optimiert



Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRQUE Alexandre Bouglione
La Louvière, 25. Februar 2011

www.bouglione.be
Der Circusplatz in La Louvière liegt gut sichtbar an einer Ausfallstraße in einem Gewerbegebiet. Der neue Cirque Alexandre Bouglione, bekanntlich hat Alexandre Bouglione mit seiner Familie den Circus seines Vaters verlassen und reist nun mit einem eigenen Geschäft durch den französisch sprechenden Teil Belgiens, macht hier die zweite Station auf seiner Tournee. Das Gelände ist geräumig, allerdings ein wenig schwierig für einen dekorativen Aufbau eines Circus.
Der Platz liegt tiefer als die Hauptstraße und wird über eine Anliegerstraße erschlossen, so wurde die Front zu dieser hin ausgerichtet. Einiges an Material musste für den Start des neuen Circus angeschafft werden und so ist es nicht verwunderlich, dass zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison das Erscheinungsbild noch uneinheitlich ausfällt.
Vor der großen dekorativen Bouglione-Fassade wurde ein nostagischer Zaun installiert. Daneben findet sich die Kasse, ein Oberlichtwagen der, wie unschwer zu erkennen, beim Circus Belly-Wien bereits dem gleichen Zweck diente. Zwei weitere Oberlichtwagen von Bouglione komplettieren das Ensemble antiker Fahrzeuge. Vom Vorzelt wurde nur das weiß-rote Dach aufgestellt, der Verkaufswagen findet darunter seinen Platz. Im Bereich zwischen Chapiteau und Hauptstraße fanden der Raubtierauflieger mit Außengehege und einige Bouglione-Wagen ihren Platz.

Das Chapiteau ist ein neuerer rot-weiß gestreifter Viermaster italienischer Prägung, der letztmals vor zwei Jahren auf der Bouglione-Tournee genutzt wurde. Auf der anderen Seite des Zeltes stehen einige Auflieger, die noch Dekor und Beschriftung des ehemaligen Cirque Maximum von Mario Mason tragen. Geländebedingt  stehen die zahlreichen Campings sowie der Elefantenstall etwas vom Circus abgerückt.
Neu im Fahrzeugbestand des Circus ist ein Werbewagen, auf dessen Anhänger eine fast lebensgroße, sehr gut gestaltete Figur eines Elefanten montiert ist.
Wie schon bislang im Circus seines Opas Firmin, ist Junior Nicolas Bouglione außerhalb der Manege für den logistischen Teil und die Tiere verantwortlich, während sein Vater Alexandre den adminstrativen Part managt.

Im Chapiteau, dessen Plane innen gleichfalls den Farbton zeigt, dominiert die Farbe blau. Ein sechsreihiges blaues Holzbankgradin mit Rückenbrettern wurde angeschafft. Die Logenbrüstungen in blau mit den üppigen goldfarbenen plastischen Applikationen bilden einen dekorativen Ring um die Piste. Als Bestuhlung der Logen finden Metallklappstühle mit dunkelrotem Velours-Polster Verwendung. Eine große Gardine aus blauem Stoff mit vielen Glitzersteinchen mit dem Bouglione-Logo darüber bildet den Artisteneingang. Die moderne Lichtlage, bestückt mit LED-Scheinwerfern und zahlreichen Scannern, ist an vier Quertraversen zwischen den Masten installiert. Platzierpersonal und Requisiteure sind nun modern in schwarze Kostüme bzw. Anzug mit weißer Bluse bzw. Hemd gekleidet. Der gesamte Ablauf der Show wurde modernisiert. Auf einen Manegensprecher wird, sehr ungewöhnlich für einen französischen Circus, verzichtet, stattdessen greift man auf eine professionell besprochene CD zurück.

Das diesjährige Programm steht unter dem Motto „Dynasty“ und sieht die gemischte Panther- und Pumagruppe von Nicolas Bouglione als Eröffnungsnummer. Die Katzen beherrschen Pyramide, Hochsitzer, Vorwärtssteiger und speziell die Pumas glänzen mit weiten Sprüngen. Besonders beeindruckend an dieser Darbietung ist das durch Trage- und Schmuseszenen mit verschiedenen Katzen demonstrierte Vertrauen zwischen Mensch und Tieren. Sowohl der schwarze Panther als auch einer der beiden Leoparden genießt offensichtlich die Nähe zum Dompteur. Einer der Pumas nutzt den Rücken des Vorführers als Sprungpodest und der Vorwärtssteiger endet mit Abnahme einer Futterbelohnung direkt aus der Hand und aufgerichtet an die Hüfte des Dompteurs angelehnt.
Den Käfigabbau überbrückt Clown Rony mit einer ersten Reprise. Mit einem großen Ball interagieren Clown und Zuschauer. In weiteren Reprisen dirigiert Rony den Klatschwettstreit, zieht als Großwildjäger eine wilde Bestie aus ihrer Transportkiste und erschießt eine überdimensionale Fliege. Im Entree werden sechs Mitspielern aus dem Publikum zu virtuosen Orchestermusikern geformt. Natürlich sind die Anleihen bei diesem Klassiker aus dem Repertoire von David Larible unübersehbar.

