Text und Fotos: Friedrich Klawiter
CIRCUS BARELLI
Frankfurt, 17. Dezember 2010

www.circus-barelli.com
Der Winter hatte Frankfurt fest im Griff zu Barelli' s Premiere. Auf einem Platz in der Nähe des Ostbahnhof erstrahlte der Barelli-Palast in der vollen Pracht tausender Glühbirnen in der Winternacht. Das trotz der vielen, durch den strengen Frost und heftigen Schneefall bedingten Schwierigkeiten beim Aufbau. Es hatte in der Nacht vor der Premiere nochmals immens geschneit, so sah der Circus des Abends zwar romantisch winterlich aus, aber die Herausforderungen für die Mannschaft waren um einiges gestiegen.
Weihnachtsbäume am Eingang und eine geschmackvolle Dekoration im Vorzelt betonen die weihnachtlichen Elemente des Gastspiels. Im Chapiteau wurden über den Treppenaufgängen neue Lichtbögen und große weiße dekorative Kugelleuchten installiert. Ein neuer roter Samtbehang schließt das Gradin nach oben ab und sorgt für eine warme gastliche Atmosphäre.

Das einmalig komfortable Gradin zeigt sich bestens gefüllt, als Hausmeister Timmy die letzten Sägespäne von der Piste fegt. Die bewährte und vom Publikum stets mit viel Aufmerksamkeit und Applaus bedachte Grundidee der Programmpräsentation wurde beibehalten.  Hausmeister Timmy, der gerne ein großer Circusstar wäre, verwirklicht diesen Traum dank der Hilfe einer guten Fee – Salima Folco – und erst nach dem Finale muss er wieder die Livree gegen den Hausmeisterkittel tauschen. Als Clown Timmy erleben wir ihn während der Vorstellung in einigen Auftritten. Als Besucher ohne Eintrittskarte überzeugt er genauso wie als Jongleur. Kultstatus hat sein „das musizieren ist hier verboten“ im Zusammenspiel mit Doinut und Romeo Tomovici sowie seinem Bruder Franz. Natürlich ist auch die „Opera“ im Programm, die, auch dank komödiantisch talentierten Mitspielern, an jenem Abend  wahre Jubelstürme auslöst.

Wenn sich nach dem Prolog der große blaue Vorhang hebt, das große Barelli-Orchester kraftvoll einsetzt und der prachtvolle Artisteneingang sichtbar wird, reagiert das Publikum mit Begeisterung. Überhaupt ist dieses Orchester eines der besten auf der Reise und kann ein jedes Programm enorm aufwerten.

Die zahlreichen gelungenen Auftritte der Familie bilden das Grundgerüst des Barelli-Programms. Das große orientalische Bild zu Beginn sieht Ramona Barelli als Tänzerin die Exotendressur einleiten. Franz Junior Barelli bringt sechs, nun mit üppigem Winterfell wunderbar anzusehende Kamele in die Manege. Sie zeigen umfangreiche Lauffiguren. Alternativ werden vier Kamele im Zusammenspiel mit vier Friesen vorgeführt. Als Zugabe überspringen zunächst zwei Lamas und danach ein Friese zwei abliegende Kamele. Zur Zeit folgen Steiger von mehreren Araberhengsten.
Salima Folcos Strapatenkür nimmt das Publikum ob guter Leistung, stimmiger Präsentation und perfekter musikalischer Begleitung gefangen.
Im weiteren Verlauf sehen wir die junge Frau auf dem prachtvollen Andalusier "Armarando" Hohe Schule reiten. Ihr folgt Ramona Spindler-Barelli auf dem Friesen "Marcho".
Die „Alten Kameraden“ sind als Pausennummer platziert. Die Akteure, u. a. die Herren Tomovici und die Gebrüder Barelli überzeugen mit viel Spielfreude  und auch mit feinen akrobatischen Aktionen. Die Pointe des angeblich von einem Zuschauer zerstörten Schleuderbretts kommt immer wieder gut an.
Ganz der klassischen Circustradition verpflichtet, führt der Chef des Hauses die Pferde aus dem großen Marstall des Circus Barelli vor. Derzeit folgen Harry Spindler-Barelli acht prächtig aufgeschirrte Friesen in den roten Ring. Wunderbar gekonnt läuft die schwungvolle Darbietung ab. Abschließend  wird  ein prächtiger Andalusier als Da Capo-Pferd geboten. Zu dessen großem Repertoire gehören u. a. Spanischer Schritt, Steiger und das vielbeachtete durchdrücken des Kopfes zwischen beiden Vorderhufen bis zum Boden.
Nun folgt einer der emotionalsten Momente des Programms. Harry Spindler-Barelli bittet das Publikum um die geschätzte Aufmerksamkeit für seine erst fünfjährige Enkelin Ashley, die in vollkommener Ernsthaftigkeit und zum großen Stolz ihres Opas  ihr Schaukelpony präsentiert. Im anschließenden, mit einem Augenzwinkern geführten Dialog erfährt das Publikum von wem die Kleine alles gelernt und wer der "größte Circusdirektor" der Welt ist - natürlich Harry Spindler-Barelli.

