Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS RONCALLI
Köln, 13. März 2010

www.roncalli.de
In seiner Heimatstadt Köln startete der Circus Roncalli in die neue Saison, wie immer ist man auf dem Neumarkt zu Hause. Genau wie beim letzten Gastspiel muss außerhalb der Vorstellungszeiten ein frei zugänglicher Korridor zwischen Vorzelt und Chapiteau quer über den Platz geschaffen werden, damit die Nutzer des Nahverkehrs keinen kleinen Umweg um den Circus machen müssen.  So leidet für Ästhetiker die Ansicht des Circus, da die Anordnungen nicht dem üblichen Anblick entsprechen.
Sehr eng geht es auf dem Platz zu. Das Chapiteau passt haargenau zwischen die hohen Platanen und die seitlichen Abseglungen der Masten werden über besondere Konstruktionen so abgelenkt, dass sie dicht am Rondell enden und nicht auf den Straßenbahnschienen, die den Platz säumen. Büro, Kasse, Restauration sowie die beiden dekorativen Frontwagen füllen den Raum vor den Zelten. Elektrozentrale und einige Garderobenwagen stehen neben dem kleinen Stall auf der Rückseite. Die Wohn- und Materialwagen sind in einem der Kölner Vororte zu finden.
Etliche Wagen zeigen sich neu lackiert, bzw. generalüberholt und auch ins übrige Equipement wurde viel investiert. So wurde die Lichtanlage nun komplett auf moderne LED bestückte Leuchten umgestellt.


Offensichtlich hat der „Zauber Roncalli“ auch im vierunddreißigsten Jahr des Bestehens nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Zweieinviertel Stunden vor Beginn der Abendvorstellung fanden sich die ersten Besucher vor der Front ein, begann sich die Schlange vor dem Einlass zu formieren. Das „Erlebnis Roncalli“ beginnt mit dem Einlass. Das Orchester spielt im Vorzelt schwungvollen Dixieland, Artisten malen den hineinströmenden Gästen ein Herzchen auf die Wange oder eine rote Nase. Andere geben kleine Kostproben ihres Könnens. Mit Vorstellungsbeginn finden die letzten Zuschauer noch einen Platz im restlos gefüllten Gradin, nachdem Patrick Philadelphia mehrfach zum aufrücken aufgefordert hatte.

Unter dem Titel „Smile – all you need is laugh!“ erleben wir in diesem Jahr ein in weiten Teilen erneuertes Programm. Anders als im letzten Jahr wird  es nun wieder in hellerem Licht präsentiert, werden nun wieder mehr warme Farben von den Scheinwerfern ausgestrahlt. Der Sound des wie immer ausgezeichneten Orchesters erscheint aktuell etwas weniger druckvoll, er wird wieder mehr von Streichern geprägt. Speziell im ersten Programmteil erinnert der Klang sehr an 'Wiener Caféhaus-Atmosphäre“.

Im Dämmerlicht warten eine Tänzerin, Gensi, Karl Trunk mit einem Pony und Encho darauf, von Clown David Larible aus ihrem Dornröschen-Schlaf erweckt zu werden. Dann erfolgt ein klassisches großes Charivari, in dem der Circusnachwuchs sein Können präsentiert. Vivian Paul arbeitet kurz am Ring, Laribles Sohn jongliert mit Keulen,  Patrick Philadelphias Tochter und eine weitere Teenagerin agieren mit großen Metallringen bzw. kleinen Teppichen. Auch die Ballon-Exzentrik von Victor findet sich in einer kurzen Sequenz im Charivari wieder.
Nahtlos geht es weiter mit Vic & Fabrini. Das brasilianische Duo unterhält mit einer ausgewogenen Melange aus Automatenmensch, Comedy und Magie. Ein schneller Wechsel von klassischen Zaubertricks und teils überraschenden Slapstick-Gags kennzeichnet die einzige tempogeladene Darbietung des ersten Programmteils.

Wie immer nehmen die Auftritte der Clowns breiten Raum im Roncalli-Programm ein. Als eigenständige Reprise bietet Gensi, er wurde komplett mit neuen edlen Kostümen ausgestattet, nur noch sein Spiel auf den Fingerpfeifen.
Von den bekannten Reprisen und Entrees David Laribles sind die 'Oper' und sein 'Quick-Change' im Programm, dazu kommen vier 'neue' Szenen.

Zunächst „findet“ er „zufällig“ eine Fernbedienung im Manegensand mit der zuerst die Lichtanlage, dann der Applaus-Wettbewerb der beiden Gradinseiten dirigiert wird. Überraschenderweise lassen sich die Ponys nicht damit lenken.
In einem noch etwas langatmigen Entree agiert David Larible als großer Zauberer. Patrick Philadelphia und Gensi sind zunächst seine Partner. Dann darf ein Zuschauerpaar mitspielen und der männliche Partner wird in eine Ziege verwandelt.
Als weiteres Entree im ersten Teil spielt man mit Glocken. Sechs Zuschauer/Innen werden in die Manege gebeten und im gleichen Stil und vielen ähnlichen Gesten wie ansonsten beim 'Orchester' agiert, ohne allerdings die gleiche Resonanz im Publikum zu erzielen.
Als 'neue' Reprise im zweiten Programmteil spielt David Larible mit einem Lichtstrahl, den er  zur Erleichterung aller endlich in seiner Kappe fängt und übers Publikum verteilt. Auch diese Reprise weist noch, am dritten Spieltag der Saison, Längen auf und zeigt sich insgesamt stark von Oleg Popov inspiriert.

