Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE PINDER
Metz, 27. Juni 2015
http://cirquepinder.com
Der Cirque Pinder, eines der wirklich großen reisenden Unternehmen Frankreichs, gastiert traditionell am letzten Wochenende des Juni in Metz. Hier endet die Frühlingstournee, der alljährlich gleich verlaufenden Tour durch Frankreich und es folgen zwei Monate mit Ein- und Zweitages- Gastspielen während der Sommerferien.
Auf dem weitläufigen Messegelände der Stadt präsentierte sich der Circus in bestens bekannter Weise. Die große gelb-rote Zeltstadt leuchtet in der Sonne und das Chapiteau mit dem markanten Blockstreifen-Design beherrscht den Platz. Den zentralen Punkt in der langgestreckten Front nimmt der dekorative Kassenwagen ein. Die zahlreichen Transporte sind in langen Reihen auf dem Platz aufgefahren. Auf der rechten Seite haben die Sattelauflieger samt ihren zugehörigen Anhängern mit den Mannschaftsquartieren ihren Platz. Die neu erworbene Betriebsküche, Sanitärwagen und das „Atelier Mechanique“ sind ebenfalls hier untergebracht. Gleich daneben stehen die Wohnwagen der Artisten.
Auf der linken Platzseite geht es durch den separaten Tierschaueingang, Pinder hat als eines der wenigen schnell reisenden Unternehmen einen solchen, in den rollenden Zoo. In geräumigen Gehegen sind Kamele, Lamas, Esel Zebras und Norwegerpferde untergebracht. Der große Elefantenpaddock komplettiert mit seinen beiden Bewohnerinnen diesen Bereich.
Höhepunkt der Menagerie, und in diesem Umfang fast nirgends mehr zu erleben, ist die riesige Raubtieranlage. Fünf große Auflieger, bzw. Anhänger, die allesamt mit umfangreichen Außenanlagen verbunden sind, werden von zahlreichen Löwen und Tigern bewohnt.
Der Haupteingang des Circus wird von einem hohen Gitterrohrbogen mitsamt einem Zeltdach überspannt. Auf ein Vorzelt wird in den Sommermonaten verzichtet und die beiden Sattelauflieger der Circusrestauration begrenzen den großzügigen Eingangsbereich zu den beiden ebenerdigen Zugängen ins Zelt.
Ein Bankgradin mit elf Reihen und schmucke rote Logen mit gepolsterten Klappstühlen stehen für die Besucher bereit. Der große Artisteneingang aus dunkelrotem Samt ist mit meterhohen Lettern des Namenszugs geschmückt.
Aus dem Off kündet „Monsieur Loyal“ Judicael Vattier eines der Highlights des Programms an und im aufflammenden blauen Scheinwerferlicht kommen die zwölf weißen Löwen von Frederic Edelstein in die Gittermanege. Traditionell beginnt die Soirée bei Pinder mit der Raubtierdressur. Mit einer großen Pyramide aller Tiere nimmt die beeindruckende Präsentation ihren Beginn. Hochsitzer und Scheinangriffe sind weitere Elemente dieser, wie stets bei Frederic Edelstein, mit viel Temperament und Tempo präsentierten Darbietung. Auf einem Teppich aller Tiere nimmt der Dompteur Platz. Sieben Tiere verlassen den Käfig in dem sie mit Tempo zwischen den Beinen des Vorführers hindurch laufen. Mit den verbliebenen Tieren bietet Edelstein einen spektakulären, heutzutage fast nicht mehr zu sehenden Trick. Er legt sich rücklings in die Manege und lässt sich von vier Löwen, die quer über seinem Körper liegen, zudecken. Mit Sprüngen über den sich niederwerfenden Dompteur hinweg findet der Auftritt seinen idealen Abschluss.
Valeriy arbeitet in diesem Jahr eine Darbietung am Trapez. Der ruhig und tänzerisch choreographierte Auftritt beinhaltet eine Reihe kraftvoller Haltetricks und bietet in einigen Abfallern auch den notwendigen Nervenkitzel.
Suellen Sforzi präsentiert ihre Kontorsionen auf einem Tisch im Hintergrund der Manege. Zunächst setzt sie sich mit den Füssen Sonnenbrille und Hut auf und führt eine langstielige Blüte, an Stelle einer Zigarette, an ihre Lippen. Im zweiten Teil der Darbietung verharrt die erfahrene Artistin im Handstand auf zwei Handstäben während sie ihre Tricks ausführt. Schließlich schnellt sie mit den Füßen einen Pfeil treffsicher vom Bogen in einen Ballon.
Dehli und Saba, die beiden großen indischen Elefanten des Cirque Pinder werden von Mickael Brady vorgeführt. In einem tiergerechten Ablauf bieten die schwergewichtigen Dickhäuter ihr Können in harmonischem Ablauf. Laufarbeit und ein Hochsitzer in der Manege gehören zu dem souverän vorgetragenen Repertoire. Abliegen über dem Vorführer ist ein Highlight des Auftritts.
