Text und Fotos Friedrich Klawiter                                                 
CIRQUE D' HIVER BOUGLIONE
CIRCUS ON ICE
Paris, 15. Dezember 2012

www.cirquedhiver.com
„Bouglione – le Rois du Cirque“ lautet ein Slogan des Hauses Bouglione und in diesem Winter wurde seine Berechtigung wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Vier verschiedene Weihnachtscircus-Shows wurden auch in dieser Saison auf die Beine gestellt.
In der Vorstadt Nanterre waren im Park André Malraux wieder die großen weißen Zeltanlagen aufgebaut. Vor dem fabrikneuen Chapiteau stand das passende, sehr hohe Vorzelt und ein flacher Sechsmaster war für die Galaveranstaltungen installiert.
Der große Restaurationswagen beherrscht das Innere des mit einem Holzboden versehenen Vorzeltes. Die Seiten sind mit großen Postern, die Artisten der letzten Jahre zeigen, dekoriert.
Das Chapiteau bietet rund dreitausend Besuchern Platz. Drei Logenreihen edler Polsterstühle werden von fünfzehn Reihen Einzelklappsitze auf dem Gradin gefolgt. Die obersten Reihen des Gradins sind mit Holzbänken ausgestattet. Die Optik des mehrteiligen Artisteneingangs orientiert sich an dem des Cirque d' Hiver. Roter Samt und goldene Verzierungen sind die bewährten Gestaltungselemente. Das hervorragende achtköpfige Orchester hat seinen Platz unter dem Baldachin auf dem Artisteneingang. Große moderne, wie riesige Eiszapfen wirkende Kristall-Leuchter strukturieren den Luftraum.  An Stelle der Manege ist eine quadratische Eisfläche, die an der Rückseite bis hinter die Gardine verlängert wurde, im Zentrum des Chapiteau angebracht. Die Oberkante dieser Fläche liegt etwa mit den Logenbrüstungen auf einer Höhe.

Traditionell beginnen die Bouglione-Vorstellungen mit dem „Valse lumineuse“. Zur bekannten Arie aus „La Traviata“ werden von Animateuren auf der Piste Leuchtstäbe, für deren Erwerb zuvor kräftig geworben wurde, im Takt der Musik geschwungen und im Gradin tut man es ihnen gleich.

Das Orchester ist eine Klasse für sich, begleitet die gesamte Show kraftvoll, treibend und absolut stimmig. Zu einigen Passagen des Programms lässt eine Sängerin ihre Stimme erklingen. Die Gestaltung des Lichts  - besser kann man es kaum machen.

Der „Circus on Ice“ wird auf der einen Seite von Circusartisten mit ihren Nummern, diese arbeiten auf einem großen Teppich und tragen zudem Spikes unter den Schuhen um sicheren Stand zu haben, und andererseits von den zehn Ballettmitgliedern auf ihren Schlittschuhen gestaltet.
Alle möglichen Varianten des Eiskunstlaufs werden höchst professionell geboten. Solisten glänzen mit beeindruckenden Sprüngen und Pirouetten, Paarläufer mit hervorragenden Hebefiguren und völligem synchronen Aktionen. Das ganze Ensemble interpretiert gekonnt immer wieder neue Choreographien und überrascht in den zahlreichen Auftritten mit immer wieder neuen, phantasievollen Kostümen. Einerlei ob als Clowns, in Glamour-Outfits a la Las Vegas, in Pettycoats, als Grusel-Gestalten oder in russischer Folklore Aufmachung, stets sind Szenen stimmig, phantasievoll und von optimaler Länge. Die Artisten und Eiskunstläufer treten in stetem Wechsel auf. Dank der erstklassigen Regie verbinden sich die einzelnen Elemente zu einer harmonischen Show.

