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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS RONCALLI
Luxemburg, 01. Mai 2015

www.roncalli.de
Nach drei Jahren schlug der Circus Roncalli wieder einmal seine Zelte in Luxemburg Stadt auf dem Place Glacis, dem zentralen Festplatz der Stadt, auf. Wie stets präsentiert sich der Circus in der bestens bekannten nostalgischen Optik.
Die attraktive Front empfängt mit ihrer Pracht die Besucher und bietet einen hohen Schauwert. Der verzierte Frontzaun mit den schmucken Kandelabern, die nostalgischen verspielt designten Wagen, das Vorzelt mit dem bemalten Giebel und die davor stehende, in einem Circus einzigartige Wurstbraterei transportieren den Zauber Roncallis.
Über dem cremefarbenen Zelt mit den blauen Absetzungen flattern gelb-blaue Fahnen an den Mastspitzen. Dicht drängen sich eine Reihe hölzerner Oberlichtwagen – der üppige dekorierte Kassenwagen, Büro,Garderoben und Schneiderei, Elektrozentrale – um die Zeltanlagen. Zwei antike Packwagen, an ihnen zeigt sich, dass hölzerne Wagen eine nie endende Aufgabe für Restaurateure sind, ergänzen das Ensemble.
Der einzigartige Caféwagen mit angeschlossenem Biergarten, die großartigen Wohnwagen der Direktion und fünf große Tonnendachwagen sowie der Stall für die Ponys von Karl Trunk komplettieren diesen Teil des Circus. Die Wohnwagen der Artisten und die Transportfahrzeuge sind auf einem anderen, durch eine Straße getrennten Platzteil abgestellt.
Das Procedere beim Einlass bleibt unverändert – das Orchester spielt im Vorzelt und die Artisten geben Kostproben ihres Könnens. Rote Herzchen werden in erwartungsfrohe Gesichter gemalt, Nasenspitzen rot geschminkt und die ganze Szene in Konfettiregen getaucht.

"Good Times"- unter diesem Motto läuft das gegenüber dem Vorjahr nur marginal veränderte Programm ab.
Abendregisseur Patrick Philadelph begrüßt im vollbesetzten weiten Rund die Besucher und seine Anweisungen bezüglich Rauch- und Videoverbot, bzw. der Lage der Notausgänge werden von den Clowns anschaulich illustriert.
Der erste von etlichen verschiedenen Manegenteppichen die im Verlauf der Show zum Einsatz kommen und immer wieder mit einigem Aufwand gewechselt werden, ist als Zifferblatt einer überdimensionalen Uhr gestaltet. Auf einem kleinen Podest in seiner Mitte bietet Sergi Buka in einem an eine napoleonische Uniform erinnernden Kostüm eine Lasershow. Er formt den gleißenden grünen Lichtstrahl zu verschiedenen Mustern.

Gleich darauf spielen Gensi und Devlin Bogino auf einer Glasorgel und nach einem erneuten Wechsel der Szene bieten fünf ArtistenInnen des Circustheaters Bingo ein Charivari, das Elemente der Luftartistik und Rola-Rola Akrobatik enthält.

Das erste, nur noch sehr selten zu sehende Entree lässt die Clowns – Gensi, Oriol, Devlin Bogino und Anatoli Akermann – gemeinsam in Aktion treten. Weißclown Gensi wird ein feiner Sessel überbracht, der alsbald durch den Übermut von Oriol und Devlin zusammenbricht, da sie ihn ausprobieren nachdem Gensi die Manege kurz verlässt. Flugs wird Devlin in die leere Stoffhülle gesteckt und das Unheil nimmt seinen Lauf.
Die beiden weiteren Auftritte mit Oriol in der Hauptrolle werden ebenfalls von den Kollegen mitgetragen. Sein Glockenspiel wird als Vivaldi-Konzert annonciert und die Kinnbalance von vier aufeinander gestapelten Klappstühlen ist in eine „Reise nach Jerusalem“ eingebettet.
Zur Pause musizieren die Clowns auf allerlei außergewöhnlichen Schlagwerken.
Anatoli Akermann präsentiert in einem grandiosen Solo-Auftritt einen mitreißende Kombination aus Stepptanz und einer Zigarrenkästchen-Jonglage. In einer weiteren Reprise versucht er sich als Schmetterlingsjäger.

Der Auftritt von Fußball-Jongleur Jemile Martinez ist nun als zweite Darbietung zu erleben. Geschickt manipuliert der versierte Artist bis zu fünf Bälle in vielfältiger Weise. 
Als einzige Darbietung mit Tieren wird unverändert die erstklassige Ponydressur von Karl Trunk geboten. Nachdem die drei größten Ponys bunte, aus der Kuppel herabhängende Stoffbahnen zu einem Zopf geflochten haben, laufen sie Achten um hohe gelb-rote Pylonen. Nach einem Gruppensteiger kommen vier weitere Mini-Pferde hinzu und verschiedene Lauffiguren werden gekonnt absolviert.
Anschließend folgt ein, alleine ob des enormen Größenunterschieds der beiden Manegenpartner beeindruckenden, Groß-und-Klein eines mächtigen Shire-Horse und eines sehr kleinen Ponys. Ein perfekter Steiger des riesigen Kaltblüters beschließt die Freiheitsdressuren eindrucksvoll.
Zu einer Romanze an den Strapatentüchern hat das Duo Viro seine Luftdarbietung gestaltet. Stimmig erfolgen die verschiedenen Partnertricks und mit einigen riskanten Abfallern bietet der Auftritt den nötigen Nervenkitzel.

