Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS Achille ZAVATTA FILS
Semecourt, 20. März 2010
Die Familie Cagniac reist mit ihrem Circus 'Achille Zavatta Fils' jährlich auf der gleichen Route durch Frankreich. Man gastiert fast ausschließlich auf den Parkplätzen der Großmärkte „Auchan“, „Carrefour“ und „Cora“. Diese Strategie bringt großen Erfolg, lässt man uns wissen, wird der Circus doch täglich von tausenden Supermarktkunden wahrgenommen.
So auch in Semecourt, einer Ortschaft direkt vor Metz. Die mehrspurige Parkplatz-Zufahrt mündet genau auf die Rückseite des Circus, hier sind die Raubtierwagen zu finden. Die offene Wagenseite ist zur Straße ausgerichtet und die Katzen liegen gut sichtbar im Blickfeld der Ankommenden.


Ein mittelgroßer Circus mit modernem, hervorragend gepflegtem Material ist hier zu finden. Rote Fahrzeuge mit gelber Schrift sowie rot-gelbe Zeltanlagen strahlen auch an diesem verregneten Tag in den meist verbreiteten Circusfarben Frankreichs.
Einiges Material ist neu angeschafft worden in den vergangenen Monaten. Der Tierbestand hat sich vergrößert, drei Ställe und zwei Raubtierwagen bieten den Vierbeinern ein geräumiges Zuhause. Der Besuch des Zoos ist gratis, wie die Anschläge vor der Kasse verkünden und zahlreiche Interessierte nehmen dieses  Angebot an.
Vier neue MAN- bzw. Volo-Zugmaschinen stehen auf dem Gelände. Auch die Tage des Chapiteaus mit den zwei kleinen Kuppeln sind gezählt.


Ein moderner, mit opulenter Airbrush-Bemalung verzierter, kombinierter Durchgangs- Kassenwagen dominiert die Front. Seit rund vier Jahren in Gebrauch, wirkt er wie neu. Interessant, ungewöhnlich und sehr wirkungsvoll, wie mit den großen klappbaren Elementen eine Art Tunnel gebildet wird. Die geringe Bodenfreiheit des Aufliegers erleichtert vielen Besuchern den Weg durch den Wagen.
Im Chapiteau finden wir neben einem modernen dreiteiligen Artisteneingang edle, mit hochwertigem rotem Stoff bezogene Polsterstühle in den Logen. Das traditionelle französische Holzgradin kontrastiert auf charmante Weise. Die kleine Restauration findet gleichermaßen im Chapiteau Platz. Als einziges weiteres Angebot werden nach den Vorstellungen am Ausgang Fähnchen feilgehalten.

Die sehr gut aufs Manegengeschehen abgestimmte Musik kommt aus der Konserve und die erstklassige Tonanlage lässt auch große Lautstärken sauber klingen. Ein Schlagzeug, die Herren Cagniac wechseln sich daran ab, unterstützt in weiten Teilen die Aktivitäten der Auftretenden. Eine üppig und modern bestückte Lichtanlage sorgt zudem für einen guten Verkauf der unterhaltsamen kurzweiligen Show, die mit hohem Tempo abläuft.

Im Gegensatz zum vergangenen Jahr verzichtet man heuer auf engagierte Fremdartisten, setzt ausschließlich auf das umfangreiche eigene Können.
Direktor Renato-Arsene Cagniac präsentiert seine Familienmitglieder in souveräner eloquenter Manier als 'Monsieur Loyal' im roten, mit Glitzersteinchen reich verzierten, Frack.
Viele Programme französischer Circusse beginnen mit einer Raubtierdressur, so auch bei Zavatta Fils. Hatte Yannik Cagniac, er ist der älteste Sohn des Direktors, im letzten Jahr noch drei Tiger im Käfig, präsentiert er nun eine neue Dressurschöpfung. Zwei achtzehn Monate alte weiße Tiger beherrschen bereits ein breites Trickrepertoire, dass sie sicher darbieten. Die Gruppe ist noch im Aufbau begriffen, die weiteren Tiere – weiße und normalfarbene Tiger sowie Löwen – sind noch ein wenig zu jung. In etwa vier Monaten werden fünf und zum Jahresende alle acht Tiere zur Vorführung kommen.

