Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS RENAISSANCE
Gent, 13. April 2013



www.circusrenaissance.nl
Im belgischen Gent startete Alberto Althoff mit seinem Circus Renaissance in die neue Saison. Auf einem Platz neben dem königlichen Ruderclub der Stadt war der Circus in voller Pracht aufgebaut. Das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens korrespondiert in erstklassiger Weise mit dem gewählten Namen.
Eine stilvoll bemalte und beleuchtete Fassade bildet das Zentrum der Front und wird von einem nostalgisch gestalteten Zaun flankiert. Ein antiker hölzerner Circuswagen komplettiert das Arrangement. Die Wagen sind in cremeweiß mit dunkelroten Absetzungen lackiert und an den Ecken mit erhabenen Ornamenten verziert. Große nostalgische Plakatmotive zieren die Seiten der großen Transportwagen. Rot und blau sind die Farben der Zeltanlagen. Mit vollkommen neuer Einrichtung präsentiert sich das Vorzelt. Zahlreiche, aus Holz gefertigte und in den Circusfarben lackierte, Verkaufsstände sind in hervorragender Weise professionell mit stimmigen Motiven, im gleichen Stil wie die Fassade und Plakatmotive, bemalt. Der große nostalgische Verkaufswagen strahlt nun in cremeweißem Hochglanzlack. Zahllose Dekorationselemente, wie z. B. alte Kostüme, „Artistengepäck“, Sättel, Laternen und vieles mehr, verleihen dem Raum seine einmalige, unverwechselbare Atmosphäre. Die stimmungsvolle Beleuchtung mit Glühbirnen in den Lichtgirlanden und an den Ständen trägt das ihre dazu bei. Im Chapiteau setzt sich die stimmungsvolle Gestaltung fort. Ein Empfangsdesk, von gleicher Machart wie die Verkaufsstände, steht dem Einlasschef zur Verfügung. Die Logenbrüstungen sind mit gemustertem Stoff verkleidet und tragen kleine Lämpchen an den Ecken. Ein großes, steil aufragendes Schalensitzgradin steht für die Besucher zur Verfügung und der riesige Artisteneingang komplettiert die Einrichtung. Aus rotem und dunkelblauen Samt mit goldenen Applikationen gefertigt, bildet er den idealen Hintergrund für die auftretenden Artisten. Auf einem kleinen beleuchteten Podium direkt vor dem Vorhang hat eine Drehorgel ihren Platz und ein großer Kronleuchter in der Kuppel vervollständigt das festliche Ambiente. Das Erscheinungsbild des Circus Renaissance spiegelt in erstklassiger Weise die Belle Epoque wieder und selbst die Requisiteure verrichten ihre Arbeit in entsprechenden Clownskostümen und passend geschminkt.

Mit einem großen, temperamentvoll vorgetragenen Charivari startet die Show. Das Direktorenpaar Alberto und Katharzyna Althoff steht rekommandierend in der Manege und die Artisten bieten Kostproben ihres Könnens. Einem kleinen Circus-Oberlichtwagen entsteigen die Clowns und Yussuf Moustafaiev stößt aus seinem Mund hohe Feuersäulen in die Kuppel. Die Manege leert sich und der „starke
Mann“ hantiert, souverän wie stets, mit großen Eisenkugeln und balanciert einen Amboss auf seiner Stirn.
Harald Vassallo bietet eine variantenreiche Arbeit auf dem Drahtseil. Er beginnt seinen Auftritt mit vielfältigen Schrittkombinationen und den verschiedensten Sprüngen auf dem straff gespannten Seil. Mit wenigen Handgriffen wird das Requisit in ein Schlappseil verwandelt und auch diese Variante des Seillaufs wird souverän beherrscht. Mit einer Balance auf dem Einrad erreicht die Darbietung ihren Höhepunkt.
Wenig später sehen wir den sympathischen Artisten mit seiner Darbietung auf der freistehenden Leiter. In hohem Tempo werden die ersten Tricks, Pirouetten mit der Leiter, gearbeitet. Es folgen Jonglagen mit Ringen und Tennisschlägern. Ein Handstand auf der Leiter und ein Zwei-Mann-Hoch mit seiner Partnerin Sharon sind weitere akrobatische Tricks der Darbietung.
In einem weiteren Auftritt begeistern Harald und Sharon Vassallo mit Leiterbalancen. An der Spitze der hohen, frei auf den Füssen von Harald balancierten Leiter, führt Sharon Vassallo verschiedene Hand- und Kopfstände elegant aus.

Alberto Althoff leitet, in ein original mongolisches Gewand gehüllt, fünf Steppenkamele zu ihren vielfältigen Lauffiguren an. Souverän ziehen die Trampeltiere ihre Bahnen durch den Manegensand.
Ein weiteres Mal steht der Chef des Hauses im Mittelpunkt einer Freiheitsdressur. Sechs friesische schwarz-bunte Kühe schreiten in aller Gelassenheit durch den Manegensand und zeigen dabei die von Pferdedressuren bestens bekannten Abläufe. Als Da Capo verabschiedet sich die letzte der „Damen“ mit einem gekonnten Knicks vom Publikum.

