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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS RONCALLI  
Aachen, 11. April 2009

www.roncalli.de
Der Circus steht auf dem Blücherplatz, einem engen ansprechend gestalteten Gelände in der Innenstadt. Wie fast immer hat man nicht den üblichen Festplatz der Stadt, in Aachen ist dies der Bendplatz, gewählt.  Dicht an dicht stehen die Wagen und Zelte. Ein Straßenzug durchtrennt die Fläche und auf dem kleinen Teil sind Mannschaftswagen aufgefahren. Artistencampings, Zugmaschinen usw. sind hier am Circus keine zu sehen. Wie in all den langen Jahren wartet Roncalli mit umfangreichem, schön anzusehenden, historisch gestalteten Material auf. Bei näherem Hinsehen zeigt sich allerdings ein gewisser Renovierungsstau. An vielen Stellen platzt Farbe auf und ab, ist altes verwittertes Holz zu sehen. An den Oberlichtwagen  genauso wie an den aufwändig profilierten Säulen des Frontzauns. Die Zaunelemente zeigen deutlich Gebrauchsspuren, genauso wie an vielen Metallteilen Farbe fehlt.
Eine dreiviertel Stunde vor Einlassbeginn formiert sich die Schlange vor dem Eingang. Wenig später werden die Menschen vom Portier aufgefordert, die Ordnung aufzugeben und alle dicht gedrängt vor dem Einlass zu warten, weil ansonsten viele auf der Fahrbahn zu stehen kämen. So beginnt denn die Drängelei der Inhaber unnummerierter Sitzplätze um die beste Ausgangsposition und die Diskussion um evtl. vordrängeln.
Dann ist es soweit, der Einlass beginnt und wie immer startet der 'Zauber Roncalli'. Live-Musik im Vorzelt – die Musiker haben neue Kostüme, Artisten verteilen Bonbons oder malen rote Nasen und Herzchen auf die Wange, kleine Kunststücke werden gezeigt, Popkorn und andere Leckereien duften, die Programmverkäuferinnen in ihren schmucken Uniformen wedeln mit den Heften. Circusatmosphäre pur, Roncalli as every year.

Das Programm zeigt sich in wesentlichen Zügen unverändert. Ausgeschieden sind Sergej Masslenikov, Duo Urunov, Alain Sulc und Konstantin Mouraviev. Neue Artisten in der Roncalli-Manege sind Karl-Ferdinand Trunk sowie Vic & Fabrini.

Die Ränge füllen sich und David Larible „wärmt das Publikum an“. Den Part von Sergej Masslenikov übernimmt dabei einer der beiden Magier. Dann das gewohnte Opening. Weißclown Gensi, seine Auftritte wurden gegenüber der Vorsaison reduziert, spielt auf der singenden Säge und sucht zusammen mit Patrick Philadelphia nach einem „Ersatz-dummen-August“. Wie wir wissen werden sie fündig und nachdem David Larible in den Clown verwandelt wurde, startet das Programm rasant mit Victor in seinem überdimensionalen Luftballon. Gensi führt seinen 'Hippopotamus' vor und darauf folgt Karl-Ferdinand Trunk mit den Ponys. Die acht munteren Pferdchen zeigen ihr Repertoire mit einer bemerkenswerten Präzision und kommen beim Publikum ausgezeichnet an.
Für einen ersten eindrucksvollen Höhepunkt in diesem Programm dass eine sehr hohe Anzahl an Monte Carlo Preisträgern in seinen Reihen hat,  sorgen die Schwestern Maryna und Svetlana Tsodikovi. Ihre Antipodendarbietung fasziniert immer wieder aufs Neue. Trickstark, hervorragend in der Präsentation und mit großer Ausstrahlung reißen die beiden Artistinnen die Zuschauer mit. Die jungen Frauen des Trio Bellisimo zeigen ihre starke Hand-auf-Hand Akrobatik nun auf einem beleuchteten Podium. David und Gensi begleiten sie nun mit Live-Gesang.

