Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCO di BARCELLONA
Cornaredo, 28. November 2009

www.circodibarcellona.com
Auf einem schmalen Wiesenstreifen am Rande der Ortschaft, Cornaredo liegt am westlichen Rand Mailands, direkt an einer Hauptverkehrsstraße sehen wir den Circus Barcellona der Familie Franchetti. Der Platz ist auf drei Seiten von Straßen gesäumt, so bietet sich im morgendlichen Nebel ein guter Überblick über den ganzen Circus.
Geradezu klassisch die Aufmachung der Front. Der kombinierte Kassen- und Durchgangswagen, hier muss er neben dem Vorzelt stehen, dazu der Generator- und ein weiterer Auflieger. Alle drei tragen Leuchtschriften, bzw. Sternmotive auf dem Dach. Zusammen mit den zahlreichen Lichterketten mit ihren roten und gelben Lämpchen strahlt der Circus im Dunkeln eine romantisch-einladende Atmosphäre aus.

Das Vorzelt hinter dem schlichten weißen Frontzaun ist ein hoher geräumiger Zweimaster. Er beinhaltet den Verkaufswagen, einige Sitzgruppen und einige künstliche Palmen säumen den Weg zum Chapiteau. Auch in diesem Circus ist der Weg von der Kasse bis zum Sitzplatz komplett mit Teppich ausgelegt, sind die Zelte mit einem Tunnel verbunden. Das Chapiteau ist ein „viereckiger“ Viermaster mit zwei hohen Kuppeln, wie alle Zelte dieses Circus ganz in weiß gehalten. Der Fuhrpark besteht größtenteils aus Sattelzügen, viele sind älteren Baujahres, wirkt sehr gepflegt und ist in weiß mit roten Absetzungen und Beschriftungen gehalten. Zwei Ställe stehen für Pferde und Exoten bereit. Die Raubtiere sind auf zwei Aufliegern untergebracht und haben selbstverständlich auch ein Außengehege zur Verfügung. Den restlichen Platz des Geländes nehmen die zahlreichen großen Wohnwagen ein.
Das innen dunkelblaue Chapiteau beinhaltet ein achtreihiges einfaches Gradin ohne Rückenbretter. Davor, hinter den Logen mit ihren bequemen Polsterstühlen, sind ebenerdig zwei, bzw. seitliche eine Stuhlreihe angeordnet. Ein großer Artisteneingang aus dunkelrotem Stoff mit goldenen Applikationen komplettiert die Einrichtung. Die Leuchtschrift an diesem zeigt den Namenszug, überraschend und abweichend von allen anderen Publikationen, mit nur einem 'l' geschrieben.


Acht junge Frauen geleiten die Gäste zu ihren Plätzen. Ihre Ausstattung ist bis ins letzte Detail – rote Kunstblume im Haar, schwarze Ohrringe – exakt aufeinander abgestimmt.
Der Gladiatorenmarsch erklingt aus den Boxen, anschließend bilden vier junge Frauen das „spanische“ Ballett. Sie gestalten das Opening und umrahmen Ringmaster Jessy Franchetti, er bleibt während der gesamten Show in seinem chicen Outfit auf der Piste präsent, bei seiner Begrüßungsrede.
Auch in diesem Circus startet die Spielfolge mit einer Pferdefreiheit. Alex Franchetti lässt vier Ponys ihre Figuren traben. Als Da Capo folgt ein Büffel, anschließend die Lamas. Guido und Orlando nennen sich die beiden Clowns. Ihre Reprisen sind ideenreich, eigenständig und werden ohne Längen gekonnt vorgetragen. Erstklassig ihr „abladen – aufladen“, kurz und straff eine Karate-Reprise. Ihr „Messerwerfer-Entree“ wird sehr gut verkauft und ist für uns die einzige Clownerie in Italien, die mit Zuschauerbeteiligung stattfindet.
Eine Papageienshow präsentiert das Ehepaar Niemen. Die Aras und Kleinsittiche erweisen sich als geschickte Künstler – u. a. hissen sie eine Flagge, sonnen sich im Liegestuhl, fahren Auto. Ein Minihund lockert mit seinen Hürdensprüngen  die Nummer ein wenig auf. Abschließend dreht ein Ara einige Runden im freien Flug übers Gradin. Der Sohn des Paares, Eric Niemen glänzt als hervorragender Seilläufer. Blitzschnelle Bewegungen, rasante Drehungen und perfekte Sprünge bis hin zum Rückwärtssalto kennzeichnen die Arbeit des noch sehr jungen Mannes.

Zwei Darbietung steuert 'Miss Emy' zum Programm bei. Eine stimmige Kür an den Strapatentüchern wird von der jungen Frau gut verkauft. Mit Flamenco in einem feinen spanisch inspirierten Kostüm leitet sie ihre später folgende Hula Hoop Darbietung ein, die die genreüblichen Abläufe zeigt. Miss Xena trägt ihre Säbel über die Leiter. Eine weitere Dame ist für die zweite Luftnummer des Programms zuständig. Am Ring beherrscht sie vielfältige Posen und mit einem Wirbel in einer Fuß-Strapate beendet sie die Kür.