Die trickstarke anspruchsvolle Ponyfreiheit von Karl Trunk ist weiterhin die einzige Nummer mit Tieren im Roncalli-Programm. Elegant führt der Dresseur die perfekt laufende Freiheit mit ihren anspruchsvollen Lauffiguren vor. Sehr schön, dass heute fast nicht mehr zu sehende Schlussbild mit Schaukelponys, Bett- und Karussellpferd.
Seifenblasenkünstler 'Burl' - Darren Burrell - zaubert nur mit seinen Händen seine schnell vergänglichen Kunstwerke. Vielfältige Formen, teils mit Rauch aus einer Wasserpfeife gefüllt, wechseln rasch und schaffen eine poetisch verträumte Stimmung. Bei vielen sorgt sein Auftritt für das Pausengespräch.

Bei anderen ist die ausgefeilte trickstarke Partnerakrobatik der Golden Girls der Höhepunkt im ersten Teil. Die drei Artistinnen haben das Trio Bellissimo abgelöst. Bei sehr ähnlichem optischem Erscheinungsbild und Trickfolge ist der neue Name die größte Veränderung.

Zwei weitere neue Darbietungen sind an die Stelle der ausgeschiedenen Tsodikovi Schwestern getreten. Zum einen sehen wir Jongleur Dustin Huesca mit kleinen weißen Bällen arbeiten. In recht strengem, klassischem Outfit jongliert er sowohl 'nach oben' als auch über den Boden.
An den Strapaten bietet Shirley Larible eine anmutige Nummer. Die junge Frau beweist Kraft und großes Balancegefühl. Zum Abschluss lässt sie sich, mit den Füßen in den Schlaufen der Strapaten frei stehend, ohne Vorteil in den Spagat gleiten.

In der Pause wurde der Zentralkäfig errichtet und den zweiten Programmteil eröffnete Bernhard Paul in der Maske des 'Zippo' mit der „Vorführung“ der mechanischen Eisbären. Im diffusen blauen Licht wirken die von einem Menschen in ihrem Innern bewegten Puppen zunächst naturgetreu, bewegen sich etwas behäbiger an ihren Platz. Zwei Tricks und einige flotte Sprüche des Direktors später endet diese seltsam anmutende Szene recht schnell. Beim Rezensenten und anderen hinterlässt dieser Auftritt, den es nicht in allen Saisonstädten geben wird, eine gewisse Ratlosigkeit zu deuten, was man denn nun gesehen hat – war es doch weder Dressur, noch Akrobatik oder Clownerie. Am ehesten ließe es sich als Karikatur einer Circusdarbietung bezeichnen.

Kam der erste Teil eher geruhsam daher, gewinnt das Programm nun deutlich an Schwung und zieht die Zuschauer immer stärker in seinen Bann. Großen Anteil daran hat der tempogeladene hervorragend präsentierte Quick-Change des Duo Minasov. Komplett mit neuen Kostümen ausgestattet brillieren beide Partner mit blitzschnellen Kleiderwechseln.
Der russische Klischnigger Andrej Romanovsky verblüfft mit seiner enormen Biegsamkeit die Besucher. Seine durchgestylte, erstklassige Nummer enthält eine ganze Reihe ausgefallener Tricks.

Außergewöhnlich, die Darbietung des Duo Bobrov am Vertikalseil.   Mit sehr viel Pathos, zu hoch dramatischer Bandmusik, bedeutungsschwanger präsentiert, steht die Rahmenhandlung sehr im Vordergrund – wirkt aufgesetzt. Die starken, teilweise risikoreichen Tricks werden hervorragend und ohne Sicherung gearbeitet. Vom begeisterten Publikum werden die Artisten beim Kompliment  mit lang anhaltendem frenetischen Beifall gefeiert.
Das 'Oper-Entree' von David Larible muss nun ohne das einleitende „Defilee der Damen“ auskommen und gewinnt auf diese Weise an Fahrt. Die hinlänglich bekannten Gags erreichen immer wieder aufs Neue das Publikum.

Nach wie vor setzt Encho Keryazov mit seiner Spitzendarbietung den spektakulären Höhepunkt der Show. Seine exzellente Arbeit wird nun von einem neuen Lichtdesign unterstützt. Die kraftvollen, perfekt präsentierten Tricks begeistern immer wieder, nicht zuletzt auch wegen der Selbstverständlichkeit mit der sie vorgetragen werden. Gebannt verfolgt das Publikum diese Demonstration der Körperbeherrschung und feiert den Artisten beim Kompliment.

Von jeher fällt das Finale bei Roncalli üppig aus, einer bewährten Choreographie folgend. Nach dem Walzer der Artisten mit Zuschauern, Feuerwerk und Einzelkompliment der Artisten folgt der obligatorische Konfetti-Regen. Dann leert sich die Manege, das Orchester stimmt „all you need is love“ an und David Larible animiert die Zuschauer zum mitsingen.
Nun ist es auch für den Clown an der Zeit sich zu verabschieden – Gensi und die Tänzerin holen ihn in der Manege ab. Die Musik wird leise und zu Gensi' s Geigenspiel ziehen sich die drei zurück. David Larible kehrt kurz um, nimmt eine Handvoll Konfetti auf, wirft es unter dem Vorhang hoch, ein letztes Kompliment. Der Vorhang fällt, das Orchester verstummt – die Show ist aus.
Nach etwas mehr als drei Stunden endet das neue Programm im Circus Roncalli, dass in typischer Manier zusammengestellt ist und Detail verliebt stimmungsvoll präsentiert wird.

optimiert