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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE NICOLAS BOUGLIONE
Lüttich, den 09. April 2022

www.bouglione.be
Nicolas Bouglione hat sich Anfang diesen Jahres dazu entschlossen, gemeinsam mit seiner ihn tatkräftig unterstützenden Frau Ofelia, mit eigenem Unternehmen im  französischsprachigen Landesteil – der Wallonie - Belgiens zu reisen. Eleganz, Esprit, Stil, Charme und Können prägen dieses neugeschaffene Circus-Juwel und reißen das zahlreich erschienene Publikum zu wahren Beifallsstürmen hin.
In Rocourt, einem Vorort von Lüttich – dem kulturellen Zentrum der Wallonie –  gastiert der Circus in Cooperation mit dem Handelsriesen Cora, der an diesem Standort derzeit sein 50-jähriges Jubiläum feiert.
Der Circus ist auf dem Parkplatz des Einkaufszentrums aufgebaut. Ein quadratisches blau-gelbes Chapiteau, das Nicolas aus den umfangreichen Beständen seines Vaters übernommen hat, bildet die Spielstätte. Auch viele der gepflegten Fahrzeuge, die in dichten Reihen rings um das Zelt aufgefahren sind, tragen noch dessen Namenszug. Der nostalgische Oberlicht-Kassenwagen ist das Highlight in der Front und findet seine ideale Ergänzung im blauen Stakettzaun, der mit großen glitzernden goldfarbenen Reliefs von Elefanten und Steigerpferden verziert ist. Zwei liebevoll und aufwändig restaurierte historische Circuswagen und eine chromglänzende, 50er-Jahre US Kenworth-Zugmaschine sind die Farbtupfer im ansonsten modernen, aus cremefarbenen Volvo Zugmaschinen, ebensolchen Sattelaufliegern und großen Mobilheimen bestehenden Fuhrpark. Das liebevoll gestaltete Oldtimer-Werbeauto des Circus sorgt in der nahen Shopping Mall für Aufmerksamkeit.
Echte Circus-Atmosphäre pur herrscht im Chapiteau, dies ist den vielfach verwendeten Farben rot und gold zu verdanken. Drei gerade fünfreihige Tribünen bilden das Gradin, das entlang der Zeltseiten aufgestellt ist. Die Fronten der Logen werden von großen erhabenen Elefantenköpfe,  Plaketten, die ein verschnörkeltes „B“ zeigen, geprägt. Auf den seitlichen Trennwänden der Logen wachen Pantherfiguren über der üppigen Ornamentik. Die Piste strahlt in rot mit goldfarbenen Bordüren. Der antike Artisteneingang aus rotem Samt wird von reich verzierten Holzblenden eingerahmt und passend dazu sind die Licht- und Tonregie in einem antiken Kassa-Häuschen, das seinen Platz zwischen den Tribünen hat, untergebracht.

Direktor Nicolas Bouglione macht seinem Ensemble, mit Nachdruck, ein großes Kompliment. Er habe „die beste Compagnie beisammen, die man sich nur wünschen kann“. Mit großem Einsatz und Arbeitseifer hat die komplette Crew den planmäßigen Saisonstart gerettet, da man – wie derzeit so viele Circusse – fast keine Zeltarbeiter finden konnte. Einen besonderen Dank richtet Nicolas Bouglione an Tonito Alexis, der nicht nur in der Manege als Clown glänzt, sondern auch viel Schweiss und Herzblut in die Regie der Show, in das effektiv unterstützende Lichtdesign und in die Musikauswahl investierte und somit maßgeblich für das tolle Showerlebnis verantwortlich ist.

In großen Scharen drängen die Besucher an diesem Nachmittag in den Circus und etwa zur Mitte der Einlasszeit stolpert ein junger, ein wenig unbeholfen wirkender Mann in einer grauen Strickjacke ins Zelt. Beim Versuch eines Selfie vor der Manege rempelt er Besucher an, stolpert auf einer Treppe und verteilt dabei Popcorn über die Umsitzenden und findet sich schließlich in der Manege wieder. Hier steuert er unmittelbar auf Schminkutensilien und Kostüm zu und zum Vorstellungsbeginn hat sich der tollpatschige Gast in Clown Tonito Alexis verwandelt.

Mario Ruttelli, ein ausgebildeter Opernsänger, hat die Rolle des Monsieur Loyal inne und stimmt im Opening mit dem Song „Cabaret“ gekonnt auf das Kommende ein.
Davide Roberts (Gallingani) eröffnet die Spielfolge mit temperamentvoll ausgeführten Tellerjonglagen. Zunächst werden Teile eines Grillbesteck und „Pizzen“ als Requisiten eingesetzt. Nun wechselt der Jongleur zu den Tellern und setzt in rascher Abfolge acht Stück auf den Stäben in Rotation. Im weiteren Verlauf sehen wir den versierten Artisten auf der Rola Rola agierend wieder. Die in hohem Tempo ablaufende Nummer beinhaltet zahlreiche attraktive Tricks des Genres, die allesamt sicher ausgeführt werden. Zum Höhepunkt des Auftritts erfolgt die Balance auf zwei Rollen und vier Zwischenlagen.
Mit einer formidablen Hula Hoop Darbietung erleben wir Marine Durand Rech. Die charmante junge Frau arbeitet eine Reihe selten zu sehender Tricks in erstklassiger Ausführung. Mit großer Manegenpräsenz begeistert sie ihr Publikum und manipuliert die Ringe mit großer Geschicklichkeit.
Den zweiten Teil der Show eröffnet sie mit einem furiosen Tanz auf dem Seil. Vielseitige Schrittfolgen wechseln mit verschiedenen Balanceposen in lockerer Folge ab. Gekonnt und mit sehr viel Schwung präsentiert die Artistin sich und ihr Können und legt während des gesamten Auftritts keine Pause auf den Podien ein. Schließlich schlüpft sie in Ballettschuhe und absolviert die letzte Bahn im Spitzentanz.