Viele Nummern in diesem abwechslungsreichen Programm sind gut gestaltet, in eine kleine Geschichte verpackt. Martialische Musik schallt aus den Boxen, dazu die Ankündigung „Il Barbaro“ - in entsprechender Aufmachung hat Enrico Robin – sein Vater Arthur Robin war als „Mr. Universum“ in den sechziger Jahren bei Franz Althoffs Rennbahncircus – seine Jonglage gestaltet. Zunächst agiert er mit drei kurzen Schwertern. Sehr sicher und variantenreich die Routinen mit kleinen Bällen, es folgen Zigarrenkästchen. Abschließend, wieder vollkommen zum Thema passend, werden Fackeln eindrucksvoll jongliert.
Eine überdimensionale Muschel hat ihren Platz in der Manege, die sich, komplett mit einem bewegten Tuch bedeckt, zum Meer gewandelt hat. In der geöffneten Muschel zeigt Vanessa ihre Kontorrsionskünste. Vielfältige Tricks, darunter auch im Hand- und Mundstand werden geboten.
Den ersten Teil beschließt die große Reptilienshow von Kevin. Hier wird weniger auf Show-Effekte, als vielmehr mehr auf Action gesetzt. Im Outfit eines Rangers demonstriert er zuerst hochdramatisch seine Geschicklichkeit im Umgang mit einer Anaconda. Es folgt das obligatorische auspacken und vorzeigen einer Reihe kleiner und großer Boas. Mit einer größeren Schlange wird der 'Kopftrick', in diesem Fall nimmt Kevin den Schlangenkopf tief in den Mund, vorgeführt. Nun kommt eine Vogelspinne zum Einsatz, die zunächst auf der Hand ihres Herrn Platz nimmt. Von dort wandert sie zu seinem Gesicht und wird, publikumswirksam über dem Auge positioniert, dem Auditorium präsentiert. Eine weitere Steigerung des Erschauerns erzeugt bei einigen Zuschauern ein Skorpion, der gleichfalls zunächst auf der Handfläche des Artisten verharrt, um dann zwischen den Zähnen gehalten zu werden.

In entsprechenden Kostümen leitet das Ballett im Zentralkäfig den zweiten Teil der Show ein. Die hauseigene sechsköpfige Tigergruppe wird von Alex Franchetti vorgeführt. Viele der heute üblichen Tricks werden gezeigt.
Ein weiteres Mal agiert das Ballett, bereitet in schönen Kostümen das Thema der kommenden Darbietung auf. Während des größten Teils des Programms war er als Clown „Orlando“ zu sehen. Nun führt Willy Caveagna gekonnt und schwungvoll die vier Steppenkamele des Circo Barcellona vor. Sie zeigen vielseitige Lauffiguren. Als Da Capo zeigen zwei Zebras einige Sprünge über eine Hürde.

Eine eindrucksvolle besondere Demonstration seiner Kraft und Geschicklichkeit bietet „Ray Mysterio“. Künstlername und Outfit hat er von einem amerikanischen Wrestling-Star entliehen und eindrucksvoll präsentiert er die Muskelgebirge auf seinem Oberkörper. Zunächst bricht er einen etwa drei Zentimeter dicken Kunststein durch einen Kopfstoss in zwei Teile. Das gut fünf Millimeter starke Flacheisen kann natürlich von keinem der Logenbesucher verbogen werden. Sein Kollege Enrico Robin landet etliche Schläge mit dem Vorschlaghammer auf einer Eisenplatte, die „Ray Mysterio“ auf der Brust hält bevor er einen Hohlblockstein auf seiner Brust zerschlägt. Diese Trickfolge ist indes nur der Aufgalopp für die Attraktion des Abends.
Ein nicht mehr ganz neuer FIAT Kastenwagen, ein reguläres Reklamefahrzeug des Circus, rollt in die Manege. Der Artist legt sich auf den Rücken, eine etwa fünf Meter lange Holzplanke liegt mittig auf seinem Oberkörper, dient dem Auto als Rampe. Dann fährt der Transporter mit den beiden linken Reifen darüber. Natürlich übersteht der Artist diese Tortur unbeschadet und wird entsprechend vom Publikum gefeiert.

Zum Finale sehen wir Ballett und Artisten komplett in rot und weißen Kostümen, wie so oft beobachtet, ist die Choreographie auch hier knapp gehalten. Anschließend haben Interessiert die Gelegenheit, sich zusammen mit dem Star des Abends fotografieren zu lassen.
Der 'Circo di Barcellona' ist zu den mittelgroßen Circussen Italiens zu zählen. Man bietet ein komplettes, umfang- und abwechslungsreiches sehr unterhaltsames Circusprogramm, dass aller bestens unterhält.
optimiert