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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE ERIC ZAVATTA
DIRECTION MULLER

Le Grau du Roi Port Camargue, 25. Juli 2023

Die französische Circusfamilie Muller reist seit vielen Jahren in erster Linie in den südlichen Regionen unseres Nachbarlandes. In diesem Jahr ist man erstmals als Cirque Eric Zavatta auf Tournee. Dessen ungeachtet hat der Circus seinen ursprünglichen Charme und seinen eigenen Charakter bewahrt und ein Besuch lohnt alle Mal.
In Le Grau du Roi, einem in der Urlaubssaison sehr lebhaften Städtchen gastierte der Cirque Eric Zavatta – Direktio  Muller zum ersten Mal. Im Ortsteil Port Camargue, einem - mit mehr als viertausend Liegeplätzen – der größten Jachthafen Europas war der Circus direkt an der Strandpromenade aufgebaut. Das rot und gelb gestreifte, und mit feinen blauen Linien abgesetzte, rechteckige Zwei-Masten Chapiteau ist riesig und weist eine enorme Höhe auf. Acht gewaltige Quaderpools – je vier in einer Reihe stehend – reichen bis hinauf zur langen Kuppel und lassen den Zeltbau auf den ersten Blick beinahe wie ein Drei-Manegen-Zelt wirken. Die weiteren Zeltanlagen – Vorzelt und diverse Stallungen – zeigen das gleiche Dekor wie das Chapiteau.
Der Fassadenwagen, der auch den Kassenschalter beherbergt, ist großflächig mit zwei Steigerpferden und Clownsgesichtern bemalt.
Der umfangreiche Fuhrpark des Unternehmens zeigt sich einheitlich in sonnigem gelb lackiert und trägt in großen roten Lettern den Namenszug. Wie in Frankreich üblich, ist jedem Sattelzug noch ein großer Anhänger, bzw. sind an jedem Lkw bis zu vier Anhänger angekuppelt.
Der Tierbestand ist, nach heutigen Maßstäben, immens. Tiger und Löwen, Affen, Pferde, Kamele und Dromedare, Ziegen, Rinder verschiedener Rassen, Esel, Schlangen, ein Strauß sowie Flusspferd „Jumbo“ bevölkern die Menagerie, die während des Tages gegen ein kleines Entgelt besucht werden kann.
Der werbliche Aufwand des Unternehmens ist hoch. Drei Pkw und zwei Kleintransporter sind im Einsatz um mit Lautsprecherdurchsagen auf den Circus aufmerksam zu machen. Ladenhänger sind allgegenwärtig und kaum ein Laternenmast ist zu finden, der nicht mit Circusplakaten verziert ist. Auf den zahlreichen Kreisverkehre der Verkehrsachsen sind große – etwa zwei mal drei Meter – Plakatwände unübersehbar aufgestellt und an einem Kreisel, an dem der Verkehr aus zwei Richtungen fast immer staut, verteilen zeitweilig Circusangehörige Flyer an die langsam vorrückenden Autofahrer.
So nimmt es denn auch nicht Wunder, das sich des Abends lange Schlangen vor der Kasse bilden.
Im Vorzelt sieht sich der Besucher gleich einer großen Tafel mit dem „Reglement interieur“ - der Hausordnung – gegenüber. Der Verkaufswagen der Circusrestauration und eine Station, an der in der Pause Kinder schminken angeboten wird bilden die Einrichtung.
Eine große gelbe raumhohe Plane, die ein großes Banner mit dem Circusnamen und einem Konterfei von Achille Zavatta schmückt, bildet den Artisteneingang. In dessen halbkreisförmigen Ausschnitt hängt eine silbern und rot gestreifte, glitzernde Gardine.
Fünfreihige gerade Tribünen entlang der Zeltseiten und mehrere Stuhlreihen rings um die Piste stehen für die Besucher bereit. Die Logenabtrennungen sind mitsamt der schmalen Piste aus gebürstetem Leichtmetall gefertigt.
Reichhaltig und mit modernen Leuchtelement bestückt zeigt sich die Lichtanlage auf der Höhe der Zeit und verfügt zudem über zahlreiche Effekte.

