Text und Fotos Friedrich Klawiter                                                 
CIRQUE PINDER
Paris, 14. Dezember 2012

http://cirquepinder.com
Zum Weihnachtsgastspiel in Paris, auf der Pelouse de Reuilly breitete der Cirque Pinder auch in dieser Saison wieder alle Pracht aus, deren ein circensischer „Geant European“ fähig ist.
Das riesige, hohe Sechs-Masten-Chapiteau, dass rund fünftausend Besuchern Platz bietet glänzt majestätisch im funkelnder Licht tausender Scheinwerfer. Zwei langgestreckte Vorzelte beinhalten zum einen eine Ausstellung historischer Pinder-Fahrzeuge und zum zweiten die Circusrestauration. Zwei große Chapiteaux sind aufgebaut, in ihnen finden die Empfänge und Diners der Galas statt. Breiten Raum nimmt die Menagerie des Cirque Pinder ein. Für die Elefanten , Kamele und Pferde sind neben den Stallungen geäumige Freigehege eingerichtet. Die Raubtieranlage hat wie immer riesige Ausmaße. Sattelzüge des Cirque Pinder, Anhänger und Wohnwagen der Artisten füllen den weitläufigen Platz in enormer Anzahl.
Durch einen Gitterbogen, dessen Leuchtschrift den Circusnamen zeigt, geht es in die Vorzelte. Weihnachtsdekoration, Teppichboden und Verkaufsstände in Form von Weihnachtsmarktbuden füllen neben Sitzecken und großen Pappmachéfiguren den Raum. Die Gänge unter dem Gradin hin zu den Treppenaufgängen sind mit rotem Stoff verkleidet. Die zwanzi Gradinreihen leuchten in rot und sind teilweise mit Schalensitzen ausgestattet. Edle Logen, die Brüstungen mit rotem Samt bespannt, nehmen vier Reihen Stühle auf. Der Artisteneingang hat riesige Dimensionen und trägt in goldenen Lettern die Aufschrift „Pinder“.

Traditionell beginnt die Vorstellung mit der Raubtierdarbietung. Juniorchef Frederic Edelstein präsentiert Löwen und Tiger, derzeit umfasst die Gruppe neun Tiere, in gewohnter temperamentvoller Weise. Die Tricks – Pyramide, Sprünge, Hochsitzer, Rollover – werden routiniert ausgeführt. Hervorragende Rückwärtssteiger eines Tigers und der imposante Löwenmann, zusammen mit Frederic Edelstein, hoch oben auf einer Spiegelkugel sind die attraktiven abschließenden Aktionen der Darbietung.
Loredana, eine kubanische Artistin, überbrückt den Käfigabbau mit ihrer Arbeit an den Tuchstrapaten. In großer Höhe zeigt die junge Frau alle wesentlichen Tricks des Genres.
Gina Giovannis ist mit ihren beiden Darbietungen im Programm zu erleben. Im ersten Teil sehen wir ihre Handstandkür auf dem hohen Piedestal. In erstklassiger Ausführung und großer Manegenpräsenz erfolgt der attraktive Ablauf. Souverän und elegant werden Handstände, Einarmer und Waagen ausgeführt. Besondere Erwähnung verdient das sehr lange verharren im Kopfstand. Ein Klötzchenturm wird routiniert abgebaut und auf der hoch aus dem Requisit ausfahrbaren Stange erfolgen weitere Aktionen. Abschließend springt Gina Giovannis die vierzehn Stufen der Treppe vom Piedestal zur Erde im Handstand hinunter. Im zweiten Teil arbeitet die Artistin ihre Kür auf dem gespannten Silberdraht. Mit zwei Metern ist das Seil sehr hoch über der Manege gespannt und die Aktionen werden allesamt ohne Vorteil gearbeitet. Sicher und versiert werden Hürdnsprünge, Sprung in einen mit Papier bespannten Ring, Tanzschritte und Spagat ausgeführt. An Wochenenden finden bis zu vier Vorstellungen täglich statt, die der Artistin acht Auftritte abverlangen. Chapeau.
Der große Exotenzug, den Beat Decker mit der Vorführung von vier Kamelen einleitet war an diesem Abend, da die Elefantendressur wegen einer Fußverletzung eines Tieres ausfallen mußte, die einzige weitere Nummer mit Tieren. Letztlich vereinigen sich Kamele, Esel, Zebra, und Lamas zu einem großen Tableau; flechten und Steiger von drei Norweger-Pferden beenden die Nummer.