Die vier Rogashkov bieten ihre Liebesgeschichte am Quadratreck weiterhin als Pausennummer. Zu schwermütigen, getragenen Tangomelodien entwickelt sich allmählich das werben der drei Herren um die Dame. Allmählich steigern sich Tempo und der Auftritt strebt mit immer spektakuläreren Tricks dem Höhepunkt zu.
Ein ausführliches Medley altbekannter Rocksongs, das Orchesterleiter Georg Pommer die Gelegenheit gibt seine gesanglichen Qualitäten zu demonstrieren, steht am Beginn des zweiten Programmteils.
Zwei Bingo-Artistinnen arbeiten die zweite Luftdarbietung der Show synchron an zwei Ringtrapezen.
Geraldine Philadelphia bietet eine exzellente Hula Hoop Darbietung. Sie beschränkt sich nicht in genretypischer Weise darauf die Ringe um ihren Körper kreisen zu lassen, sondern kombiniert diese Abläufe in erstklassiger Weise mit dem jonglieren von vier und fünf Reifen. Einen schönen optischen Effekt bietet die abschließende Routine mit verschiedenfarbigen fluoreszierenden Ringen im Schwarzlicht.
Noch einmal erleben wir Sergi Buka, nun als Schattenspieler, in der Roncalli-Manege. Auf einem Dreirad, das einer Jules-Verne-Verfilmung entsprungen scheint und auf dessen monströsen Vorbau eine ca. zwei Meter Durchmesser messende Leinwand montiert ist, radelt er in die Manege. Unablässig seine Runden drehend, formt er mit seinen Händen die verschiedenen (Tier)-Figuren, deren Schattenriss mittels einer starken Lichtquelle auf der Leinwand erscheinen.

Bis zu diesem Zeitpunkt, Mitte des zweiten Teils, lief die Show in sehr gemäßigten Tempo und nicht ohne Längen ab, wobei auch das Lichtdesign und die ruhige, sehr oft von Geigenklängen geprägt musikalische Begleitung diesen Eindruck verstärken. Auch geraten einige Umbauten und Teppichwechsel zu „schwarzen Löchern“, da keinerlei Aktion zur Überbrückung stattfindet.
Nun ertönt ein kraftvoller E-Gitarren Sound und zum ersten und einzigen Mal bekommt der Ablauf Tempo und Drive. Die Rollschuh-Darbietung der „Les Paul“. Die Junioren des Hause – Adrian, Vivian und Lili – bieten zusammen mit Jemile Martinez die einzige tempogeladene Nummer des Programms. Rasant werden viele der relevanten Tricks des Genres dargeboten. Ein fulminanter Wirbel der beiden Artistinnen an einem auf den Schultern der Partner ruhenden Metallgestell beschließt die temperamentvolle Arbeit.

Die nachfolgende Sanddorn-Balance von Andreis Jacobs, Mitglied der Tanztheater-Formation Rigolo, nimmt das Tempo wieder vollkommen aus der Show. Rund zwanzig sehr lange Minuten währt der Auftritt, in dem dreizehn Palmäste zu einer fragilen Skulptur gefügt werden. Die leisen sphärischen Klänge des Orchesters vermögen nicht, die deutliche Unruhe der zahlreichen Kinder im Publikum zu überspielen. Einige Logenbesucher erheben sich zu spontanen Standing Ovations, nachdem der Künstler zum  Abschluß seines Acts das Gebilde, durch Wegnahme des kleinsten Teiles zum Einsturz gebracht hatte.

Die Adagio-Akrobatik des Golden Gate Trio, sie sind an die Stelle des im Vorjahr engagierten Trio Laruss getreten, beschließt den Reigen der Darbietungen. Elegant und mit weichen fließenden Bewegungen werden die Positionen eingenommen. Schwierige Hebefiguren, wie z. B. eine Handstandwaage im Drei-Mann-Hoch, erfolgen sicher und souverän.

Das große Finale, seit neununddreißig Saisons ein unverzichtbarer Baustein des Roncallii-Mosaiks, beschließt auch diese Produktion. Das Golden Gate Trio verbleibt nach dem Schlußkompliment auf dem Piedestal und tritt im weiteren Verlauf des Finales nicht mehr in Erscheinung, während die große Schar der Mitwirkenden in die Manege kommt und fröhlich Luftballons an die Besucher verteilt. Es folgt der Walzer mit den Logengästen und mit einem Vorhang kommen die Akteure nacheinander nochmals in den roten Ring. Nach forcierten Standing Ovations und einigen Zugaben fällt der Vorhang.
In die Aufbruchstimmung hinein tritt Weißclown Gensi noch einmal in die Manege und spielt auf einem Miniklavier. Oriol gesellt sich hinzu und stimmt auf der Klarinette in die Melodie ein. Noch einmal halten die Zuschauer inne, bis die anderen Clowns, in Nachthemden und mit Wecker, Kissen und Kuschelbär in den Händen, den Zauber des Augenblicks auflösen.