Text  und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE PINDER
Metz, 02. Juli 2011

www.cirquepinder.com
Jedes Jahr zur gleichen Zeit in der gleichen Stadt, ist eines der Markenzeichen des französischen Circusgiganten Pinder. So endet die „Frühlingstournee“ in jedem Jahr traditionsgemäss am ersten Juli-Wochenende in der lothringischen Metropole Metz mit einem mehrtägigen Gastspiel. In den folgenden acht Wochen, während der Schulferien in Frankreich, werden zweiunddreißig Eintagesplätze und zehn Zweitagesplätze mit zwei Vorstellungen - jeweils um 17 und 20 Uhr, ohne Ausfalltage in den Ferienorten entlang der Küste gehalten.
Im "Parc d' Expositiones" - dem Messegelände der Stadt Metz gastieren die Circusse weit außerhalb der Stadt. Großzügig verteilt steht das Material des Circus auf dem weitläufigen Schotterplatz. Der imposante Kassenwagen sowie zwei Sattelzüge bilden zusammen mit dem Eingangsportal und der separaten Tierschaukasse die Front des Circus. Auf ein Vorzelt wird während der Sommer-Tournee verzichtet, die beiden Restaurationsauflieger stehen seitlich der Haupteingänge ins Chapiteau. Das Material des Circus ist komplett in den traditionellen Hausfarben des Unternehmens – gelb und rot – gehalten. An der rechten Platzseite sind die zahlreichen Sattelzüge und Anhänger mit den Personalunterkünften aufgestellt. Im Anschluss daran folgt die Betriebsküche und auf der Platz-Rückseite sind die Wagen der Artisten abgestellt. Die linke Seite wird von der Pinder-Menagerie belegt. Den größten Raum nimmt hinter dem Chapiteau die weitläufige Raubtieranlage von Frederic Edelsteins Löwen und Tigern ein. Zwei lange Auflieger und ein großer Anhänger, denen allesamt geräumige Außengehege vorgebaut sind, beherbergen mehr als fünfundzwanzig Löwen und Tiger.
Der höchst umfangreiche Fuhrpark, wie bei allen großen französischen Circussen hat jeder Transport eine eigene Zugmaschine, und an den Sattelauflieger wird ein großer Anhänger gekuppelt, wurde hier in Metz bereits verringert, da auf die Sommertournee ca. zehn Transporte weniger mitgenommen werden. So wurde u. a. der große Anhänger mit der mobilen Kantine ins Stammquartier überstellt.

Im Chapiteau erwartet den Besucher ein rotes elfreihiges Holzbankgradin mit Rückenbrettern. Die gleichfalls roten Logen sind mit gepolsterten Klappstühlen bestückt.
Der große Artisteneingang aus dunkelrotem Samt trägt in meterhohen goldenen Lettern den Namenszug. Licht- und Tonanlage zeigen sich auf Höhe der Zeit und werden virtuos eingesetzt.

Wie man es von einem der führenden europäischen Circusse erwartet, hat man bei Pinder auch in diesem Jahr wieder ein großes, starkes Programm zusammengestellt. Die jährlich gleiche Tournee hat zur Konsequenz, dass alljährlich ein in großen Teilen neues Programm aufgeboten werden muss. In der aktuellen Show "La Féerie sur Piste! Les Animeaux sont roi", die nach wie vor puristisch als reines Nummernprogramm mit einigen wesentlichen - geradezu klassischen – Genres, auf die bei Pinder nie verzichtet wird, abläuft, dominieren die artistischen Darbietungen.
Neu besetzt wurde die in Frankreich so wichtige Position des „Monsieur Loyal“. Christophe Traux, bekannt aus dem französischen Fernsehen, ist der neue Sprecher der in edlen Outfits gekonnt die Moderationen übernimmt.

Der absolute Höhepunkt des Programms ist unverändert die große gemischte Raubtiergruppe von Juniordirektor Frederic Edelstein. Vier Löwen, acht Löwinnen und vier Tiger versammeln sich um den Dompteur in der Gittermanege. Großer Mut, Umsicht und hoher energischer Einsatz des Vorführers lassen die Gruppe großartige Tricks ausführen. Mit einer eindrucksvollen Pyramide aller Tiere startet die Nummer. Hochsitzer am Platz von je acht Tieren auf jeder Seite werden von schnellen weiten Sprüngen mehrerer Löwinnen gefolgt. Fächerlauf und zwei Tiger als Steiger sowie der Sprung einer Löwin über den sich abduckenden Dompteur werden mit großer Selbstverständlichkeit geboten. Frederic Edelstein wirft sich im Stile eines Pablo Noel auf acht abliegende Löwen/Innen und scheut nicht davor zurück, mit der blanken Hand den ein oder anderen Löwenmann zur Ordnung zu rufen. Die mehr als eindrucksvolle Darbietung wird von einem Löwen, der zusammen mit seinem Dompteur auf der rotierenden Spiegelkugel im Lichterglanz und dem donnernden Applaus des begeisterten Publikums posiert, abgeschlossen.
Mit einer gefälligen Kür am Ringtrapez lenkt Miss Mila den Blick der Zuschauer nach oben, während der Zentralkäfig entfernt wird. Elegant, kraftvoll und ohne Sicherung werden vielfältige, auch riskante Tricks geboten.
In hohem Tempo läuft die Diabolojonglage von Georgio ab. In flippigem Styling  überzeugt der junge Jongleur mit einer Reihe effektvoller Tricks. Rasant beschleunigte Diabolos fliegen bis hoch in die Kuppel und auch die Griffe der Schnur ruhen nicht permanent in den Händen des Jongleurs. Abschließend werden drei der Doppelkegel mit gutem Verkauf jongliert.
Als zweite Dressurnummer des diesjährigen Pinder-Programms führt Beat Decker den großen Exotenzug des Hauses vor. Zunächst laufen sechs Kamele ihre Figuren, dann folgt das große Karussell mit allen Tieren. Drei Kamele liegen ab, drei Esel und das Zebra beziehen Stellung auf ihren Tonneaus und je drei Lamas und Norweger-Pferde umrunden auf gegenläufigen Bahnen, die Kamele überspringend, die Manege. Ein Steiger der drei Norweger beschließt die Vorführung.