Francois Borie, angekündigt als „Jongleur orchestral“ manipuliert silberne Keulen in vielerlei Variationen. In hohem Tempo werden die unterschiedlichen Routinen souverän ausgeführt. Bis zu sieben Keulen beherrscht der sympathische Artist sicher und auch das besonders schnelle drehen wird in gekonnter Weise gezeigt.
Traditionell endet der erste Teil der Pinder-Programme mit dem Auftritt des Fliegenden Trapez. In diesem Jahr sind die“Flying Galeoti“ hoch unter der Kuppel zu erleben. Je zwei Flieger und Fliegerinnen bieten im Zusammenspiel mit dem Fänger ein breites Spektrum attraktiver und erstklassig ausgeführter Tricks. Eineinhalbfacher Salto einer Fliegerin und gestreckter Doppelsalto werden genauso elegant ausgeführt wie der legendäre Dreifache.
Eine gelungene Passage komplettiert die Auswahl der gezeigten Sprünge.
Juani, in den Weihnachtsproduktionen Mitwirkender in Sophie Edelsteins Magic Show, fasziniert mit einem starken Auftritt am Chinesischen Mast. Anspruchsvolle, Kräfte zehrende Tricks werden mittels tänzerischer Sequenzen in der Manege harmonisch zu einem gekonnten Auftritt verbunden und von dem Artisten mit der Figur eines Modellathleten erstklassig ausgeführt.
Der große Exotenzug des Cirque Pinder wurde von Sandro Montez komplett neu arrangiert und mit weiteren Tieren ergänzt. Mit nun neun Kamelen und den drei Norwegerpferden hat er einen formidablen Zwölferzug geformt, der vielerlei unterschiedliche Lauffiguren sicher beherrscht. Die Kamele liegen in einer langen Reihe, die von zwei Eseln flankiert wird, ab währenddessen die Lamas Barrieren überspringen. Die Pferde bieten Steiger und zwei Zebras ziehen ihre Bahnen. Abschließend überspringt ein Lama drei an der Piste stehende Esel.
„Les Cardinali“ - ein klassisches portugiesisches Clowns Trio ist in dieser Saison wieder einmal in der Pinder-Manege zu erleben. Senora Cardinali übernimmt charmant die Rolle des Weißclown derweil ihr Mann und Sohn als erstklassige Auguste überzeugen. Aktuell steht das „Box-Entree“ auf dem Spielplan und mit Hingabe geht man zu Werke. Die Auguste animieren die Kinder der jeweiligen Gradinseite sie lautstark zu unterstützen. In flottem pointiertem Spiel steuert man zielstrebig auf die finale Pointe hin. Die erstklassigen Kostüme und virtuose Musikalität des Trios stechen stets besonders hervor.
Der Junior arbeitet zudem als „Clown Pipo“ zwei Reprisen mit denen der Käfigabbau und die Montage des Trapez-Netzes überbrückt werden. Zum einen hantiert er mit Kameras und möchte einen jugendlichen Zuschauer besonders gut portraitieren. Im zweiten Auftritt wird das musizieren wieder einmal vom gestrengen Manegensprecher unterbunden.
Die Hand-auf-Hand Akrobatik des Duo Pulsadas reißt die Zuschauer zu Beifallsstürmen hin. Eine hochkarätige Trickfolge wird scheinbar ohne jede Anstrengung geboten. Frei, nur Schulter auf Schulter liegend trägt der Untermann seinen Partner durch die halbe Manege auf den Piedestal. Ruhig und mit fließenden Übergängen reihen die beiden Athleten ihre Aktionen ohne die kleinsten Anzeichen einer Unsicherheit aneinander. Abschließend überquert das Duo Kopf-auf-Kopf eine hohe Leiter.
Giacomo und Elena Jasters bieten mit ihrer Kunstschützen und Messerwurf Darbietung den finalen Act des Programms. Die von der Armbrust abgefeuerten Pfeile finden sicher ihr Ziel und die Wurfmesser rahmen den Körper der Partnerin gekonnt ein. Der berühmte Tell-Schuss darf natürlich nicht fehlen und sorgt am Ende eines kompletten und starken Programms noch einmal für Nervenkitzel.
Das Finale des Cirque Pinder ist stets kurz und schnörkellos gehalten. Zu den Klängen von „Waka Waka“ kommen die Mitwirkenden in die Manege und werden vom Sprecher noch einmal kurz vorgestellt. Unter dem lebhaften Applaus des zufriedenen Publikums leert sich der rote Ring rasch.
Auch im einhundertundeinundsechzigsten Jahr des Unternehmens bleibt die Direktion ihrem seit vielen Jahren bewährten Konzept treu. Man präsentiert ein reines Nummernprogramm in puristischer Weise, setzt alleine auf die Leistungsstärke und Manegenpräsenz der Akteure und verzichtet auf jedwede showmässige Aufbereitung. Der klassische Dreiklang von Tieren, Clowns und Akrobaten, mit den im Hause Pinder unverzichtbaren Eckpunkten – Raubtiere, klassische Clownerie, Flugtrapez, Jongleur und Elefanten – bietet beste Unterhaltung. Erstklassiger Circus, der vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wird.