Hier wird zum ersten Mal sehr deutlich, dass die Lichtregie bei Roncalli derzeit nicht die Beste ist. Die meiste Zeit wird die Manege nur mit den hoch in der Kuppel hängenden LED-Scheinwerfern in rot und blau erleuchtet. Dies ergibt ein recht diffuses unakzentuiertes violettes kaltes Licht auf die Szene. Die Gesichter der Artisten verbleiben durchweg tief im Schatten und sind kaum zu erkennen. Die in halber Höhe an den Masten angebrachten Scheinwerfer und Scanner kommen nur in wenigen Augenblicken zum Einsatz, genauso wie auch die beiden Verfolger allzu oft geschont werden.
Seifenblasen haben Tradition im Circus Roncalli. Aktuell verzaubert Darren Burrell im Kostüm eines Maharadschas mit den vergänglichen Gebilden die Zuschauer. Zu deren Gestaltung benutzt er, anders als seine Genre-Kollegen, nichts als seine Hände.
Die Reprisen von David Larible zeigen sich nur geringfügig verändert. Nach seinem 'Quick Change' jongliert er nicht mehr mit Tüchern sondern zeigt nur eine kurze Tanzsequenz mit dem nun wieder vorhandenen vierköpfigen Ballett.Vor der Pause dann sein Entree mit den Tellern.  Als zweites Entree, nach dem 'Defilee der Damen' selbstverständlich weiterhin 'Opera'. In der besuchten Vorstellung wirkte David Larible – sagen wir mal – uninspiriert. Die Entrees wurden recht flott und knapp abgespielt, speziell bei der Opernszene wirkte es, als wolle er rasch fertig werden.

In der Pause wird ein kompletter Holzboden in der Manege verlegt und somit der ideale Untergrund für die rasante Performance des Duo Minasov geschaffen. Deren Quick Change fasziniert, wie den Reaktionen der Umsitzenden zu entnehmen, immer wieder aufs Neue.
Die starken Tricks und Leistungen des Duo Bobrov am Vertikalseil werden überlagert von der Geschichte die diese Darbietung erzählen soll. Mit sehr viel Pathos, zu hoch dramatischer Bandmusik, bedeutungsschwanger präsentiert tritt die artistische Leistung in den Hintergrund, wirkt die Rahmenhandlung oft aufgepfropft.
Das brasilianische Duo Vic & Fabrini wartet mit der zweiten neuen Darbietung dieser Saison bei Roncalli auf.  Automatenmensch, Comedy und Magie  - aus diesen Elementen formen sie ihre Nummer, die eher auf einer Varietébühne als in einer Circusmanege angesiedelt ist.
Den spektakulären Höhepunkt der Vorstellung liefert wieder ein Mal Encho Keryazov mit seiner kraftvollen Handstandakrobatik. Eindrucksvoll versteht er es, sich und seine hervorragende Leistung ins rechte Licht zu rücken. Atemlos vor Bewunderung verfolgt das Publikum diese Demonstration der Körperbeherrschung und feiert den Artisten beim Kompliment überschwänglich.

Das Roncalli-Finale versteht sich seit jeher als eigenständige Nummer und wird auch in diesem Jahr wieder im gewohnten und bewährten Ablauf, mit Feuerwerk und Walzer, zelebriert. David Larible tauscht das Clownsoutfit wieder mit dem Hausmeisterkittel und verlässt zusammen mit Gensi die Manege. Mitten in der Manege hängt der Clownsanzug am Haken, der Tisch mit dem Schminkzeug wird dezent beleuchtet, die Band verstummt langsam, noch ein wenig Applaus und dann kehrt David Larible noch einmal zurück – nur mit einem Badetuch um die Hüften – und bedeutet den Zuschauern, dass die Show nun wirklich aus ist. Noch einmal badet er im Beifall und dann ist es wirklich Schluss für diesen Abend, langsam leert sich das Chapiteau und in der leise klingenden Musik im Vorbereich verläuft sich die Menge.