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Text und Fotos Friedrich Klawiter
Cirque Pinder

Metz, 2. Juli 2007

Die von uns besuchte Abend-Premiere des Cirque Pinder in Metz sieht ein wohlgefülltes Gradin und wird mit der spektakulären Raubtierdressur von Juniorchef Frederic Edelstein eröffnet. Acht Löwinnen, vier Löwen und vier Tiger formieren sich zu einer großen Pyramide, zeigen Sprünge durch den Feuerreifen, Rollover und diverse Hochsitzer. Lauf auf der Hinterhand und der Sprung über den Dompteur werden souverän präsentiert. Eine hochklassige Raubtiershow, die trickreich, flüssig und gekonnt vorgeführt, effektvoll vom Kompliment des Dompteurs mit einem Löwenmann auf der Spiegelkugel gekrönt wird.

Auf dem inzwischen verlegten Holzboden präsentiert Sophie Edelstein, Schwester von Frederic, zusammen mit ihren 5 Assistenten Großillusionen, die jedem Vergleich standhalten. Gegenüber dem Vorjahr wurden Requisiten, Kostüme, Choreographie und Tricks vollkommen erneuert. Gina Giovannis zeigt ihre Handstandequilibristik im spanischen Look auf dem originellen, als überdimensionalen Sombrero gestalteten, Requisit. Gerade bei diesen Nummern kommt die in den letzten Jahren stark verbesserte und modernisierte Lichtanlage voll zur Geltung. Ein guter Schlagzeuger, der die Akzente genau setzt, verleiht der Bandmusik deutlich mehr Leben. Die Munoz, Gary Jahn mit Ehefrau Conchi, verkaufen ihre Seelöwendressur nun im Piratenlook und überzeugen mit allen gängigen Tricks dieses Genres, die von beiden Tieren bereitwillig und mit Begeisterung gezeigt werden. Vom Vorjahr prolongiert wurden die Balder Clowns mit einer Reprise und einem neuen Entree. Man hat bei Pinder mit einer Tradition gebrochen, die Clowns arbeiten nun im ersten Teil und nicht mehr als Finalnummer. Als Sprechstallmeister Frederic Colnot, charmant und eloquent wie stets, nun in die Manege kommt, rechnen wohl etliche Logenbesucher mit der Ankündigung der Pause und verlassen bereits ihre Plätze - doch weit gefehlt. Als Abschluss einer hervorragenden ersten Programmhälfte folgen die Flying Baeta, mit ihrem Flugtrapez. Eingeleitet wird der Auftritt jetzt von Katja mit einem kurzen Solo im Vertikal-Netz. Zahlreiche Sprünge zeigen die 4 Flieger, darunter eine Frau, und einen sehr sicher ausgeführten “Dreifachen”. Sprung von der Schaukel und Passage sind die Höhepunkte.


Pferde sucht man im diesjährigen Pinder-Programm vergebens und so eröffnet Gary Jahn mit der Präsentation der hauseigenen 5 Trampeltiere den zweiten Teil. Wahre Begeisterungstürme entfacht Alexander Xelo mit seiner vorzüglichen Diabolojonglage, die perfekten Verkauf und anspruchsvolle Tricks vereint. Evgeni Shmarlovski, viele Jahre in der Barum- und Roncallimanege, verkauft sich und seine Tiere mit einem sympathischen komödiantischen Augenzwinkern und das Publikum geht amüsiert mit. Totale Verblüffung  und komplette Begeisterung verbreiten sich, als der “Pelzmantel” seiner Partnerin plötzlich zu leben beginnt.
Aus Bulgarien kommt das Trio Larus, zwei Damen und ein Herr. Als Goldmenschen arbeiten sie, auch eine der Damen agiert als “Untermann”, kraftvolle und elegante Adagioakrobatik. Die Jasters lassen Armbrustpfeile und Wurfmesser sicher und perfekt fliegen und sorgen zum Schluss des gut zweieinhalbstündigen Programms noch einmal für Nervenkitzel. Im kurzen Finale stellt Monsieur Colnot alle Mitwirkenden vor und zu der seit einigen Jahren unveränderten Choreographie verabschieden sich die Artisten  vom Publikum.

Circus Pinder ist sich auch in dieser Saison treu geblieben. Als großes, sehr gut organisiertes, schnell reisendes Unternehmen bietet man ein klassisches Nummernprogramm im Stil der 70er Jahre mit dezenten Annäherungen an den Zeitgeschmack. Es zeigt sich an den Reaktionen der Zuschauer, wie zu hören auch an stark gestiegenen Besucherzahlen, recht deutlich, dass ein leistungsstarkes Programm mit einem Minimum an darstellender Regie auskommt. In dieser Saison wird ein, entgegen dem Zeitgeist und der gängigen Praxis der allermeisten Circusunternehmen, außergewöhnlich starkes Programm geboten, ohne Schnörkel, Umbaupausen, Füller und Längen, und eine künstliche, langatmig zeitschindende Implantation einer Inszenierung wird so ad absurdum geführt.