In strahlend bunten Clownskostümen startet das Ballett die Show. „Madame Loyal“ Arta Sosnowski-Danetto, ganz klassisch im eleganten roten Frack ihrer Zunft, begrüßt eloquent und charmant die Besucher und gibt die Spielfläche für Helena Kaiser frei. Temperamentvoll jongliert die attraktive tschechische Artistin mit Fußbällen. Zunächst hält sie einen Ball mit Fuß, Schulter und Kopf in der Luft. Dann folgen routiniert ausgeführte Muster mit drei, vier und fünf Bällen.
Anschließend sehen wir die erste der zwei Dressurdarbietung des Programms. Vladimir Olandar und seine weißen Perserkatzen begeistern mit ihren vielfältigen Tricks das Publikum. Sie sitzen auf der Hand ihres Vorführers hoch, wandern über seine Schultern, springen durch Reifen, laufen über Balken und Flaschen, springen aus mehreren Metern Höhe in die Arme von Vlad Olandar. Einen für uns neuen Trick beinhaltet die temperamentvolle Darbietung – eine Katze erklimmt einen Mast und löst mit der Pfote einen Kontakt aus, woraufhin sich eine Fahne entrollt.
Als klassisches Clowntrio sind die Balders mehrfach präsent. Auf Kostümpferd und -strauß reiten sie eine „Hohe Schule“ mit überraschendem Ausgang. August „Franky“ stellt, mit einem Fässchen auf dem Arm, die Frage „welches Getränk ist das“? Nach dem viele alkoholische Varianten verneint wurden, lüftet er das Geheimnis und fördert seinen kleinen Hund zutage. Im großen Entree drehen die drei Brüder unter dem Kommando des Weißclowns einen Wildwestfilm. Turbulent geht es im Saloon zu, bis sich die Protagonisten mit gemeinsamem, temperamentvollem Trompetenspiel von ihrem Publikum verabschieden.

Das Trio Larus bietet mit seiner Adagio-Akrobatik den artistischen Höhepunkt des ersten Programmteils. Auf dem glitzernden Untergrund mit hervorragendem Licht einmalig in Szene gesetzt, sind die Bewegungen und Posen des „goldenen“ Trios um ein vielfaches eindrucksvoller als ohnehin schon in der Manege. Scheinbar ohne Anstrengung erfolgt die Ausführung der anspruchsvollen und kraftzehrenden Tricks. Besonders beeindruckend, mit welch scheinbarer Leichtigkeit eine der beiden Frauen ihre Rolle als Porteurin wahrnimmt.
Die beiden mächtigen Seelöwen der Familie Pedersen zeigen ihr umfangreiches Repertoire an attraktiven Tricks in aller Ruhe und Souveränität. Sie küssen ihre Vorführerin, fangen Ringe, balancieren geschickt Bälle und tragen die junge Dompteurin auf der Schnauze. Sichtlich wohl fühlen sich die vier Pinguine, die in einem Wägelchen hereingefahren, gleichfalls zu der Darbietung gehören. Eine Kinderrutsche ist so aufgestellt, dass die „Frackträger“ beim benutzen auf dem Eis landen und dort noch ein Stück auf dem Bauch weiterschliddern. 
Chloe Gardiol ist es vorbehalten die weite Kuppel des Chapiteau zu füllen. Ihre Kür am Ringtrapez, zu romantischer Musik, beinhaltet viele weite und lange Flugsequenzen. In mystisches blaues Licht getaucht schwebt die attraktive Artistin schwerelos durch den Raum. Starke akrobatische Tricks, z. b. Nackenhang, Zehenhang an einem Fuß; ergänzen in idealer Weise die ungesichert vorgetragenen Abläufe.

Pierre Marchand ist der umjubelte Star des Programms. Von seinem langjährigen Vertrag mit dem Lido de Paris eigens für die Bouglione-Shows in Nanterre freigestellt, begeistert der charismatische Jongleur mit seinen Künsten. Mitreißend verkauft er, der über enormes Showmanship verfügt, seine Tricks. Fehlerfrei und in höchstem Tempo erfolgen selbst die anspruchsvollsten Routinen. Bis zu drei Diabolos werden zur gleichen Zeit mit traumwandlerischer Sicherheit manipuliert.
Das Finale bietet dem Eisballett nochmals einen großartigen Auftritt. Rot-weiße Kostüme, die von Weihnachtsmann-Outfits inspiriert sind, sind um einen riesigen Schulterputz weißer Federboas mit Leuchtelemente darin, ergänzt. Alle Artisten nehmen ihren Platz in der abschließenden Formation ein, „Papa Noel“ darf in seinem Schlitten natürlich nicht fehlen und mit Standing Ovations feiern die restlos begeisterten Gala-Gäste eine großartige Show und deren Protagonisten. Man hat im Hause Bouglione eine ideale Mischung aus Eislauf- und Circusattraktionen gefunden und zu einer ausgewogenen Einheit, in der nichts aufgesetzt wirkt, vereint. Die perfekte Präsentation mit vorzüglicher Musik und ebensolchem Licht tut ihr Übriges dazu, die für rund drei Wochen Spielzeit geschaffene Komposition zu einer grandiosen Show werden zu lassen.  
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