Die Vorstellung beginnt vor vollbesetzten Rängen indem die Leistungsfähigkeit der Lichtanlage zu den Klängen des Gladiatorenmarsch vorgeführt wird.
Dem Sprechstallmeister - „Monsieur Loyal“ - kommt im französischen Circus eine wesentlich größere Bedeutung als hierzulande zu. Wortreich heißt er die Gäste willkommen und stellt die auftretenden Artisten vor. Zudem weist er während der Nummern auf die gerade zu sehenden Sensationen hin und zeigt an, wann zu applaudieren ist.
Juniorchef Aixandre Muller und ein weiteres Familienmitglied teilen sich diese Aufgabe.
Der Zentralkäfig ist schon vor Vorstellungsbeginn bereit, so dass – wie so oft in französischen Circussen – die Raubtier-Darbietung zu Programmbeginn geboten wird. Drei Löwinnen präsentiert Aixandre Muller in einem temperamentvollen Ablauf, der von zahlreichen Sprüngen geprägt ist. Balkenlauf und weitere Aktionen komplettieren den Ablauf, der mit einem enorm weiten Sprung seinen Höhepunkt erreicht.
Clown „Pepino“ überbrückt den Käfigabbau indem er mit dem Publikum mit einem überdimensionalen Ball interagiert. Die „Popcorn Reprise“ und ein „Applauswettbewerb“ sind Inhalt weiterer Auftritte.
Mademoiselle Selena hat sich das Vertikalseil als Disziplin ausgewählt. In einem per LED-Lämpchen illuminierten Umhang tritt sie ins abgedunkelte Rund und schwingt sich hoch empor in die Kuppel. Vielseitige Abläufe werden von dem Teenager sicher und gekonnt ausgeführt und schließlich wird sie von ihrer Mutter voll ausgedreht.
Die drei „Sister Anderson“ präsentieren temperamentvoll ihr Können mit den Hula Hoop Ringen. Eifrig sind die jungen Mädchen bei der Sache, steigern permanent den Schwierigkeitsgrad ihrer Übungen, wobei die jüngste voller Elan versucht mit den beiden größeren Partnerinnen Schritt zu halten.

Die weiteren Tier-Darbietungen werden von Aixandre Muller gekonnt und souverän präsentiert. Zunächst sehen wir die „Cavallerie de la Maison“. Vier schwarze Shetland Ponys laufen munter ihre abwechslungsreichen Figuren. Als Da Capo zeigt ein Tigerscheck Pony, beritten mit einem kräftigen Rhesusaffen gekonnte Barrierensprünge.
Die beiden Töchter – Thais und Kimberly – von Aixandre Muller begleiten als Figurantinnen und Tänzerinnen die Auftritte des Vaters.
Mit der eindrucksvollen „Caravane exotique“ geht es in die Pause. Zunächst sind zwei Dromedare im roten Ring aktiv. Ihnen folgen drei Alpakas ehe drei, mit Schabraken dekorierte Kamele ein reichhaltiges Repertoire in einem erstklassigen Ablauf zeigen. Nun sind ein Büffel, ein Watussi und ein Zebu in aller Gemächlichkeit unterwegs und auf der letzten Runde reitet die jüngere Tochter des Chefs auf dem Büffel, ein Stück weit sogar stehend. Abschließend verwandelt sich die Manege in einen Streichelzoo, in dem sich Ziegen, Esel, Alpakas, Ponys und ein Zebra tummeln.
Ein junger Mann, avisiert als sechzehnjähriger Jongleur mit Künstlername Roberto manipuliert eine enorme Anzahl verschiedener Requisiten. Tennisbälle, größere Bälle, Tennisschläger, Ringe, Macheten und silberne Keulen werden fehlerfrei in immer wiederkehrenden Routinen sicher gehandhabt. Mit einer effektvollen Fackel-Jonglage findet der Auftritt seinen gelungenen Abschluss.