Eine ganze Reihe erstklassiger internationaler Darbietungen ergänzen die „Hausnummern“.
Da wäre zunächst einmal Christian Walliser zu nennen. Nach seinem schweren Unfall im vergangenen Dezember, vielen Operationen, Reha und einem kurzen Gastspiel bei Krokofant feiert er hier bei Barelli sein Comeback. Zur Zeit präsentiert er jene vier Tiger mit denen er den Unfall erlitt in einer schmusig verspielten Form. Er arbeitet daran seinen Plan, zehn Tiger in die Manege zu bringen schnell zu verwirklichen.
Mit südamerikanischem Temperament, quirlig agierend erobert Jongleur Juan-Pablo Martinez aus Mexiko das Publikum. In hohem Tempo fetzt der junge Künstler über die Barelli-Bühne. Mit bis zu fünf Keulen werden vielfältige Routinen ausgeführt. Die Mundjonglage gipfelt in der Arbeit mit fünf Tischtennisbällen. Charme und Können zeigt sich auch in der abschließenden Sequenz, in der die Sombreros hoch über das Publikum fliegen.

Leider viel zu selten sind Perche-Darbietungen heute in den Manegen zu sehen. Die Gebrüder Lanik zeigen zu dritt starke Leistungen. Zum Einsatz kommen alle drei Arten von Perchestangen – Schulter-, Stirn- und Gürtelperche. Kraftvoll beherrschen die Artisten ihr Metier und auf der erhöhten Bühne in der Barelli-Manege kommt die Darbietung besonders gut zur Geltung. Souverän wird das überqueren einer Leiter mit dem Bruder auf der Spitze einer Stirnperche ausgeführt. Für feuchte Hände bei vielen Zuschauern sorgt der Höhepunkt ihrer Evolutionen zu dem in zwei Ebenen übereinander Perchestangen eingesetzt werden und der dritte Artist eine Handstandwaage in großer Höhe zeigt.
Zu siebt sehen wir die Truppe Lanik am Schleuderbrett. Variantenreich sind ihre Sprungkombinationen, die sowohl auf einem Kissen als auch auf den Schultern von Partnern gelandet werden. Salto in einen Sessel und Sprünge auf zwei sowie auf einer Stelze werden gleichsam gebracht, so dass alle Möglichkeiten des Genres genutzt werden.

Barelli' s Finale ist stets eine mitreißende Angelegenheit und so sind nach drei Stunden erstklassiger Circusunterhaltung Standing Ovations angesagt. Das wie immer gut aufgelegte Barelli-Orchester hatte stimmige Weihnachtsmelodien einstudiert, Timmy und Franz sangen 'Stille Nacht – Heilige Nacht'. Der weitere Ablauf mit Zugaben, Konfettiregen, abschminken von Timmy und dem letzten Trompetensolo – 'My Way' von Frank Sinatra – folgte der bekannten Regie.
Barelli bietet in Frankfurt einen erstklassigen stimmungsvollen Weihnachtscircus in festlichem Rahmen mit Spitzenleistungen. Dies wurde vom zahlreich erschienenen Publikum mit tosendem Beifall honoriert. Die allgemeine Begeisterung lässt sich leicht daran erkennen, dass auch nach dreieinviertel Stunden Programmdauer kein einziger Besucher den Platz verlassen hatte bevor der blaue Vorhang vor der Bühne gefallen war.
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