Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS WILLIAM
Aßlar, 04. Mai 2013



www.circus-william.eu
Seniorchef Heinz Wille und seine vier Söhne reisten mit ihrem Circus William in den vergangenen Jahren hauptsächlich im Osten Deutschlands. Seit Beginn diesen Jahres ist man auch wieder einmal durch die alten Bundesländer auf Tournee. Städte in Bayern, Hessen und Niedersachsen wurden und werden bespielt, ehe der Circus zum elften Mal zum zweimonatigen Sommergastspiel auf der Insel Usedom eintrifft.
In Aßlar, einer Kleinstadt unweit von Wetzlar und Gießen gelegen, war der Circus auf dem Festplatz am Ortsrand aufgebaut. Der Platz verfügt nur über eine schmale Straßenfront und bot dem großen Circus nur den notwendigsten Raum. So musste auf den Aufbau des Vorzeltes und der attraktiven Front verzichtet werden. Der komplett verglaste und mit vielen blinkenden Lichtern versehene Kassencontainer empfängt die Besucher. Zwei große, mit Raubtiermotiven bemalte, Sattelauflieger sind im vorderen Bereich des Platzes aufgestellt. Die beiden Verkaufswagen der Circusrestauration haben ihren Platz zwischen Kasse und Zelt gefunden. Das Chapiteau, die Dachplane zeigt ein blau-gelbes Streifendesign und wird mit einer roten Rondellleinwand ergänzt,  ist ein Viermaster moderner italienischer Prägung mit bis zu den Mastspitzen hoch reichender Plane. Ein neuer, langgestreckter Stall bietet den zahlreichen Pferden des Circus in großzügig bemessenen Boxen Unterkunft. Zwanzig Kamele bevölkern einen weiteren Teil des Stalles und einen großen Paddock. Auch den Zebras und Elen-Antilopen stehen geräumige Gehege zur Verfügung. Elf Raubkatzen – fünf normalfarbene und vier weiße Tiger, sowie je ein weißer und normalfarbener männlicher Löwe -  sind auf zwei großen Raubtierwagen untergebracht. Diese sind mit einer umfangreichen, in vier Bereiche gegliederten Außenanlage verbunden. In zwei speziell hergerichteten Wagen werden in großen Terrarien verschiedene Reptilien – Alligator, Leguan, Riesenschildkröte und verschiedene Schlangen -  präsentiert.
Der umfangreiche Fuhrpark des Circus William ist weiß lackiert und dekorativ mit dem Circusnamen beschriftet und die zahlreichen Zugmaschinen stehen in exakter Formation ausgerichtet.
Das gesamte Material des Circus vermittelt einen sehr gepflegten Eindruck und zeugt von der Liebe der Familie Wille zu ihrem Beruf. „Wir stecken jeden Euro in unser Geschäft und sind stolz und freuen uns über jedes Teil, dass wir neu anschaffen können, mit dem wir unseren Circus verschönern und verbessern können. Unser Circus ist unser Leben“ versichern uns die Junioren Markus und Manuel.
Der blitzsaubere Eindruck setzt sich im Chapiteau fort, das man durch große, mit einem „W“ dekorierte, Holztüren betritt. Popcorn - und Zuckerwattestand sind im Eingangsbereich platziert. Ein neunreihiges Schalensitzgradin und zwei Reihen gepolsterter Logenstühle stehen für die Besucher bereit. Die Logenabtennungen sind aufwändig in Airbrush-Technik verziert. Ein riesiger, dekorativer Artisteneingang nimmt den hinteren Bereich des Chapiteau ein. Der dunkelrote, mit Goldborden und Stickereien verzierte, Samt des Vorhangs wird von Blenden, die gleichfalls in Airbrush-Technik gestaltet sind, eingerahmt. Zahlreiche Kappenlampen lassen die Konstruktion erstrahlen.

