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Text und Fotos Friedrich Klawiter
LE GRAND CIRQUE DE NOEL AMERICAINE
Paris-Nord Villepinte, 01. Dezember 2018

Großen Drei-Manegen-Circus nach amerikanischem Vorbild avisiert Impresario Jean Arnaud für seine Weihnachtcircus-Produktion. Seit Jahrzehnten als Promotor für Galaveranstaltungen diverser Circusunternehmen bekannt, trat der, nach eigener Aussage „Fan des traditionellen Circus mit vielen Tieren seit Kindertagen“, nun mit einer eigenen großen Produktion in Erscheinung.
Eine riesige Messehalle im Ausstellungsgelände Paris-Nord Villepinte, in der Nähe des Flughafen Charles de Gaulle, ist die Heimat des „Cirque a l'Americaine“. Ein S-Bahnhof in unmittelbarer Nähe garantiert auch den nicht motorisiert anreisenden Besucherscharen hervorragende Erreichbarkeit der Veranstaltung.
Entlang zweier Seiten des Gebäudes sind die zahlreichen Wohnwagen, Tierstallungen und Freigehege platziert und sorgen für Circus-Feeling im Umfeld der nüchternen Zweckbauten. Die drei Elefantengruppen, Pferde- und Exotenstall sowie Raubtieranlage ergeben eine Menagerie von heute nur noch selten zu sehenden Ausmaßen.
Mit raumhohen schwarzen Stoffbahnen ist hinter den Eingängen in die Halle ein Foyer abgetrennt. Die Fassade des Circus Renaissance nimmt den Blick gefangen und dient als Kulisse für ein mehrere Meter langes Diorama, das die Straßenparade eines amerikanischen Circus der neunzehnhundertdreißiger Jahre nachstellt. Die liebevoll gestalteten Verkaufsstände des Circus Renaissance sorgen für Atmosphäre. Den zentralen Platz des Raumes nimmt ein riesiges Modell, das auf dem Playmobil Circus basiert, des American Circus der Familie Togni ein.
Die Halle ist riesig und die drei großen Manegen verlieren sich beinahe ein wenig in ihrer Mitte. Rund um die drei, mit Abstand angeordneten roten Ringe ziehen sich fünf ebenerdig aufgestellte Stuhlreihen. Hinter einem einige Meter breiten Gang erheben sich drei Tribünen, mit jeweils ca. vierzig Reihen Schalensitzen bestückt, bis unter das Hallendach. Knapp neuntausend Zuschauer können jeder Vorstellung beiwohnen.
Eine mächtige Gardine, seitlich dunkelblau und in der Mitte rot, schließt den Hintergrund ab. Vielfältige Muster, die mit der leistungsstarken Lichtanlage auf die blauen Bereiche projiziert werden, sorgen in Verbindung mit dem erstklassigen Lichtdesign für Atmosphäre.
Die musikalische Begleitung der Show erfolgt mittels CD und ein vor der Gardine platzierter Schlagzeuger setzt die Akzente.
Die gesamte Veranstaltung leidet unter permanenter Unruhe im Saal. Die letzten Besuchergruppen bahnen sich Mitte des ersten Programmteils ihren Weg durch das Gradin und die ersten verlassen kurz nach der Pause die Show. Dazu laufen zahlreiche  Kinder umher, reißt der Strom zu den Toiletten und Verkaufsständen nicht ab.
Auf Grund der enormen Distanzen haben es die Auftretenden schwer das Publikum zu erreichen und entsprechend fällt der Applaus verhältnismäßig bescheiden aus.

Die in französischen Circussen beliebte Melodie „Vive le Cirque“ erklingt und die Show beginnt. Yann Rossi spielt Saxophon und Elsa Bontempelli, eine bekannte Moderatorin, wird in die Manege gezaubert. Weißclown und Moderatorin übernehmen gemeinsam die Rolle des „Monsieur Loyal“. Sie begrüßen eloquent das Publikum und stellen zusammen die auftretenden Artisten vor.
Die große Parade wird von den zwölf Girls des Balletts angeführt und Artisten und Tiere füllen die drei Manegen.
Der Schwung des Opening setzt sich in der ersten Darbietung fort. Der „Jongleur comique“
David Burlet lässt gekonnt die Teller kreisen. Temporeich agiert der versierte Artist und steigert die Spannung mit allerlei Aktionen und „Zwischenfällen“. Die Löffel fliegen selbstverständlich nicht gleich in die Gläser auf dem Tablett, ein Tisch „verliert“ beim umstellen seine Beine und die neun Kästchen darauf landen erst einmal auf dem Boden ehe sie geschickt gestapelt auf dem Kinn balanciert werden. Die Scherben eines – absichtlich – zerbrochenen Tellers werden zusammengefegt und dann gelingt es, allen Widrigkeiten zum Trotz zehn Teller rotieren zu lassen und die Löffel in die Gläser zu bugsieren.
Jidinis Magic Company präsentiert mit dem notwendigen Glamour eine Reihe attraktiver Groß-Illusionen. Zu Beginn des Acts erscheint ein Girl auf einer mächtigen Chopper-Maschine aus dem „Nichts“. Louis Arnaud, sechzehnjähriger Sohn von Jean Arnaud und Nachwuchs-Magier ist gleichfalls in den Auftritt involviert.
Das Toni Alexis Trio bringt sein bestens bekanntes Entree. Weißclown Adrien hat die größte Mühe sich gegen die beiden Auguste und ihre Einfälle zu behaupten. Immer wieder schallt Toni Alexis „Ahoi“ durch den weiten Raum und die Besucher gehen freudig auf seine mehr oder weniger dezenten Aufforderungen zum Applaus ein.
Einen lebhaften Kontrast zu dem traditionellen Entree bietet der folgende Auftritt von „Emilian Laserman“. Mit den bunten Lichtstrahlen zaubert er vielfältige Muster in die Dunkelheit.