Zu Beginn des zweiten Programmteils arbeitet Rodriguez seine Equilibristik auf Stühlen. Die leicht gebauten Stühle werden in unterschiedlicher Weise angeordnet und alsdann kraftvolle Handstände darauf ausgeführt. Schließlich bilden vier Stühle ein labil wirkendes Konstrukt, auf dem der Artist jedoch mit Leichtigkeit seinen Handstand ausführt.
Sechs Würgeschlangen unterschiedlicher Größe und Art werden dem staunenden Publikum präsentiert und vom Chef des Hauses gibt es wortreiche Erklärungen dazu. Dann dürfen alle Personen die einmal eine Schlange anfassen möchten nach vorn kommen.
Wortgewaltig wird die Magic Show von Mademoiselle Lisette Alvarez angekündigt. Nach kurzer Wartezeit stellt der Sprecher fest, das sie wohl nicht bereit sei und an ihrer Stelle Mademoiselle Christel zu erleben sein wird. In der traditionellen Zauberschau erscheinen Tücher und Kunstblumen aus augenscheinlich leeren Behältnissen, verwandeln sich in Tauben und diese wiederum in Kaninchen und einen kleinen Hund. Der Höhepunkt ist erreicht, wenn aus dem letzten Behältnis eine Ziege erscheint.
Monsieur Eric Zavatta, Sohn des legendären Clown Achille Zavatta und Namensgeber des Unternehmens gibt sich die Ehre. Entsprechend angekündigt zeigt sich der Herr in den besten Jahren im Habitus eines August als guter Virtuose auf seiner goldenen Trompete.

Der Höhepunkt des Abends kündigt sich an, als in etwa zwei Metern Abstand zu Piste eine dünne Schnur rings um die Manege bis zum Zeltausgang gespannt wird. Diese Sicherheitsmaßnahme sei unerlässlich denn der Auftritt des „Hippopotame geant“ - des Riesen-Flusspferdes – stehe unmittelbar bevor. Dieses könne, wenn es ärgerlich werde ohne die Maßnahme die Piste und die Logen niederwalzen. Direktor Aixandre Muller wird nicht müde die Gefährlichkeit von Flusspferden zu betonen und alle Herren des Circus bringen sich hinter die Schnurabsperrung in Sicherheit – dann tritt Madame Angelina, des Direktors Ehefrau, reichlich Grünzeug in einer großen Tasche mitführend in die Manege und „Jumbo“ - so der Name des Kolosses – folgt ihr gemächlich und brav. Die Stücke Brokkoli finden sein Gefallen nicht so sehr wie etliche Kohlköpfe die mit sichtlichem Genuss verspeist werden. Auf Grund ungenügender Sprachkenntnisse können wir den ausführlichen Ausführungen von Monsieur Muller, der allerlei Wissenswertes über Flusspferde und andere Tiere Afrikas mitteilt und auch nicht vergisst die französische Regierung, namentlich die zuständige Ministerin und ihr geplantes Tierverbot im Circus anzuprangern, nur bedingt folgen. Nach dem „Jumbo“ sein Futter vertilgt hat ist die Vorstellung beendet. Auf ein Finale wird verzichtet, was angesichts der unmittelbar einsetzenden Verdauung von "Jumbo" auch keine ganz schlechte Idee ist. So verabschieden die Artisten ihr Publikum beim „Defilee Disney“ - auch einige entsprechend kostümierte Figuren sind anwesend – im Vorzelt. Viele Besucher nutzen die Gelegenheit zu einem Selfie und drücken ihre Zufriedenheit mit dem Gebotenen aus.
Der Cirque Eric Zavatta
Direktion Muller zeigt sich als traditionell ausgerichtetes Unternehmen. Man verzichtet auf zeitgeistiges Verhalten und bietet keine Show, sondern beschränkt sich ganz einfach darauf echten unverfälschten Circus zu veranstalten. Gerade dies macht den Besuch der Vorstellung – die gut fünfundvierzig Minuten länger als die auf den Plakaten angegebenen neunzig Minuten währte – interessant und unterhaltsam.