In diesen ersten Tagen der Saison vertritt das Duo Gaspard Anouschka Bouglione und ihren Ehemann Reinaldo Monteiro, die noch in einem Engagement in England sind, im Programm. Zunächst sind sie als Trio mit dem 'komischen Taxi' auf Tour. Diese immer schon liebevoll ausgestaltete Nummer erfuhr durch weitere Verfeinerungen des Taxis während des Winters eine nochmalige optische Aufwertung. Routiniert vorgetragen sitzen die Gags und Pointen perfekt.
Ihr zweiter Auftritt markiert den artistischen Höhepunkt des Programms. Die seit vergangenem Jahr neu gestaltete Darbietung besticht ob ihrer perfekten durchdachten Optik und des großen Könnens der Akteure. An einem Flügel mitten in der Manege nimmt Ivo Monteiro im schwarzen Anzug zunächst Platz, dann erklimmt er das Instrument und beginnt mit seiner Kür auf der Rola. Alle Requisitenteile sind optisch in das dargestellte Thema – Klavierkonzert – eingebunden. Stilisierte weiße Zylinderhüte werden zu Zwischenwalzen, Unterlagen und sonstigen Requisitenteilen. Die Klavierbank wird zu einer Aufstiegshilfe. Sowohl Requisiten als auch Kostüme sind komplett in weiß und schwarz gehalten. Vater Gaspard Monteiro erstürmt in bekannter Manier aus einer Loge heraus als 'betrunkener Gast' die Manege und ist mit einem Satz auf dem Flügel. Vom Oberrequisiteur zurück befördert „stürzt“ er in einer Art in die Loge, die Stühle mitreißend, dass keine Zweifel an der Echtheit des Sturzes aufkommen. Dann gelingt die Eroberung des Flügels und nach einigen heftigen Kaskaden und wildem Geschaukel auf der Rola, als Rolle dient eine Champagnerflasche, legt der „ältere betrunkene Herr“ den Straßenanzug, den er über dem Kostüm trägt, ab. Nun zeigen Vater und Sohn gemeinsam auf dem Flügel ihre Künste auf den fragilen Türmen unter ihren Rolabrettern.

Vertraute Gesichter in der Bouglione-Manege sind Lilly und Florin Tudor. Als Duo Nikita brillieren sie am Schleuderbrett. Vielfältige Sprungvarianten werden souverän gemeistert und sich gefangen. Als Höhepunkt springt Lilly Tudor einen Salto zum Stand auf eine kleine Plattform an der Spitze einer Perchestange, die ihr Partner im Gürtel hält.

In einem zweiten Auftritt präsentiert sich Lilly Tudor an Strapatentüchern. Erstklassig gestaltet und hervorragend verkauft, werden die wesentlichen und attraktiven Tricks des Genres geboten.
Eine junge Frau aus Mexiko, Senorita Adelita mit Namen, arbeitet eine eigenwillig zusammengestellte Luftnummer. Sie beginnt mit einer Zopfhangsequenz in deren Verlauf einige Lagen des Kostüms abgelegt werden. Im folgenden Teil der Nummer arbeitet sie an einem leiterartigen Requisit Tricks, wie wir sie beispielsweise vom Ring kennen. Abschließend geht es im Zopfhang nochmals hoch in die Kuppel.

Elefantenkuh Jenny wird nun von Direktor Alexandre Bouglione vorgestellt. Sie zeigt sich als geschickte und eifrige Artistin, beherrscht u. a. hochsitzen, abliegen und Fussball spielen.
Die restlichen Darbietungen des Programms werden von den Mitgliedern einer Truppe aus Ungarn gearbeitet. Die jungen Artisten kommen von der Artistenschule und können ihre Nervosität in keiner Darbietung verbergen. Zunächst produziert sich Miss Kristina, einziges weibliche Mitglied der Truppe, am Ringtrapez. Nachdem die junge Frau ihren Arbeitsplatz eingenommen hat, wird ziemlich langwierig eine aufwändige Longenkonstruktion angelegt.
Ihre Trickfolge entspricht weitgehend den Abläufen wie sie am Schwungtrapez gezeigt werden. So agiert auch sie im Ring stets in vollem Schwung. Eine Welle um das Requisit in den Kniehang und eine Pirouette sind die Höhepunkte der Evolutionen.
Daniel und Sandor jonglieren mit Keulen. Einer im Anzug, der Andere im Blaumann mit Keulen und Klappstühlen bewaffnet – so kommen sie in die Manege. Während ihrer Jonglage wechseln nicht nur die Keulen, sondern auch die Kleidungstücke von einer auf die andere Seite. Leider wirken sie recht steif im Vortrag, dazu kam dass in der besuchten Vorstellung sehr viele Keulen zu Boden gingen, und so springt der Funke nicht aufs Publikum über, wie dies ansonsten bei dieser Form der Partnerjonglage der Fall ist.
Finalnummer ist der Auftritt der vierköpfigen Truppe – Astorellis jun. - auf dem Trampolin. Etliche Salti  und interessante Sprungkombination bis hin zum Drei-Mann-Hoch gehören ins Repertoire. Doch auch diese Nummer leidet unter der Nervosität und mangelnden Routine der jungen Artisten und so können einige Unsicherheiten nur unzureichend kaschiert werden.

Das Finale wurde in der bewährten Form beibehalten. Wie gewohnt verabschieden sich Mitarbeiter, Artisten und Direktion schwungvoll und fröhlich, ohne dass das Finale zu lang gerät. Die zahlreichen Besucher dieser Abendvorstellung beweisen mit ihrem ausdauernden Applaus, dass ihre Erwartungen vom Cirque Alexandre Bouglione wohl mehr als erfüllt wurden.