Im wabernden Nebel rollt die Rakete der Garcias auf die Szene und schwebt in Richtung Hallendach. Die beiden sympathischen Artisten arbeiten ihren spektakulären Act mit den risikoreichen und ungesichert ausgeführten Tricks hier in etwas geringerer Höhe – die Höhe der Halle ist um Einiges geringer als eine Chapiteau-Kuppel. Für einenTeil der Besucher ergibt sich auf Grund dessen ein ganz besonderer Blickwinkel auf die Luftsensation, die obersten Ränge liegen oberhalb des Arbeitsplatz der Artisten.
Der Exotenzug des Cirque Medrano, vorgeführt von Ahmed Loyal arbeitet in der rechten Manege während im mittleren Ring der Holzboden entfernt wird. Runde um Runde laufen Kamele, Esel, Ponys, Zebra und Zebroiden als Karussell auf drei Zirkeln, bis der Umbau abgeschlossen ist.
Adriana Folco ist mit den Freiheitspferden von Gianni d'Ambrosio gleich im Anschluss zu erleben. Je vier Friesen und weiße Araber laufen abwechslungsreiche Figuren unter der souveränen Peitschenführung der versierten Dresseurin. Mit verschiedenen, erstklassig ausgeführten Steigern findet die Darbietung ihren gelungenen Abschluss.

Zu Beginn des zweiten Teils der Show präsentiert Teddy Seneca drei Löwen und zwei Löwinnen in einem lebhaften und abwechslungsreichen Ablauf. Die umfangreiche Trickfolge wird souverän in hohem Tempo absolviert. Verschiedene Pyramiden wechseln mit Sprungvarianten ab, Scheinangriffe und enger Körperkontakt zum Dompteur sorgen für die besonderen Momente der Darbietung.
Mit einer musikalsichen Reprise überbrücken Toni Alexis und Weißclown Adrien den Käfigabbau, dann ist der „Globe of Death“ in Stellung gebracht und die drei Fahrer der „Romero' s Riders“ zeigen ihr Können. Mit Pyrotechnik und fetzigem Lichtdesign wird der Auftritt zu dröhnenden Rock-Rhythmen in Szene gesetzt. Zum Höhepunkt des Acts donnern die verwegenen Fahrer durch den sich öffnenden Globe.

Die beiden Elefanten des Cirque Medrano von Raoul Gibault und die drei Tiere von Franz Renz arbeiten parallel in den äußeren Manegen ihre Darbietungen. Hochsitzer, Pyramiden, Rüsselspagat, abliegen und vieles mehr wird von den fünf asiatischen Elefanten gezeigt, während der Globe demontiert wird.
Nun erklären Yann Rossi und Elsa Bontempelli dem Publikum, das Ringling and Barnum & Bailey Circus zur größten Show der Welt wurden weil stets viele Elefanten in ihren Shows präsentierten und ihnen den großen Erfolg verdankten. Nur drei Jahre nachdem man keine Elefanten mehr mitführte musste das Unternehmen schließen, lässt man die Besucher wissen. Beim „Grand Cirque Noel Americaine“ belässt man es nicht bei fünf Elefanten sondern hat noch einen ganz besonderen Act bereit.
Amedeo Folco jr. präsentiert in der Mittelmanege seine beiden asiatischen Elefanten im Zusammenspiel mit zwei weißen Hengsten. Souverän dirigiert er die vielfältige Laufarbeit, Steiger und parallel ausgeführte Hochsitzer der Elefanten sowie Kopfstand eines Rüsselträgers sind die wesentlichen Elemente des Auftritts.
Pyro- und Lichttechnik geben dem großen Finale den glitzernden Rahmen. Ballett und Artisten füllen noch einmal die drei Manegen. Die beiden Manegensprecher verabschieden ein äußerst zufriedenes Publikum, dessen Erwartungen sicherlich bestens erfüllt wurden. „Papa Noel“ erscheint und nach einem gemeinsam gesungenen „Pepit Papa Noel....“ beendet Toni Alexis mit einem letzten „Ahoi“ die Show.
Der „Grand Cirque de Noel Americaine“ bietet bei seiner ersten Ausgabe eine sehenswerte, komplette und höchst unterhaltsame Show. Es ist höchst erfreulich, dass man entgegen einem weitverbreiteten Trend größten Wert auf Tier-Darbietungen legt und die traditionell zu einem großen Circusprogramm gehörenden Tierarten – Pferde, Raubtiere und Elefanten – präsentiert. Die atmosphärischen Nachteile, die ein Gastspiel in einer Mehrzweckhalle gegenüber einem Zeltzirkus hat, konnten durch eine geschickte Regie, durch guten Ton und erstklassiges Licht in hervorragender Weise kompensiert werden. Man darf auf die kommende Edition gespannt sein.