Die beiden Truppen des kubanischen Staatscircus waren auch in der Saison im Cirque Pinder zu erleben. Am Schleuderbrett überzeugen sie mit einer großen Anzahl unterschiedlicher Tricks. Mit gutem Verkauf zu südamerikanischen Rhythmen werden die Sprünge – u. a. Salto zum Drei-Mann-Hoch in den Spagat, stangengestütztes Vier-Mann-Hoch und dreifacher Salto in einen Sessel – sicher ausgeführt. Am Russischen Barren sehen wir alle relevanten Tricks des Genres.
Die zweite Truppe arbeitet am Fliegenden Trapez. Ein zusätzlicher Fänger an einem Haltestuhl ermöglicht Handvoltigen zwischen den beiden Fängerpositionen. Die Flieger agieren temperamentvoll und zeigen ein umfangreiches Repertoire.
Zusammen eröffnen die beiden Truppen den zweiten Programmteil mit fröhlichem und variantenreichem Seil springen.
„Les Cardinali“ - sind ein klassisches portugiesisches Clownstrio, in dem Senora Cardinali charmant die Rolle des Weißclown wahrnimmt, während ihr Mann und Sohn als erstklassige Auguste überzeugen. In straffem und pointiertem Spiel folgen die Gags zur Freude der Zuschauer rasch aufeinander. Nachdem „ein Teller und ein Ei“ zur Erheiterung beigetragen haben, essen die Auguste – für kurze Zeit von Madame Weißclown allein gelassen und entsprechend zuvor ermahnt -  natürlich doch die ihnen überlassenen Äpfeln. Die abgebissenen Stücke lassen sich großartig umher spucken. Natürlich wird der schwungvolle Auftritt in traditioneller Weise mit gemeinsamen musizieren beendet.

Nach längerer Abwesenheit vom Circus ist Sophie Edelstein nun für das Pariser Gastspiel mit ihren hervorragenden Großillusionen in die Manege zurückgekehrt. Aufwändig inszeniert, brennt sie zusammen mit ihren vier muskulösen Assistenten ein Feuerwerk der Magie ab. Nach der einleitenden Szene legt sich einer der Herren in ein Bett und kaum wird die Decke weggenommen, erscheint Sophie Edelstein an seiner Stelle. Genauso biltzschnell tauscht sie ihren Platz in einem Sessel mit einem Partner. Abschließend wird die Juniorchefin des Hauses, ohne den geringsten Schaden zu nehmen, von brennenden Speeren durchbohrt.
Die „Golden Sheba Girls“ kommen aus Äthiopien und begeistern die Besucher mit einer ästhetischen Kontorsions-Darbietung. Die Choreographie der sechs jungen Frauen schafft Bilder voller Anmut und Grazie, lässt die Schwierigkeit der anspruchsvollen Tricks beinahe vergessen. Im Gleichklang der Bewegungen erreichen sie ihre Position, ihre Gliedmaßen dabei massiv biegend. Die Bildung der Pyramiden erfordert von den „Unterfrauen“ Kraft und Ausdauer, während in den oberen Positionen großes Balancevermögen erforderlich ist.
Zum Finale wird ein überdimensionaler Clownschuh in den Pinder Hausfarben rot und gelb in die Manege gerollt, auf dem einer der Auguste mitfährt. Die große Artistenschar versammelt sich ringsum, die Akteure werden vorgestellt und zu „Wacka Wacka Afrika“ tanzen alle im roten Ring. Ein Feuerwerk auf der Bühne vor dem Artisteneingang bildet den formidablen Hintergrund. Mit langanhaltendem Applaus von den bestens besetzten Rängen endet eine fulminante, leistungsstarke Vorstellung eines der großen Circusunternehmen des Kontinents.

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