Text und Fotos: Friedrich Klawiter
CIRCUSFESTIVAL von NAMUR
Namur, 06.Oktober 2010
Zum sechsten Mal veranstaltete Impressario Emmanuel Horwood sein Festival in Namur. In jedem Jahr wurde die stimmungsvolle Veranstaltung, die inzwischen eine feste Größe im Veranstaltungskalender der Stadt ist, ein wenig größer schöner und besser. Getreu diesen Vorgaben wurde auch in diesem Jahr verfahren und das Festival von Namur bot ein Superprogramm in wiederum vergrößertem Rahmen.

In den ersten Jahren stellte der Moscou Star Circus der Familie Jarz das Equipement, während im vergangenen Jahr die größeren Zelte des Circus Skratt eingesetzt wurden. Nun wurden die rot-gelben Zelte von Arena auf der Esplanade der Zitadelle von Namur aufgebaut. Hierbei handelte es sich nicht um Zeltanlagen die für die Galasaison in Frankreich eingesetzt werden, sondern um das Material, mit dem der Circus Arena die Saison in Dänemark bestritten hatte. Die Gestaltung des Außenbereiches hält sich in engen Grenzen, so wird auf Lichterketten u. Ä. vollkommen verzichtet. Das Vorzelt ist dagegen im Innern gemütlich hergerichtet. Mit Circusmotiven bedruckte Spannbahnen zieren die Rundleinwände, mit rotem Teppich ausgelegter Holzboden und eine interessante sich drehende Riesenleuchte bieten den Rahmen für den Restaurationswagen, weitere Stände und eine Kindereisenbahn.
Das große Chapiteau zeigt die gewohnte, ein wenig kühle Arena-Optik. Ein komplett mit rotem Stoff bespannter Artisteneingang mit einer Orchesterbühne obenauf, feine Logen mit Veloursbezug auf den gepolsterten Stühlen und einem dreizehnreihigen Schalensitzgradin hinter dem breiten Gang.

Erstmals gibt es in diesem Jahr Livemusik bei dieser Veranstaltung. Vier versierte Musiker begleiten die Vorstellung zu größten Teil live und tragen mit erstklassigem Sound sehr zum Gelingen der Show bei. Ebenfalls zum ersten Mal wurde ein Ballett verpflichtet. Zu Programmbeginn, nach der Pause und zum Finale führen sie ihre Formationen vor. Die fünf jungen Mädchen sind Mitglieder einer örtlichen Fastnachtsvereinigung und ihren Auftritten ist die Herkunft aus dem Amateurlager anzumerken.

Das Ballett leitet die Jongleurnummer von Roby Berousek ein. Ohne die kleinste Unsicherheit werden die Tennisschläger in immer wieder neuen Mustern jongliert. Diese rasante und stimmige Präsentation ist der richtige Einstieg ins Programm und lässt das Publikum gleich mitgehen.
Monsieur Horwood lässt es sich nicht nehmen, bei seinem eigenen Festival als 'Monsieur Loyal' zu agieren. Charmant und souverän meistert er diesen, in französischen Circussen wichtigen Part.

Eine sympathische unverwechselbare Clownsfigur verkörpert Jimmy Folco in seinen Reprisen. Zunächst zeigt er eine eigene Variante des 'verbotenen musizierens'. Von einer strengen Stallmeisterin, seine Frau Claudia Ollas verkörpert diese Rolle, wird ihm das Spiel mit einer Marionette mehrfach verboten. Anstelle des Radios wandert diese in die Mülltonne, aus der zur allgemeinen Überraschung sein kleiner Sohn erscheint. Natürlich präsentiert er auch die Klassiker seines Repertoires – vier Zuschauer/In werden im Crashkurs zur Rockband ausgebildet und seine Jonglage in Kochuniform mit den entsprechenden Requisiten darf auch nicht fehlen. Zudem kämpft er, in einem XXL-"Badezuber" einsam aber siegreich mit dem weißen Hai.
Die Sparte Humor war in diesem Programm vielseitig und hochkarätig besetzt. So sorgte Max Weldy mit hervorragend verkaufter Akrobatik auf, unter, über und neben dem Trampolin für Heiterkeit. Leicht und natürlich wirken die Kaskaden und die „kleinen Unfälle“ die an dem chromblitzenden Sprungturm ablaufen. Harmonisch und ungekünstelt folgen die Gags aufeinander und fügen sich in den Ablauf. Seine erstklassige Darbietung kann mit Fug und Recht als das Maß der Dinge in diesem Genre gelten.
In wiederum anderem Stil arbeiten die Frère Taquin. Die belgischen Starkomiker brillieren mit ihrer Ausgabe des 'Automaten-Menschen' auch in diesem Rahmen. Hervorragende Maske und exzellente Körperherrschung der „Tanzpuppe“ gepaart mit viel komödiantischem Talent und Spielfreude des Partners geben der Nummer ihr Flair.

