Text und Fotos Friedrich Klawiter                                                  www.cirquepinder.com
CIRQUE PINDER
Metz, 30. Juni 2012
Einer der größten Circusse Frankreichs, der Cirque Pinder war zu seinem alljährlichen Gastspiel in Metz, der letzten Stadt der „Frühlingstournee“, angereist. Hier wurde, wie in jedem Jahr am ersten Juli Wochenende, das letzte mehrtägige Gastspiel vor den französischen Sommerferien gegeben. In den anschließenden kommenden neunundfünfzig Tagen werden fünfundvierzig Plätze entlang der Nordsee- und Atlantikküste gehalten, ohne Ausfaller bei zwei Vorstellungen täglich, ehe am letzten Augustwochenende die Herbsttournee in Bordeaux beginnt.
Im „Parc d' Expositiones“, dem weit außerhalb der Stadt gelegenen Messegelände von Metz, steht den Circussen reichlich Raum zur Verfügung und entsprechend großzügig steht das Material auf dem Schotterplatz verteilt.
Der große Kassenauflieger bildet zusammen mit weiteren Sattelzügen und dem separaten Tierschaueingang die Front des Circus. Die beiden Restaurationsauflieger stehen seitlich vor den Haupteingängen ins Chapiteau, da während des Sommers auf ein Vorzelt verzichtet wird. Das große Spielzelt erstrahlt genauso in den Hausfarben rot und gelb, wie der gesamte Fuhrpark. Den zahlreichen Sattelzügen, für jeden Transport steht eine Zugmaschine bereit, werden allesamt Jumbo-Anhänger angehangen. Die Platzwechsel erfolgen stets in einer einzigen Fahrt im Konvoi.

Die Menagerie ist großzügig aufgebaut. Kamele, Esel, Lamas ziehen, im Gegensatz zu den Haflingern, den Schatten der Ställe den Freigehegen an diesem heißen Spätnachmittag vor. Den größten Raum nimmt die beeindruckende Raubtieranlage von Juniochef Frederic Edelsteins Löwen und Tigern ein. Mehr als fünfundzwanzig Raubkatzen bewohnen die Käfigwagen und Freigehege.
Das Innere des Chapiteau zeigt sich im gewohnten Look. Der große hohe Artisteneingang aus dunkelrotem Samt trägt in meterhohen Lettern den Namenszug. Die gleichfalls roten Logen sind mit gepolsterten Klappstühlen ausgestattet und dahinter erhebt sich ein elfreihiges Holzbankgradin.

Unter dem Motto „L' Incroyable Festival du Rire, du Frisson et des Animaux“ wird das auch in diesem Jahr wieder in weiten Teilen, da alljährlich die gleichen Städte gehalten werden, neue Programm geboten.
Mit Frederic Edelstein und seiner großen gemischten Raubtiergruppe erleben wir gleich zu Beginn den absoluten Höhepunkt des Programms. In schummrig-blauem Licht formiert der Dompteur die große Pyramide aller Tiere und in den hell aufflammenden Scheinwerfern richten sich Löwen und Tiger zu imposanten Hochsitzern auf. Gewaltige Sprünge von Podest zu Podest wechseln mit solchen hoch an den Käfigrand. Hochsitzer am Platz, abwechselnd auf beiden Manegenseiten, lässt der unerschrockene und keinen Millimeter zurückweichende Dompteur, ausführen indem er durch unterschreiten der Distanz zahlreiche Prankenschläge provoziert. Der Teppich, in den der Fächerlauf der Löwen mündet, wird von einem spektakulären Hechtsprung Frederic Edelsteins quer auf seine Lieblinge gekrönt. Gemeinsam mit einem Löwenmann auf der Spiegelkugel seine Kreise drehend, beendet Frederic Edelstein seinen Auftritt.
Claude Brunel ist der neue „Monsieur Loyal“ des Cirque Pinder. Klassisch in Outfit und Auftrittsstil überbrückt er mit nie erlahmendem Redeschwall jede Pause. Ihm zur Seite steht der junge Clown Benji und bei einigen Gelegenheiten agieren sie gemeinsam in den Reprisen. Zunächst versucht sich Benji als Messerwerfer. Schnell findet sich ein Zuschauer mit verbundenen Augen ans Messerbrett gefesselt wieder und die beiden Akteure treiben zum Gaudi des Publikums ihre Späße mit ihm. In einer weiteren Szene endet wieder einmal ein Cassettenrecorder in einer Mülltonne.

