klötzchen-Sturz ist einer der herausragenden Tricks seiner Kür. Zum Höhepunkt seiner Evolutionen zeigt er einen gekonnten Einarmer auf der Spitze einer hoch aus dem Piedestal ausgefahrenen Stange.
Vor der Pause ist der Splitting Globe of Death der Truppe Diorios, sie sind die Sieger des Festivals, zu erleben. Mit bis zu fünf Fahrern werden die rasanten und riskanten Manöver in der Stahlgitterkugel ausgeführt. Loopings und Fahrten auf kreuzenden Wegen gehören genauso dazu, wie Runden im abgedunkelten Zelt, nur im Schein der an den Maschinen befestigten LED-Schnüre. Ungläubiges Staunen und lebhafter Applaus begleiten schließlich die finale Fahrt im weit geöffneten Globe.

Ebenso spektakulär wie der erste Teil endete startet der zweite. Denis Ilchenko, als „stärkster Mann der Welt“ annonciert, demonstriert seine Kraft und sein Können. Die Jonglage mit drei Pkw-Reifen ist der spielerisch wirkende Auftakt des Auftritts. Eine Metallstange biegt er mit Hilfe seines Gebisses zu einem großen „U“. Die Anstrengungen vergrößern sich deutlich als es gilt, einen großen SUV nur mit Kraft seiner Zähne quer durch die Manege zu ziehen. Eine Stange mit zwei Schaukel daran wird in Art eines Joch geschultert und mit vier Assistenten darauf setzt Ilchenko das Gebilde als Karussell in Bewegung. Zum Höhepunkt seiner Übungen lässt sich der Artist von dem zuvor gezogenen SUV überrollen. Flache Rampen ruhen beidseitig auf dem Oberkörper von Denis Ilchenko und über diese fährt das schwere Auto mit beiden Rädern einer Seite.
Steacy Giribaldi und Mikhail Serdioukov Milla erzählen als „Duo Melancolia“ eine Liebesgeschichte in der Circuskuppel. An den Strapaten präsentiert das Duo eine umfassende Abfolge attraktiver und spektakulärer Tricks, die voller Emotionen, Charme und mit Risikobereitschaft ausgeführt werden.

Angekündigt als „Special Guests“ - an Stelle der auf der Website genannten Truppe Alexander – war in der besuchten Show die Formation „White Gothic“ als Final-Darbietung zu erleben. Die vier Modellathleten bieten hochkarätige Hand-auf-Hand Akrobatik in Bestform. Die anspruchsvollen, kraftvoll und elegant ausgeführten Tricks werden vom sehr zahlreich erschienenen Publikum lautstark bejubelt.
Im kurz gehaltenen Finale stellt Direktor Emmanuel Horwood seine Artisten noch einmal vor und verspricht die Neuauflage der Veranstaltung
dann wieder am angestammten Platz und verabschiedet das sehr zahlreich erschienene und restlos zufrieden gestellte Publikum.