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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE PINDER
Paris, 07. Dezember 2013

http://cirquepinder.com/
Traditionell endet die Tournee des Cirque Pinder mit dem Gastspiel in Paris auf der Pelouse de Reuilly zur Weihnachtszeit. Während neun Wochen, von November bis Mitte Januar, demonstriert Pinder seine Größe und verbreitet alle Pracht, deren ein „Geant European“ fähig ist. Passend zu diesem Rahmen wurde selbstverständlich ein hervorragendes Spitzenprogramm geboten.
Das riesige, hohe Sechs-Masten-Chapiteau bietet rund fünftausend Besuchern Platz und glänzt majestätisch im funkelnder Licht tausender Scheinwerfer. Zwei langgestreckte Vorzelte nehmen eine Ausstellung historischer Pinder-Fahrzeuge und die Circusrestauration auf. Weitere große Chapiteaux sind aufgebaut, in ihnen finden die Empfänge und Diners der Galas statt. Breiten Raum nimmt die Menagerie des Cirque Pinder ein. Für die Elefanten , Kamele und Pferde sind neben den Stallungen geräumige Freigehege eingerichtet. Die Raubtieranlage hat wie immer riesige Ausmaße. Sattelzüge des Cirque Pinder, Anhänger und Wohnwagen der Artisten sind in enormer Anzahl auf dem Gelände abgestellt.
Ein hoher Gittermastbogen mit einer Leuchtschrift die den Circusnamen zeigt, der mächtige Kassenauflieger und ein riesiger aufblasbarer Weihnachtsmann bilden die dekorative Front. Durch ein hohes Portal gelangt man in die Zelte. Weihnachtsdekoration, Teppichboden und Verkaufsstände in Form von Weihnachtsmarktbuden füllen neben Sitzecken und großen Pappmachéfiguren den Raum. Die Gänge unter dem Gradin hin zu den Treppenaufgängen sind mit rotem Stoff verkleidet. Die zwanzig Gradinreihen leuchten in rot und sind teilweise mit Schalensitzen ausgestattet. Edle Logen, die Brüstungen mit rotem Samt bespannt, nehmen vier Reihen Stühle auf. Der riesige Artisteneingang trägt in goldenen Lettern die Aufschrift „Pinder“ und weist eine Bühne mit Showtreppe auf.


Traditionell beginnt die Soiree beim Cirque Pinder mit der Raubtierdressur, einem der Highlights der Show. Beim aktuellen Pariser Wintergastspiel hatte die neueste Dressurkreation des Hauses, eine Gruppe mit zwölf weißen Löwen ihr Manegendebut.
Die noch nicht hundertprozentig sicher ablaufende Darbietung wird von Frederic Edelstein und Dicky Chipperfield gemeinsam präsentiert und besticht bereits heute mit einer Vielzahl hochkarätiger Tricks, darunter u. a. Pyramide, verschiedene Sprünge, Hochsitzer und Teppich. Acht Tiere verlassen den Zentralkäfig indem sie zwischen den Beinen des Vorführers hindurch laufen. Den beeindruckenden Schlusstrick gab es lange Zeit nicht mehr zu sehen. Frederic Edelstein liegt rücklings inmitten der Manege und lässt sich von vier quer über ihm liegenden Löwen zudecken, die der nun weitestgehend bewegungsunfähige Dompteur mittels seiner Stimme dirigiert. Chapeau. Natürlich darf auch der Sprung eines Löwen über den sich zu Boden werfenden Dompteur als Abgang nicht fehlen.
Den Käfigabbau überbrückt Clown Pipo mit einer Reprise. Aus seinem Ghetto-Blaster dröhnt „Zumba“ über die Ränge - jedenfalls so lange, bis Manegensprecher Léo Brière, der ansonsten als angenehmer Moderator der Show in Erscheinung tritt, das Gerät letztlich konfisziert. Mit einem riesigen „Luftballon“ unterhält Pipo ein weiteres Mal die Besucher beim Aufbau des Sicherheitsnetzes der Fliegenden Menschen.

Eine Reihe der folgenden Darbietungen waren bereits im Saisonprogramm bei Pinder zu erleben. Valeri arbeitet seine tänzerisch inspirierte Kür, die eine Reihe kräftezehrender Halteposen beinhaltet, an roten Tuchstrapaten. Elegant verbindet er die verschiedenen Abfaller und Halteposen.
Als zweite hauseigene Dressur-Darbietung präsentiert Gary Jahn den großen Exotenzug. Sechs Kamele eröffnen mit ihrer Laufarbeit die Nummer.  Ein großes Karussell aller Tiere ist unveränderter Höhepunkt der Darbietung. Drei Kamele liegen an der Piste ab und ein Zebra hat einen Platz auf einem Tonneau in der Manegenmitte, drei Esel stehen zwischen den Kamelen. Nun ziehen Lamas - die Kamele überspringend - und Norwegerpferde auf zwei Zirkeln im Gegenlauf ihre Bahn. Abschließend bieten die Pferde einige Lauffiguren und Steiger.
Mit einer Tanzszene im Tango-Stil leitet Steven Munoz zusammen mit seiner Partnerin seine Tempojonglagen ein. Routiniert lässt der Jongleur Ringe, Fußbälle und Keulen in den unterschiedlichsten Mustern umherwirbeln. Mit der effektvollen Jonglage von vier hell lodernden Fackeln findet der Auftritt seinen publikumswirksamen Höhepunkt.
Ebenfalls im ersten Programmteil präsentiert Michael Brady die beiden indischen Elefanten des Cirque Pinder. Er arbeitet die tiergerecht gestaltete Darbietung, die die beiden großen gewichtigen alten Damen körperlich in keiner Weise überfordert, in extrem engem Kontakt mit den Tieren, dirigiert sie mit seiner Stimme und verzichtet fast vollkommen auf den Einsatz von mechanischen Hilfsmitteln.  Laufarbeit, abliegen über dem Vorführer und ein Hochsitzer in der Manege gehören zu den souverän vorgetragenen Abläufen.