Vom kubanischen Staatscircus kommt die sechszehn Personen umfassende Truppe Habana, die in unterschiedlicher Besetzung mit drei Darbietungen einen großen Anteil am gelungenen Pinder-Programm hat. Zu acht zeigen sie eine interessante Darbietung am doppelten Reck. Links und rechts des Reckapparates stehen zwei Fänger auf erhöhter Position und fungieren als Fänger für verschiedene Handvoltigen. Diese sehen in erster Linie die beiden Artistinnen als Akteure, während vier Herren ihr Können an den Reckstangen demonstrieren.
Als „Flying Habana“ sind fünf weitere Truppenmitglieder am Flugtrapez zu bewundern. Die Truppe bietet eine schwungvolle Show. Elegant in der Ausführung gehören der Doppelsalto einer Fliegerin, die Passage ausgeführt von den beiden Damen und der dreifache Salto zum umfangreichen Repertoire, das in Metz auf Grund der Verletzung eines zweiten Fängers – er hat seinen Platz über dem Fliegertrapez – ein wenig reduziert war. Zu zehnt sind sie schließlich in ihrem dritten Auftritt auf der russischen Schaukel in Aktion. Mit sehr viel südamerikanischem Temperament, entsprechender Aufmachung und musikalischer Begleitung werden weite und hohe Sprünge geboten, die allesamt auf einem Kissen gelandet werden. Höhepunkt ist der Flug durch einen Ring in einigen Metern Höhe.

Les Auguste de Soiree ist in dieser Saison die portugisische Cardinali-Familie. In diesem klassischeb Clowns-Trio füllt Senora Cardinali charmant die Rolle des Weißclown aus, während ihr Mann und Sohn als Auguste überzeugen. In gut aussehenden Kostümen wird in erfreulich flott und straff ablaufendem Spiel ein Box-Entree geboten. Mit ihren Gags erreichen sie das Publikum und speziell die jungen Zuschauer gehen begeistert mit. Traditionell beenden sie ihren Auftritt mit schwungvollem gemeinsamen musizieren.
Zwei Handstand-Darbietungen, die sich in der Präsentation sehr stark unterscheiden, werden von Yurie Basiul und Gina Giovannis gearbeitet. Die „belgische Handstandkönigin“ war letztmalig 2008 mit ihrer damals komplett neu arrangierten Darbietung bei Pinder. Sie arbeitet im klassischen Stil und brilliert mit vielen erstklassig und elegant ausgeführten Handständen, Einarmern, und Waagen. Kraftvoll und gekonnt werden die Posen gehalten. Kopfstand mit Ringbalance und Klötzchensturz gehören ebenfalls zum Repertoire. Abschließend zeigt die Artistin einen Einarmer auf der Spitze einer Stange, die aus ihrem Piedestal bis in vier Meter Höhe ausgefahren wird.
Im zweiten Programmteil ist dann Yurie Basiul mit seiner modernen Interpretation einer Handstand-Equilibristik zu sehen. In mystisch wirkendem blauen Licht präsentiert sich der weiß gekleidete  Artist auf einem weißen Podium. Er ist fortwährend in Bewegung und hat seine Handstände und Waagen in eine Art „gymnastischen Tanz“ eingebunden. So wirkt der Auftritt spielerisch und leicht, kommt  flüssig wie aus einem Guss daher.

Shaolin-Mönche bereichern das aktuelle Pinder-Programm. Fünf junge Männer in den typischen orangen Kutten ihrer Zunft zeigen in sehr flottem Ablauf gängige Tricks des Genres. Zum Beispiel wird ein Stück Metall - spröder leicht springender Guss - mit einem Schlag auf den Kopf zerbröselt, Holzstäbe mit einem Schlag zwischen die Beine eines im Kopfstand stehenden Kollegen zerbrochen, ein „Mönch“ nur auf vier Speerspitzen gelagert hoch in die Luft gereckt. Abschließend biegen zwei der Artisten eine beidseitig mit Metallspitzen versehene Bambusstange nur mit ihren Kehlen durch.
Die Finalnummer wird vom Duo Solys bestritten. Als Teilnehmer der französischen „Supertalent-Show“ begeistern die beiden mit ihrer Partnerakrobatik, in der als Besonderheit der weibliche Part als Porteur agiert. Enorm kraftvoll und publikumswirksam werden zahlreiche und schwierige Tricks von den beiden Akteuren dargeboten.
Zum Finale treten alle Akteure gemeinsam vor den Vorhang, werden dann von Christophe Traux namentlich dem Publikum noch einmal vorgestellt. Zu „Wacka Wacka Afrika“ tanzt man ein wenig gemeinsam in der Manege, wobei das Pinder-Finale immer recht kompakt gehalten ist.
Ein rundes, hochklassig besetztes Programm eines führenden europäischen Circus findet somit seinen Abschluss und wird vom jeweils zahlreich erschienenen Publikum in allen drei Vorstellungen des Tages gefeiert, wobei die abendliche Gala mit anhaltenden Standing Ovations des beinahe komplett gefüllten Auditoriums bedacht wird. 
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