Text und Fotos Friedrich Klawiter
Alex Ramien
Mainz, 15. Juni 2012

Raubtiere“ antwortet Alex Ramien ohne eine Sekunde zu überlegen auf die Frage, was er am liebsten im Circus machen würde. Mit Raubtieren zu arbeiten, davon träumte er schon seit frühester Jugend. Wie wir inzwischen alle wissen, erfüllte sich dieser Traum des Multitalentes innerhalb und außerhalb der Manege im Gegensatz zu manch anderem nicht.

Alex Ramien wurde 1975 in Großumstadt bei Darmstadt geboren. Als Sohn einer Lehrerin und eines Puppen- und Schauspielers war eine  Artisten-Karriere nicht unbedingt vorbestimmt, obwohl eine enge Bindung zur Circuswelt, Reinhard und Brigitte Probst sind seine Paten, gegeben war. Vierjährig erlebte der kleine Alex bei einem Besuch in Sizilien erstmals einen italienischen großen Circus und dies war die Initialzündung für seine bis heute anhaltende Leidenschaft. Die Kindheit verbrachte er in Darmstadt, ging hier zur Schule. In der Freizeit und in den Ferien war er, wann immer es möglich war, stets im Circus Probst zu finden. So wundert es auch nicht, wenn er heute Reinhard Probst als seinen ersten und einen der wichtigsten Lehrmeister nennt, wenn man ihn nach seinen Vorbildern fragt. Ja, als zweiten Vater und letztlich als „den Schuldigen“ für seine Entscheidung Artist zu werden, zu dem er bis heute ein ganz besonders enges Verhältnis hat, bezeichnet Alex Ramien Reinhard Probst. Im gleichen Atemzug nennt er seinen Schwiegervater Jean Gebroers-Malter als Lehrer und Vorbild, dass für alle Probleme ein offenes Ohr hat und immer eine Lösung anbietet. Vor allem in geschäftlicher Hinsicht habe er sehr vieles vermitteln können.

Mit sechzehn und dem Zeugnis der Mittleren Reife in der Tasche, entschied sich der weitere Lebensweg für Alex Ramien. „Nach dem Willen meiner Mutter hätte ich weiterhin die Schule besucht und Abitur gemacht, doch ich wollte etwas Anderes“. Die Mutter war im Urlaub und Alex Ramien fuhr in ihrer Abwesenheit nach Berlin zu einer außerordentlichen Aufnahmeprüfung an die Fachschule für Artistik beim damaligen Leiter Gerd Krija. „Ich konnte nichts, absolut nichts“, beschreibt er eindrucksvoll diese Aktion. Doch Ramien hatte Glück, der große und kräftige Jugendliche wurde aufgenommen, da die Schule einen „Untermann“ für eine Schleuderbrett-Nummer suchte. Umgehend begann die Arbeit mit Marko Semeonov und Sabine Schmitt. Beim European Youth Circus Festival ist das Trio zu sehen und während zweier Winter ist man im Friedrichstadt Palast in der kleinen Revue verpflichtet. In dieser Zeit verletzt sich Alex Ramien zum ersten Mal schwer am Knie und nach einer Operation ist zunächst nicht klar, ob es mit der Karriere als Akrobat weitergehen kann. So nimmt er Kontakt zu Jos Lijfering auf der eine Raubtiergruppe zum Kauf anbietet, doch letztlich finden die Verhandlungspartner nicht zu einer Einigung.
Nach vier Jahren ist die Ausbildung beendet und mit einem Diplom besiegelt. Die Absolventen starten 1995 in ihre erste Saison, mit dem Circus Agora führt die Tournee durch Norwegen. In der Folge sind sie wiederum im Friedrichstadtpalast engagiert und treten bei James Sperlichs erstmalig veranstaltetem Da Capo Varieté auf. Natürlich reiste  man mit dem Circus von Reinhard Probst und hier bewährte sich Alex Ramien auch als eloquenter Manegensprecher. Im Winter 1996-97 folgt das European Circus Festival von Stefan Agnesen in Lüttich.

Im Sommer ist man in Stefan Agnesens Freizeit Park verpflichtet und hier trifft Alex Ramien erstmals auf seine heutige Frau Yasmin Gebroers-Malter. Pablo Garcia hat mit der damals neuen Raketen-Luftnummer sein erstes Engagement und eines Morgens sitzt Ramien zum fachsimpeln beim Kollegen auf dem Requisit in der Kuppel, als Yasmin ins Zelt kommt. „Wow - habe ich nur gedacht und bin vor Aufregung beinahe runtergefallen“. Bis die beiden dauerhaft zusammenkamen, sollte es allerdings noch längere Zeit dauern. Inzwischen hat das Paar zwei gemeinsame Söhne, den siebenjährigen Luke und den dreijährigen Nate und seit 2007 sind Yasmin und Alex ein Ehepaar.