Flott ist der Zentralkäfig entfernt und die dreizehnjährige Sabrina, sie ist die jüngste der drei Geschwister kommt zu ihrem ersten Auftritt. Am Vertikalseil zeigt sie eine ansprechende Trickfolge, die mit gutem Verkauf wirkungsvoll präsentiert wird. Später präsentiert sie eine Hula Hoop-Darbietung, die im üblichen Rahmen abläuft.
In Familiencircussen sind Jongalge-Nummern eher eine Rarität. Hier bieten die Brüder Yannik und Jessy eine veritable Arbeit mit Ringen und Keulen. Sowohl solo als auch im Zusammenspiel werden vielfältige variantenreiche sicher vorgetragen.

Die elfjährige Hillary lässt ein Pony seine Figuren durch vier große Metallringe laufen. Ernsthaft und schon recht selbständig agiert die kleine Vorführerin.
In französischen Familiencircussen haben Pferdedarbietungen nicht den Stellenwert wie hierzulande, laufen eher nebenbei oder fehlen komplett. Nicht so bei Zavatta Fils. Zusammen mit Elena, der Frau seines Onkels, reitet Jessy Cagniac eine ansprechende 'Hohe Schule' im spanischen Stil. Die Pferde zeigen sich gut ausgebildet, gehen die geforderten Lektionen flüssig. Mit den Freiheitspferden, ebenfalls von dem jungen Mann vorgeführt, beginnt die zweite Programmhälfte. Zunächst agieren ein Friese mit einem schwarzen Pony als harmonisches Groß-und-Klein in der Manege. Dann folgen vier Araber, je zweimal weiß und braun. Ruhig und gekonnt dirigiert der Dresseur die souverän ihre Lauffiguren absolvierenden Pferde. Fehlerfrei ohne zögern werden die Formationen gezeigt. Gruppensteiger sowie verschiedene Da Capo Steiger beschließen die schöne Arbeit.

Clown Chico, dass ist Samuel – der Bruder von Arsene Cagniac. Clown Chico ist eine freundlich-sympathische Figur, die beim Publikum sofort Anklang findet. Er spielt insgesamt vier gängige, oft zu sehende Szenen, allerdings versteht er es ihnen eine eigene sympathische Note zu verleihen. Zuerst kommt der wohl unvermeidliche Applauswettbewerb des Publikums. Den Kassettenrecorder, der in der Mülltonne weiterspielt haben wir schon oftmals erlebt, hier gefällt er ob des spielfreudigen, seine kommödiantische Ader auslebende Akteurs. Den seriösen Gegenpart gibt mit der nötigen Grandezza 'Monsieur Loyal'.
Zur Pause folgen die obligatorischen 'vier Stühle', die ihre Wirkung aufs Publikum nicht verfehlen. Im umfangreichsten Auftritt fährt Chico mit einem Zuschauerpaar Motorrad, um die beiden hernach miteinander zu verheiraten. Auch hier kommt seine spielfreude voll zu tragen. Alle Reprisen werden erfreulich flott, ohne Längen vorgetragen.
Seine Frau Elena arbeitet die zweite Luftnummer des Programms. Mit großer Kraft und Können trägt sie ihre schwungvolle Kür am Ringtrapez vor. Flüssige Übergänge und variantenreiche Posen kennzeichnen ihre Arbeit.

Ein weiteres Mal steht Jessy Cagniac im Mittelpunkt einer Dressurfolge, „Caravane exotique“ lautet die Ankündigung der ein opulentes orientalisches bild folgt. Über die Manege wird eine kleine Kuppel aus vier Bahnen weißen Stoffes gespannt. Zwei Haremsdamen in prächtigen Kostümen, dazu die passende Musik – Bollywood in der französischen Provinz.  Aus dem Trockeneisnebel kommen drei super gepflegte weiße Dromedare in die Manege und bieten eine erstklassige Laufarbeit mit vielfältigen Figuren. Abschließend zeigen sie das flechten, wie man es aus Pferdefreiheiten kennt. Es folgen zwei Watussi, die die beiden Tänzerinnen umrunden. Ein junges dunkles Kamel läuft gleichermassen achten um die Damen, liegt ab und wird von vier Lamas übersprungen.
Als Höhepunkt des stimmungsvollen Bildes präsentieren sich zwei Zebras dem Publikum.

Das Finale leitet Chico mit Playback-Gesang ein. Es ist kompakt gehalten,  ein kurzes vorstellen der Mitwirkenden und schon verabschiedet Direktor Cagniac ein überaus zufriedenes Publikum. Es ist ein kurzweiliges, tierreiches, sehr unterhaltsames Programm eines veritablen Familiencircus, dass modern präsentiert wird. Bei seinen Gastspielen im Elsass ist dieser Circus für viele Circusliebhaber leicht erreichbar – eine Gelegenheit die man sich keinesfalls entgehen lassen sollte. 
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