Milla überzeugt mit einer ausgefeilten Kür am Ringtrapez. Ungesichert bietet die junge Frau ein reichhaltiges Repertoire riskanter Balancen. Mit eleganter Körperbeherrschung werden die Evolutionen vorgetragen.
Gina Giovannis ist seit vielen Jahren in allen großen Manegen zuhause. Nun ist sie wieder einmal mit ihren beiden attraktiven Darbietungen bei Pinder zu erleben. Zunächst präsentiert sie ihre Handstandkür, die viele starke Tricks bietet und mit großer Ausstrahlung hervorragend gearbeitet wird, auf dem hohen Piedestal. Kopfstand mit Ringbalance, Handstände, Waagen, Klötzchenturm und ein Einarmer auf einer bis in vier Meter Höhe ausfahrbaren Stange erfolgen u. a. in exzellenter Ausführung im klassischen Stil. Abschließend springt Gina Giovannis die fünfzehn Stufen der Treppe im Handstand hinunter in die Manege.
Spielerisch und leicht wirkt ihr Auftritt auf dem Seil. Mit gutem Balancegefühl folgen in der relativ großen Höhe von drei Metern die Tricks rasch aufeinander. Tanzschritte und verschiedene Sprünge - über eine Barriere und in einen Papier bespannten Reifen - erfolgen im Wechseln mit Spagat und niederknien. Die souverän vorgetragene attraktive Kür findet großen Anklang beim Publikum.
Als zweite Dressurnummer präsentiert Beat Decker den hauseigenen Exotenzug. Zunächst demonstrieren sechs Kamele ihr Können. Flüssig werden die verschiedenen Lauffiguren absolviert. Nachdem drei Kamele an der Piste abliegen sowie Zebra und Esel ihre Positionen eingenommen haben, ziehen drei Lamas ihre Bahn und betätigen sich als geschickte Springer. Als Da Capo zeigen die drei Haflinger-Pferde das flechten und einen gemeinsamen Steiger.

„Les Cardinali“ - ein klassisches potugiesisches Clowntrio, in dem Senora Cardinali charmant die Rolle des Weißclown wahrnimmt, während ihr Mann und Sohn als erstklassige Auguste überzeugen, bietet in diesem Jahr ein neues Entree. In straffem und pointiertem Spiel folgen die Gags zur Freude der Zuschauer rasch aufeinander. Nachdem „ein Teller und ein Ei“ zur Erheiterung beigetragen haben, essen die Auguste natürlich doch verbotenerweise die ihnen überlassenen Äpfeln und die Stücke lassen sich großartig umher spucken.
Natürlich wird der schwungvolle Auftritt in traditioneller Weise mit gemeinsamen musizieren beendet.

Auch in diesem Jahr ist wieder eine große Artistentruppe des kubanischen Nationalcircus Circuba mit dem Cirque Pinder auf Tournee. In unterschiedlicher Besetzung werden vier Darbietungen geboten.
Temperamentvoll agieren vier Herren und eine Dame am Russischen Barren. Vielfältige Sprungvarianten werden vollendet ausgeführt und sicher gelandet. Höhepunkt der Nummer ist ein Salto zum Zwei-Mann-Hoch auf dem Barren.
Vor der Pause arbeitet bei Pinder traditionell das Flugtrapez. Diese Formation verfügt mittig, über der Aufhängung des Fliegertrapezes über einen weiteren, stationären Fänger. Dies eröffnet der Fliegerin und den beiden Fliegern  mehr Sprungvarianten. Alle Flüge und Voltigen werden sicher und exakt vorgetragen. Die Evolutionen gipfeln in einer Passage von zwei Voltigeuren zwischen den beiden Porteurpositionen.
Mit Seil springen startet der zweite Programmteil. Zu schwungvollen südamerikanischen Rhythmen tanzen und springen die Artisten in immer wieder neuen Variationen durch die Manege.
Abschließend produzieren sich sieben Truppenmitglieder am Schleuderbrett. Die Salti werden sowohl auf einem Kissen als auch auf den Schultern der Untermänner gelandet. Höhepunkt dieser Nummer ist der Sprung zum, per Stange stabilisierten, Vier-Mann-Hoch.
„Wacka Wacka Afrika“ tönt aus den Boxen und kündigt so das traditionell knackig kurze Pinder-Finale an. Claude Brunel stellt die Mitwirkenden noch einmal namentlich vor und nach einigen gemeinsamen Tanzschritten nimmt die Artistenschar den Schlußapplaus des Publikums entgegen. Pinder bleibt sich und seinem Stil auch in diesem Jahr treu. Das abwechslungsreich zusammengestellte Programm bietet eine Reihe klassischer Genres, die in keiner Pinder-Produktion fehlen und wird wie stets als puristisches Nummernprogramm geboten. So steht dieser Circus weiterhin für traditionelle unverfälschte Circusunterhaltung, bei der alle Altersklassen auf ihre Kosten kommen.
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