Das Programm wird zu größten Teilen von den Mitgliedern der Familie Wille bestritten und in erstklassiger Weise dargeboten. Eine moderne und virtuos eingesetzte Lichtanlage sorgt für eine angenehme Atmosphäre. Besonders erwähnenswert sind die vielen hervorragenden Kostüme, die, auch im Zusammenspiel mit aufwändig gestalteten Requisiten, die Nummern zu Schaubildern aufwerten.
Manolito Wille ist ein eloquenter Sprechstallmeister, der die Moderationen im ersten Programmteil übernimmt. Nach der Pause füllt seine Frau Kathleen diese Rolle charmant aus.
Mit einem orientalischen Bild beginnt die Programmfolge. Markus Wille, in einem aufwändigen Pharaonen-Kostüm,  bringt sechs Kamele in einer abwechslungsreichen Dressurfolge in die Manege. Souverän leitet er die Trampeltiere zu ihren Lauffiguren. Als Da Capo lässt Roberto Wille einen prachtvollen Friesen seine Bahnen um drei Figuranten ziehen, den Kopf tief zwischen den Vorderbeinen hindurch stecken und steigen. In prächtigen Barock-Kostümen, mitsamt den passenden Perücken, leitet Markus Wille wenig später zusammen mit seiner Frau tanzend eine Pferdefreiheit ein. Acht Friesen zeigen unter der eleganten Peitschenführung des erfahrenen Dresseurs ihr umfangreiches Können. Mit verschiedenen Da Capo Steigern findet die Vorführung ihren Höhepunkt.
Der etwa vierzehnjährige Deniro hat sich eine anspruchsvolle Darbietung auf dem Schlappseil erarbeitet. In eine kleine Gangstergeschichte im Al Capone Stil eingebunden, beginnt er seine Arbeit in der Manege mit einigen Parterre-Tricks. Schulterstand auf dem Seil und Ringjonglage schließen sich an. Während der Einradfahrt auf dem schwankenden Untergrund jongliert der junge Mann mit Keulen und mit einem Spagat auf dem Seil findet die Nummer ihren Abschluss. Seine Schwester Georgie entsteigt als Fee einer sich öffnenden „Blüte“, um ihre ansprechende Kautschuk-Arbeit vor zu tragen. Im UV-Licht absolviert das kleine, liebevoll geschminkte, Mädchen eine Vielzahl verschiedener Tricks. Mit erstklassig ausgeführten Handständen auf zwei Handstäben findet die Darbietung ihren Höhepunkt, ehe sich die Blütenblätter wieder über der jungen Artistin schließen.

Clown „Antonia“, Tonda Maleckov haucht der Figur Leben ein, erobert mit viel Hallo die Manege und verlangt nach einem Taxi. Dieses kommt denn auch sogleich, mit Charly am Steuer. Die beiden Clowns ziehen alle Register und unter dem begeisterten Gejohle der kleinen Besucher offenbart das liebevoll und aufwändig gestaltete kleine Auto seine Eigenheiten. In einem zweiten Auftritt benötigen die beiden Spaßmacher die Hilfe einer Zuschauerin bei ihrem Akt am Schleuderbrett. Natürlich schafft es Charly, der mittels luftgefülltem Kostüm gewaltig an Masse zugelegt hat, nicht, die Mitspielerin hoch zu katapultieren – vielmehr kapituliert das Requisit unter der Belastung.
Mit einer fulminanten Western-Show begeistern die „Colorados“. Markus und Roberto Wille bieten mit ihren Partnerinnen eine rasante, temporeich vorgetragene und umfassende Trickfolge. Mit den Bullpeitschen werden die Ziele sicher getroffen. Als wahrer Meister mit dem Lasso erweist sich Roberto Wille. In enormem Tempo reiht er die Tricks aneinander und beweist besondere Geschicklichkeit beim springen in und durch die Seilschlinge. Wurfmesser, Tomahawks und Morgensterne werden abschließend mit Präzision am Messerbrett platziert.
Miss Sabrina beschließt mit ihrer Kür am Ring den ersten Programmteil. Kraftvoll agiert die Artistin und in eleganten weiten Flügen erobert sie die hohe Kuppel mit ihren attraktiven Tricks.