Kim Kenneth und seine Partnerin Jessica Caveagna waren erneut mit ihrer Magic-Show in Namur vertreten. Gegenüber ihrem Auftritt beim letztjährigen Festival boten sie eine komplett neue Auswahl an Großillusionen.

Das Festival von Namur bietet seit Anbeginn ein klassisches Circusprogramm in dem die typischen Dressurnummern stets vertreten waren. In diesem Jahr erlebten wir erstmals ein „pferdefreies“ Programm.
Die Seelöwen von Ingo Stiebner waren als erste tierische Akteure in der Manege zu sehen. Es ist jedes Mal aufs Neue höchst erfreulich und faszinierend dieser außergewöhnlichen und hochkarätigen Dressurdarbietung bei zu wohnen. Scheinbar völlig selbständig führen die beiden Robben ihre Tricks aus und arbeiten dabei mit einer nur selten zu sehenden Präzision. Den „Kopftrick“, bei dem Ingo Stiebners Gesicht im Maul des größeren der beiden Seelöwen verschwindet, gibt es andernorts nicht zu sehen.

Pat Clarrison' s „Hotdog' s“ wirbeln, allen voran der Vorführer, durch die Manege. Netter Gag die Requisiten in Form es Hotdog-Karren zu verpacken.
Die Raubtierdressur von Soara und Redi Christiani wird zur Zeit mit sieben Tigern gezeigt. Ruhig und souverän lässt der erfahrene Dompteur die Tricks ablaufen. Es handelt sich um eine ausgewogene harmonische Folge oft zusehender Tricks – u. A. Pyramide, Teppich, Sprünge, Hochsitzer. Nur der Umfang der Darbietung fällt ein wenig knapp aus.
Vierte und letzte Tiernummer ist, wieder einmal bei diesem Festival, die Elefantendressur von Amedeo Folco. Arbeitete der Dompteur im letzten Jahr mit zwei Elefanten im Zusammenspiel mit zwei Pferden, gab es aktuell einen Soloelefanten. Marissa Biasini-Berousek wirkte als Figurantin mit und verlieh der durchaus attraktiven Präsentation noch mehr Glanz.

Die Antipoden von Jan Navratil waren schon in vielen Manegen, zuletzt während diesen Jahres bei Louis Knie, zu sehen. Flott und sicher werden die Rollen und Walzen jongliert. Die meiste Spannung kommt natürlich auf, wenn er einen Ball über die Etagen eines leiterartigen Gestells nach oben in einen Korb bugsiert.
Den artistischen Höhepunkt bietet direkt vor der Pause die Raketensensation der Garcias.
Verhalten erwartungsvoll blickt das Publikum in die Manege, in der zwei Helfer in Nebel gehüllt die Tragseile des blinkenden Monstrums einhaken und es sich feuerspeiend in Bewegung setzt. Die ungesichert vorgetragenen, mit Risiko behafteten Tricks der beiden kommen auch in diesem Umfeld ausgezeichnet an. Einmalig ihr Abschluss, zu dem Pablo nur mit zwei Metallknöpfen unter den Schuhen an der Rakete eingehakt, seine Frau Vicky Fossett im Nackenhang voll ausdreht.

Das Finale in Namur ist seit jeher recht kurz aber durchaus stimmig gehalten. Eine aufwändige Choreographie mit vielen Zugaben zu etablieren macht für ein nur wenige Tage laufendes Programm auch nicht wirklich Sinn. Das Publikum in Namur wirkte in allen Vorstellungen die wir in dieser Stadt, auch in anderen Circussen, gesehen haben ein wenig tröge, so dass der Applaus nicht unbedingt als Gradmesser für Gefallen gelten kann.  Von der Möglichkeit zur Abgabe von Stimmzetteln – nur diese entscheiden inzwischen über die Preisvergabe – wurde indes intensiv Gebrauch gemacht.
Inzwischen steht die Preisverteilung für die diesjährige sechste Ausgabe des Festivals fest. Max Weldy mit seinem 'komischen Trampolin' bekam die meisten Stimmen und die goldene Trophäe, den Silberrang belegten die belgischen Lokalmatadoren Frère Taquin.
Ein wenig überraschend nur mit Bronze dekoriert wurden die Garcias.
Auch zwei Sonderpreise werden alljährlich ausgelobt. Den 'Prix Kiwanis' erhielt dieses Mal Ingo Stiebner und den Preis der Stadt Namur durfte Jan Navratil entgegen nehmen.
optimiert