Sophie Edelstein ist für das Pariser Gastspiel mit ihren hervorragenden Großillusionen in die Manege zurückgekehrt. Aufwändig inszeniert und mit neuer aufwändiger Lightshow ausgestattet, brennt sie zusammen mit ihren vier muskulösen Assistenten ein Feuerwerk der Magie ab. Nach der einleitenden Szene legt sich einer der Herren in ein Bett und kaum wird die Decke weggenommen, erscheint Sophie Edelstein an seiner Stelle. Genauso blitzschnell tauscht sie ihren Platz in einem Sessel mit einem Partner. Nach einer umfassenden Auswahl hervorragenden Großillusionen wird die Juniorchefin des Hauses abschließend, ohne den geringsten Schaden zu nehmen, von brennenden Speeren durchbohrt.
Die kubanische Formation Los Yolos arbeitet vor der Pause am Fliegenden Trapez. Mit einem erstklassig ausgeführten doppelten Vorwärts-Salto bietet die Fliegerin ein Highlight der Darbietung, genauso, wie mit ihrem Sprung in der abschließenden Passage. Auch die beiden Voltigeure bieten eine Reihe elegant ausgeführter Sprünge, darunter ein dreifacher Salto.

Die Truppe „Sol de Cuba“ vom kubanischen Nationalcircus eröffnet mit ihrer Akrobatik am Chinesischen Mast den zweiten Programmteil. Temperamentvoll wird die leistungsstarke Nummer mit ihrer Vielzahl anspruchsvoller, kräftezehrender Tricks in eleganter Ausführung dargeboten.
Conchi Munoz und Gary Jahn bringen drei mächtige Seelöwen in die Manege. Ruhig und sachlich agierend lassen die erfahrenen Tierlehrer ihre Schützlinge in abwechslungsreicher Folge unterschiedlichsten Tricka ausführen. Die Meeressäuger betätigen sich als Akrobaten, Balancekünstler und zeigen sich als talentierte Schauspieler. Unter anderem fangen sie Ringe, zeigen einen „einarmigen Flossenstand“, richten sich auf der Hinterflosse auf und tragen Bälle auf der Schnauze. Sie „singen“ ins Mikrofon, schämen sich, und küssen ihre Vorführerin.
Das ukrainische Duo „Just two Men“, Artem Lyubanevych und Oleg Shakirov, bieten eine starke Leistung an den Strapaten. Hervorragend werden die zahlreichen kräftezehrenden Tricks, die zumeist im Genre Hand-auf-Hand angesiedelt sind, in Verbindung mit den weiten Flügen ausgeführt. Ein perfekter Vortrag, der Eleganz mit enormer Kraftentfaltung exzellent vereint.

Les Cardinali“ - ein portugiesisches Clowntrio, in dem Senora Cardinali charmant die Rolle des Weißclown schlüpft, während ihr Mann und Sohn als erstklassige Auguste überzeugen, begeistert mit klassischer Clownerie. Trotz der fortgeschrittenen Stunde, es war beinahe Mitternacht, gehen die Zuschauer, darunter zahllose kleine Kinder, begeistert mit, quittieren die Gags mit Lachsalven und feiern die Clowns mit anhaltendem Applaus. Nach einigem Geplänkel der Auguste schlägt Senora Cardinali vor, die Angelegenheit in einem Boxkampf zu klären. Wie stets versteht es das Trio, mit engagiertem und sehr straffem Spiel, rasant aufeinander folgenden Pointen zu begeistern. Mit traditionellem stimmungsvollen gemeinsamen musizieren klingt das Entree aus. Die erstklassigen Kostüme und virtuose Musikalität des Trios sind immer wieder besonders hervor zu heben.
Finalnummer des großartigen Spektakels ist „Crazy Wilson“ mit seiner bestens bekannten Arbeit auf dem Todesrad. Die gewaltigen Dimensionen des Chapiteau werden nun sehr deutlich, da die Todesraddarbietung unter (!) dem unverändert in der Kuppel hängenden Trapezapparat stattfindet. Wilson Gonzalez, nicht zum ersten Mal bei Pinder in Paris zu sehen, sorgt mit seinen Saltos vom Rad in die Manege und auf der Außenbahn des Rades noch einmal für feuchte Hände bei vielen Zuschauern im bestens gefüllten weiten Rund.
Das Finale im Cirque Pinder ist traditionell kurz gehalten. Zu den Klängen von „Waka Waka“ tanzen die mitwirkenden Artisten in die Manege und im Hintergrund wird ein Feuerwerk gezündet. Sprecher Léo Brière stellt alle noch einmal vor. Unter dem lebhaften Applaus des vom Gebotenen begeisterten Publikums leert sich rasch der rote Ring und die rund drei Stunden dauernde großartige Vorstellung, die alles aufbot was man von einem traditionellen Circus erwarten kann, geht zu Ende.