Die Clowns Tonito Alexis und Rony, er ist seit Jahren unverzichtbarer Bestandteil der Bouglione Programme, sind der Rote Faden der Show. Die beiden von Statur recht unterschiedlichen Partner ergänzen sich perfekt. Mit Ausstrahlung und großem komödiantischem Können werden die verschiedenen Reprisen gebracht. Man spielt zusammen Musik, Tonito zeigt sich als geschickter Jongleur mit den Devil Sticks und mit Fußbällen, Ronny dirigiert ein imaginäres Orchester und Luftballons dürfen zur Freude der kleinen Besucher mit lautem Knall zerplatzen. Zumeist übernimmt Tonito den Part des pfiffiger wirkenden Partners, doch zumeist wird er zu guter Letzt von Rony übertölpelt.
Estefania Jarz präsentiert zunächst ihre eleganten Antipoden-Spiele, in deren Ablauf auch einige Tricks im Handstand ausgeführt werden. Zuerst sind bis zu fünf Bälle die gewählten Requisiten. Den zweiten Teil des Auftritts bestimmen kleine Teppiche, die in vielfältiger Weise jongliert werden.
Im weiteren Verlauf der Show sehen wir die sympathische Artistin gemeinsam mit ihrem Ehemann, Tonito Alexis, mit einem abwechslungsreichen Quick Change. Zahlreiche blitzartig ausgeführte Kostümwechsel beider Partner sorgen für Verblüffung auf den voll besetzten Rängen und Tonito lässt in gelungener Weise eine Prise Humor in den Auftritt einfließen.

Ofelia Nistorov-Bouglione beschließt mit ihrer formidablen Laser-Show, die auf den Rängen größten Anklang findet, den ersten Teil der Vorstellung. Die vielfarbigen und abwechslungsreichen Lichtbiltze, von etlichen Stellen im Raum ausgesendete Laserstrahlen, beschwören eine mythisch-futuristische Stimmung, die nicht nur die jungen Zuschauer den Alltag vergessen lässt.
Jongleur Nandor Varadi zelebriert mit seiner Partnerin einen veritablen Tango Argentino. Keulen, Tennisbälle und Ringe werden in vielfältigen Routinen sicher manipuliert. Mit sieben Keulen, bzw. neun Ringen erfolgen die Spitzentricks der Darbietung in makelloser Ausführung. Mit der spektakulären Jonglage von fünf Feurfackeln im abgedunkelten Rund klingt der Auftritt in idealer Weise aus.
Diana Boiachin präsentiert mit starker Ausstrahlung eine elegante, erotische Darbietung am Luftring. Vielfältige und kräftezehrende Tricks wirken leicht und locker. In weiten Flügen füllt die Artistin die Kuppel und fasziniert mit der scheinbar ohne jede Anstrengung ausgeführten Trickfolge.

Einen weiterer Höhepunkt und Abschluss der Nummernfolge sehen wir in der Hand-auf-Hand Arkrobatik der Gallingani Sisters, Natalie und Shelby. Die beiden zierlichen wie kraftvollen jungen Frauen sind mit dieser trickstarken Nummer seit dem letzten Herbst in den Manegen Europas präsent. Eine Reihe anspruchsvoller  Abläufe wird gekonnt in spielerischer Manier geboten und löst auf den Rängen ein ums andere Mal großes Erstaunen, ob der enormen Körperbeherrschung aus.
Im opulenten Finale werden alle Mitwirkenden noch einmal präsentiert und  vom Publikum enthusiastisch gefeiert. Standing Ovations und frenetischer nicht enden wollender Beifall, wie man es in dieser Form nur selten erlebt, halten die Akteure lange am Platz. Schließlich leert sich der rote Ring und Clown Tonito Alexis beginnt sich abzuschminken. Sänger und „Monsieur Loyal“ Mario Ruttelli intoniert dazu, mit enormen Stimmvolumen, die Arie „Nessum dorma“. Kollektiv breitet sich Gänsehaut Feeling pur im Chapiteau aus während die Besucher gebannt und mit angehaltenem Atem der Szene beiwohnen. Kaum ist der letzte Ton verklungen, brandet ein weiterer wahrer Beifallsorkan durch das Rund und das Ensemble nimmt noch einmal gemeinsam Aufstellung vor der Gardine. Direktor Nicolas Bouglione verabschiedet sein restlos begeistertes Publikum und verspricht ein Wiedersehen in der kommenden Saison mit einer neuen Show.
Ganz großer Dank an alle Mitwirkenden, das man dieses fulminante Circuserlebnis genießen durfte und leider bedauern muss, das die zwei Stunden erstklassiger Show zu schnell vergangen sind. So bleibt uns nur zu sagen – Chapeau Nicolas Bouglione - Chapeau Ofelia Nistorov - Chapeau Tonito Alexis.
Viel Erfolg dem jungen Team in der weiteren Saison.