Das anschließende Engagement bei FlicFlac dauerte bis ins Jahr 2000. Hier arbeiteten Alex Ramien und Marko Semeonov auf dem Todesrad und begannen ihre Karriere als Fahrer im Globe of Speed.  In dieser Zeit wurde ein eigenes Rad angeschafft und der Truppenname „Los Nablos“ erstmals verwendet. Bis heute fährt Thommy Kastein bei verschiedenen Gelegenheiten als Truppenmitglied bei den „Los Nablos“ im Globe of Speed.
Viele verschiedene Stationen reihten sich in der Folge aneinander. Im Winter 2000/01 veranstaltete Alex Ramien den Aschaffenburger Weihnachtscircus. Beim American Circus der Tognis in Rom und während drei Monaten beim Circus Scott der Familie Bronett wurden Folgen von „Circo Massimo“ für das italienische Fernsehen aufgezeichnet. Alex Ramien war dabei nicht nur als Artist zu sehen, als Ablaufregisseur war er verantwortlich für das Gelingen der Show. Zwei mal nahm er diese Aufgabe bei den „Circusprinzesaan“ wahr. Man arbeitet im Park de Efteling, beim Kasseler Weihnachtscircus und bei Rose-Marie Malter in Belgien. Bei Höhner Rockin Roncalli Show war Alex Ramien mit seiner Truppe von Anbeginn immer wieder dabei. Im Jahr 2003 ging es mit dem Circus 180 Grad von Lothar Kastein auf Tournee und nach dessen überraschend schnellem Ende wurde mit „La Place“ wieder einmal Circus in Eigenregie gemacht. Einige weitere Tourneen in Belgien mit dem Circus Rose-Marie Malter wechselten ab mit Engagements beim Moskauer Circus von Hans Martens in den Niederlanden und bei Alberto Althoff. Zu Weihnachten war man in Eindhoven, beim Cirque Alexandre Bouglione in Brüssel, Neuulm 2008, Dresden 2009, Universal Renz in Duisburg 2010 und zuletzt beim Bonner Weihnachtscircus.

Im Jahr 2008 trat Alex Ramien mit eigenem Geschäft auf großen Kirmesen, u. a. in Utrecht auf. Ähnlich einer Schaubude, wurde in einem Zelt mit großer phantasievoller Fassade die Show in der Motorradkugel geboten.Selbstverständlich gehört auch eine Parade, in Art der Steilwandfahrer, dazu.
Sehr vielfältig und verschieden sind die Arbeitsplätze von Alex Ramien und seinen Männern. Im Verlauf eines Jahres werden zahlreiche Engagements im Galabereich und auf Motorrad-Events absolviert. Dazu kommen in diesem Jahr die Höhner Rockin Roncalli Show und der Horror Circus von Giovanni Riedesel.
Äußerst flexibel und vielseitig stellt sich das Können von Alex Ramien dar. Motorad-Kugel und Todesrad arbeitet man mit bis zu vier Akteuren. Seit Jahren bieten Alex Ramien und Marko Semeonov eine komisch gearbeitete Nummer auf dem Trampolin und eine Feuershow. Dazu überzeugt Alex Ramien als versierter angenehmer Moderator und versteht es ausgezeichnet Regie zu führen.

Auf die Frage nach einem „Traum-Engagement“, einem Unternehmen oder eine Veranstaltung wo er unbedingt einmal sein Können zeigen möchte, antwortet Alex Ramien mit einem Schulterzucken. „Als junger Artist hatte ich das Glück bei FlicFlac zu arbeiten.  Besser kann es nirgends sein. Freude an meiner Arbeit habe ich immer,  wie das Unternehmen heißt spielt da keine Rolle“. 
Der Blick in die Zukunft offenbart den Wunsch nach einem eigenen Circus. „Das Material dazu besitze ich. Ein Chapiteau von 36 Metern mit allem was dazu gehört gehört mir. Theoretisch könnte ich sofort losfahren“ lässt uns der künftige Direktor mit einem Leuchten in den Augen wissen. Alex Ramien liebt den großen klassischen Circus mit vielen Tieren, mit Elefanten und Raubtieren. „Circus wird es immer geben – aber er wird, wie alles im Lauf der Zeiten, sich wandeln und anpassen müssen“. Für Unternehmer, die nur auf ihre hundertjährige Tradition verweisen, den Blick nicht aus der Wagenburg hinaus wagen, sieht er keine Zukunftschance. Früher, vor hundert Jahren, waren Circusse Trendsetter in der Unterhaltung und auch im technischen Bereich. „Dies ist heutzutage natürlich sehr viel schwerer, wenn überhaupt noch möglich. Aber dass darf doch kein Grund dafür sein, nur im Gestern zu leben“.
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