Nach der Pause bietet Manuel Wille mit seiner gemischten Raubtierdressur den Höhepunkt des Programms. Je drei normalfarbene und weiße Tiger, sowie einen männlichen normalfarbenen Löwen vereint der Dompteur zu einer sehenswerten harmonischen Darbietung in der Gittermanege. Souverän werden die vielen verschiedenen Tricks – Sprünge, Bar, Hochsitzer, Balkenlauf, überspringen auf dem Balken, Pyramide, Rollover – dargeboten. In sehr enger Distanz arbeitet Manuel Wille mit seinen Tieren und der Ritt auf einem Tiger zeugt von großem gegenseitigen Vertrauen.
Nachdem die Gruppe den Zentralkäfig verlassen hat, präsentiert Manuel Wille als Da Capo den weißen Löwen Sambesi. Zusammen mit dem prächtigen Mähnenträger absolviert der Dompteur mehrere Runden auf der rotierenden Spiegelkugel. Diverse Hochsitzer und Schmuseszenen schließen sich an. Chapeau.
Mit ihren Evolutionen im rotierenden Mond, der auf einem Gestell in der Manege ruht, bietet Miss Loredana eine weitere akrobatische Nummer. Außer den vielen, sehr gut dargebotenen genreüblichen Tricks an Trapezstange und Strapaten werden auch Handstände gearbeitet. Eine Handstandwaage auf der Spitze des Requisits bildet den nicht alltäglichen Höhepunkt der Darbietung.
Marketa Malecková glänzt mit einer starken Leistung am Trapez. Longengesichert bietet die Artistin eine Vielzahl hochkarätiger Tricks am ruhenden Requisit. Im zweiten Teil der Darbietung arbeitet sie ihre Evolutionen am weit schwingenden Trapez in sehr großer Höhe unmittelbar unter der Kuppel. Mit einem rasanten Nackenwirbel am schwingenden Trapez erreicht der Auftritt seinen Höhepunkt.
Roberto Wille bringt im ersten Programmteil eine Freiheit mit vier Zebras in die Manege. Ruhig, entspannt und voller Vertrauen in ihren Dresseur ziehen die oftmals sehr nervös wirkenden Steppentiere ihre Bahnen und scheuen auch vor Berührungen durch den Vorführer nicht zurück.
Eine erstklassige Freiheitsdressur mit sechs Arabern, je drei weiße und braune, präsentiert Roberto Wille als letzte Dressurnummer des Programms. Vielfältige Lauffiguren, bei denen die Pferde nach verschiedenen Farbmustern sortiert werden, finden mit Pirouetten, Volten und Gegenlauf ihre Ergänzung. Flechten, Fächer-Gegenlauf und Gruppensteiger aller Pferde sind weitere Elemente der Darbietung. Mit verschiedenen Da Capi rundet der erfahrene Dresseur den Auftritt ab.
Die Robin´s, Robin Weber mit Frau Maria – geb. Wille – und Tochter Loredana, bieten mit ihrer Reptilien- und Feuershow noch einmal ein prächtiges, manegefüllendes Bild. Große Würgeschlangen bevölkern den roten Ring. Das Spiel mit dem Feuer beherrscht Robin Weber perfekt. Lange hält er die Flammen im Mund und speit meterhöhe Feuersäulen hoch in Richtung Kuppel.
Das schwungvolle Finale bringt noch einmal alle Artisten in die Manege und Moderatorin Kathleen Wille übernimmt deren Vorstellung. Ein starkes, begeisterndes Circusprogramm von rund zweieinhalb Stunden Dauer wurde den zufriedenen Zuschauern geboten. Nicht nur im Material, sondern auch mit seinem Programm präsentiert sich der Circus William als klassischer Circus „at its best“. Gute Artistik und erstklassige Tierdressuren ergänzt mit gelungener Clownerie ziehen die Zuschauer in ihren Bann und ergeben in perfekter Mischung ein sehr unterhaltsames Circuserlebnis. Die Tournee durch die westlichen Bundesländer und damit einhergehende kurze Anfahrten sollten von Anhängern des klassischen Circus genutzt werden, dieses sehenswerte, interessante Unternehmen zu besuchen.


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