Die quirlige Hundemeute von Sergey Prostetsov, alias Mr. Dalmatin kommt auch in diesem Rahmen gut an. Dalmatinerhunde und ein farblich passendes Pony agieren gekonnt in der Manege. Die Pudel fiebern ihren Einsätzen als Jockeys geradezu entgegen. Mr. Dalmatin jun. ist nun mehr in den Ablauf der Darbietung eingebunden, u. a. unterstützt er das Headbanger-Pony auf der „Gitarre“ und auf einem steigenden Pony reitet er aus der Manege.
Im Verlauf des Programms erleben wir Vater und Sohn Protsetsov in mehreren Auftritten als Reprisenclowns. Zunächst hantiert der Senior mit Luftballons, die an Logenbesucher überreicht werden, ehe er ein „Zuschauerkind“ in die Manege holt und mit ihm im Gangnam-Style tanzt. In einem weiteren Auftritt schafft es der Junior ohne Probleme sich auf ein Hühnerei, dass auf einem Schemel liegt, zu setzen und dieses verschwinden zu lassen, während es unter seinem Vater sofort platzt. Schließlich zeigt sich ein Kostümhund ziemlich eigenwillig und dirigiert seinen Herrn an der „Leine“ durch die Manege, ehe er schlussendlich durch einen Reifen „springt“.
Erstmalig tritt Madame Protsetsova mit ihrer neu erarbeiteten Luftdarbietung in Erscheinung. An weißen Strapatentüchern zeigt die gleichfalls weiß gekleidete zierliche Artistin eine ausgereifte Darbietung. In einer stimmigen Choreographie folgen die Tricks des Genres rasch auf einander. Kraftvolle Halteposen, weite Flüge und riskante Abfaller werden erstklassig ausgeführt und so lässt diese Darbietung keine Wünsche offen.

Die erst fünfzehnjährige Kontorsionistin Anoi begeistert mit ihrer erstklassigen Kür. Elegant demonstriert die junge Frau ihre enorme Beweglichkeit. Scheinbar ohne die geringste Anstrengung verlangt sie ihrem Körper die extremen Biegungen ab. In den Ablauf integrierte Handstände werden kraftvoll und sicher ausgeführt. Ein Stand auf dem Mundstab beschließt ihre Evolutionen.
Das Trio Rastelli bietet klassische Clownerie par excellence. Während der weibliche Weißclown nur zu Beginn und am Ende der Nummer präsent ist, ziehen die beiden Auguste, Oreste und Vitorio, alle Register clownesken Klamauks. Lautstark wird dem Kollegen mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen, landet das Vorderteil einen Tuba auf dem Kopf, hängt die komplette Oberbekleidung eines August nach ablegen des Fracks fein säuberlich auf der Wäscheleine. Sie lassen kaum einen der bekannten Gags aus und letztlich zerfällt ein „Klavier“ unter dem Schuss aus einer Kanone in tausend Einzelteile während die Granate im Körper eines Augusts steckt. Virtuos verstehen es die Rastelli Clowns mit ihrer Musikalität zu unterhalten. Die verschiedensten Blasinstrumente werden gekonnt gespielt, darunter auch zwei Trompeten von einem Solisten zur gleichen Zeit geblasen. Die Stimmung im weiten Rund erreicht ihren Höhepunkt, als einer der beiden Herren mit volltönender, dunkler rauchiger Stimme „What a wonderfull
World“ singt.

Eine herausragende Spitzendarbietung präsentieren Ancej und Tomek mit ihrer Hand-auf-Hand Akrobatik. Schwierigste Tricks werden von den polnischen Artisten in Vollendung ausgeführt und wirken spielerisch leicht. Anspruchsvolle Übergänge, im Adagio-Tempo ausgeführt, verbinden elegant und fließend die verschiedenen Posen.
Die Gestaltung des Finales ist, wie überhaupt die Choreographie der gesamten Show, die Domäne von  Kathazyna Althoff. Kostüme, Licht und Musikauswahl werden von ihr abgestimmt. Kleine Zwischenspiele im Hintergrund der Manege auf dem Podium, auch unter Einbeziehung der Requisiteure geben der Show ihr eigenes Flair, erhöhen den Schauwert und verbinden die Nummern zu einem harmonischen Ganzen.
Das Finale bietet einen fröhlich schwungvollen Ablauf, der alle Mitwirkenden noch einmal ins rechte Licht rückt. Charmant verabschiedet sich die Direktion und leise klingt die Show aus.
Auch in dieser Spielzeit bietet der Circus Renaissance wieder ein mitreißendes traditionelles Circusprogramm, dass durch die phantasievolle und harmonische Gestaltung zu einer gelungenen Show wird. Die Liebe der Direktion zu gutem Circus und ihrem eigenen Tun offenbart sich hier in ganz besonderer Weise und lässt den Besuch immer wieder zu einem erfreulichen Ereignis werden.
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