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Text und Fotos Friedrich Klawiter
ÖNC Louis Knie
Lahr, 14. Juni 2008


Seit einigen Monaten reist Direktor Rolf Krames, er hatte gemeinsam mit Rolf Cramer vom Circus Constanze Busch seinerzeit die Namensrechte erworben, mit seinem Circus durch Süd- und Südwestdeutschland. Sein ehemaliger Partner Cramer ist in den neuen Bundesländern unter der Bezeichnung ‘Österreichischer Nationalcircus’ ohne den Zusatz ‘Louis Knie’ unterwegs. Die Zeltanlagen sowie die technisch-logistische Einrichtung wurden von Althoff-Carl Köllner angemietet, dessen ‘Classic Circus’ vormals mit diesem Material reiste. Die meisten Fahrzeuge allerdings tragen die Farben und den Namen des Circus Luna von Walter Frank, der mit seiner Familie und Tieren für die Saison engagiert wurde.

Mit großen Spannbannern, die mit dem Plakatmotiv bedruckt sind, rechts und links am Zaun neben dem Eingangstunnel wurde eine Art Fassade geschaffen. Das Vorzelt, mit Holzboden, ist gemütlich eingerichtet und dekoriert, vermittelt eine Anmutung an Wiener Caféhaus-Atmosphäre. Das ausgezeichnete fünfköpfige ukrainische Circusorchester spielt bereits während des Einlasses im Vorzelt, sorgt bereits im Vorfeld für Stimmung und steigert die Vorfreude und Erwartung der Besucher auf das Kommende.

Nach der Parade aller Artisten und Begrüßung durch die Mangensprecherin, eine junge Frau aus der Frank-Familie, eröffnet Marina Trechina die Spielfolge. Elegant wie immer lässt sie die Hula-Hoops kreisen und beendet ihre Show mit den drei Feuerringen. Aus Rumänien kommen die fünf Herren und zwei Damen der Truppe Constantin. Zunächst arbeiten sie am Schleuderbrett. Die zahlreichen Sprünge werden nicht auf die Schultern eines oder mehrerer Untermänner ausgeführt, sondern allesamt auf einem Kissen gelandet. Höhepunkt ist der dreifache Salto des Truppenchefs. Den zweiten Programmteil eröffnet die Truppe mit ihren Sprüngen von der russischen Schaukel. Diese hohen und weiten Flüge durch die gesamte Manege werden von einer vor der Orchesterbühne hochgezogenen Plane abgefangen. Auch in dieser Nummer ist der dreifache Salto bzw. die nachfolgende vierfache Pirouette die Krönung. Als Attraktion “direkt unter der Circuskuppel am Flug- und Sturztrapez” erfolgt die Ankündigung des Duo Floradi. Eine sehr schön anzuschauende Arbeit am Trapez, in deren Verlauf vielfältige Tricks sehr kraftvoll präsentiert werden und beide Partner wechselweise als Porteur agieren. Ihr sehr schnell gedrehter Pirouettenwirbel im Genickhang wird vom Partner mit angewinkeltem Arm gehalten und demonstriert so die Stärke seiner Muskulatur.

Die zu Weihnachten und Jahresbeginn in der Werbung groß herausgestellte Toni Alexis Clown Family ist inzwischen ausgeschieden und zu Krone zurückgekehrt. Deren Part haben die “Clowns Boutique” übernommen. Hinter diesem Pseudonym steckt die Familie von Jenia Butorin, vor Jahren war er mit Partner Jurij Dmitriew als “Jura und Jenia” bei Busch-Roland zu erleben. Jetzt zeigt er im Zusammenspiel mit seiner Frau und dem zwölfjährigen Sohn, der bereits über ein beachtliches Können verfügt, eine Reihe Reprisen. Besonders die Jonglage als “stärkster Mann der Welt” und der “Automatenmann” bleiben in Erinnerung. Immer wieder, auch nach oftmaligem erleben in vielen Circussen, ist die Antipodenarbeit von Svetlana Trechina eine Augenweide. Mit unnachahmlicher Eleganz und absoluter Sicherheit werden die diversen Gegenstände jongliert. Die Untermalung mit klassischer Musik unterstreicht die Darbietung perfekt und gibt ihr den letzten Kick.

Zahlreich sind die Auftritte der Franks, sind sie doch für alle Darbietungen mit tierischer Beteiligung zuständig. Zunächst bringt Walter Frank mit großartiger Nonchalance vier Ponys in die Manege. Mit sparsamsten Gesten dirigiert er die Pferdchen zu perfekten Bewegungsabläufen. Wenig später führt er zusammen mit Manuel Frank die beiden Braunbären vor. Die Bären arbeiten sehr willig, vollkommen selbständig und frei, mit großem räumlichen Abstand zu ihren Vorführern. Auch das die Tiere zwischen den einzelnen Tricks vollkommen frei auf der Piste sitzen,   zeugt vom großen Vertrauen der Herren Frank in das Verhalten ihrer Bären. Stefan Frank präsentiert zwei junge schottischen Hochlandrinder im Zusammenspiel mit einem Araberhengst. Alexandra reitet die Hohe Schule und krönt ihre Arbeit effektvoll mit Sprüngen über eine Feuerbarriere. Gemeinsam geleiten Stefan und Alexandra Frank den afrikanischen Elefanten Benjamin in die Manege. Sein Trickrepertoire ist ordentlich und seine Fähigkeiten als Elfmeterschütze sind beachtlich.

Kommen wir zum Höhepunkt der Veranstaltung - der “sensationellen menschlichen Kanonenkugel“, die im Außenauftritt des Unternehmens groß herausgestellt wird.  Mitten im Chapiteaueingang platziert, ist die auf einem Wagen montierte Rakete/Kanone von Henry Munoz bereits mit betreten des Chapiteaus präsent. Vorerst noch von einem Tuch verdeckt, wird das Gerät in der Pause enthüllt und die umfangreichen technischen Vorbereitungen beginnen. Nach großer Ankündigung ist’s dann so weit, Capitain John Taylor, so der Künstlername von Henry Munoz, beginnt seine großartige Show. Die Apparatur ist mit zahlreichen Lichteffekten ausgestattet, das Rohr wird langsam hydraulisch gehoben, dramatische Musik und der Artist, im weißen Overall und weißer Lederhaube auf dem Kopf, grüsst von der Spitze des Rakentenrohres und begibt sich in die Startposition. Mit einem ohrenbetäubenden Knall wird der Flug ausgelöst und mit hohem Tempo fliegt Munoz/Taylor in das voluminöse Fangkissen. Als der Pulverdampf sich ein wenig verzieht, ein enormer Böller wird mit dem Abschuss gezündet, präsentiert sich der Artist in Siegerpose in der Manege und leitet so das kurze und knappe Finale ein.

Mehr als einen kurzen Aufmarsch der am Programm Beteiligten ist denn aber auch alleine aus räumlichen Gründen, das inzwischen erschlaffte Fangkissen füllt die Manege immer noch zu großen Teilen, nicht möglich. Direktor Rolf Crames, ganz klassisch im roten Frack, bedankt sich für den Besuch und entlässt nach rund zweieinhalb Stunden guter Circusunterhaltung ein rundum zufriedenes und begeistertes Publikum.