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Text Friedrich Klawiter, Fotos GL und Friedrich Klawiter
CIRCUS BARELLI
100 Menschen - 100 Tiere - 100 Wagen
Koblenz, im Dezember 2011
Circus Barelli ... der zweitgrößte Deutschlands ... begeisterte während drei Jahrzehnten im In- und Ausland ein Millionenpublikum mit seinen hochkarätigen, klassischen Circusprogrammen.
Namhafte Artisten, Clowns und Tierlehrer wurden mit ihren Darbietungen in herausragender Art und Weise präsentiert.

Das ist nun Geschichte und diese große Manege geht für immer der  Circuslandschaft verloren.

Direktor und Visionär John Henry Spindler, so Harry Barelli' s bürgerlicher Name und seine Ehefrau Rolina stammen beide aus alten Circusfamilien.
Rolinas Vater Franz Brumbach reiste viele Jahre mit seinem Circus in Süddeutschland und in seinem Unternehmen wurden viele Sequenzen der bis heute bekanntesten Circus-TV-Serie „Salto Mortale“ gedreht.

Gottfried Spindler, der in Feucht bei Nürnberg sein Quartier hatte, gastierte hauptsächlich in Bayern. Ebenso führten ihn und seine Familie Engagements bis nach Rom.
Bereits in sehr jungen Jahren leitete Harry Barelli seinen eigenen Circus. Das Ehepaar Spindler investierte viel Arbeit und zähen Fleiß und das Unternehmen wurde immer größer. Kurze Zeit reiste man mit einem Schwager in Kompagnie.

„BARELLI“ entstand nach Beendigung dieses Gemeinschaftsunternehmens und die Erfolgsgeschichte des Circus nahm ihren Lauf.
Schnell entwickelte sich das neue Unternehmen mit einem modernen großen Viermast-Chapiteau,  respektablen Tierbestand, engagierten Artisten und dem nicht wegzudenkenden vorzüglichen Live-Orchester zur festen Größe in der europäischen Circusszene. Krönung dieser Entwicklung war der Erwerb des riesigen Barelli-Palastes. Sechsundvierzig Meter Durchmesser, zweiundzwanzig Meter Höhe, hölzerne Eingangstüren, on topp der weithin sichtbare Schriftzug „Barelli-Palast“ - Vergleichbares blieb bis heute selten. Auch das Innere des Chapiteau blieb bis heute ein unerreichtes Unikat - ein Artisteneingang von unvergleichlichem Prunk und Eleganz, in der Kuppel Deutschlands größter Kristall-Lüster in einem Circus, auch die allseits bekannte Hubbühne in der Manege blieb einzigartig. Das komfortable Gradin -  einzeln bestuhlt, steil aufragend, beste Sicht von allen Plätzen - unterstreicht den Anspruch der Direktion an ihren Circus.
100 Menschen - 100 Tiere - 100 Wagen, getreu seinem Motto verwirklichte Harry Barelli seinen Traum und baute das Unternehmen kontinuierlich zum zweitgrößten Circus in unserem Land aus.

Auslandstourneen in Österreich und den Niederlanden wurden erfolgreich absolviert, ebenso ein Gastspiel in Luxemburg. In der Blütezeit des Unternehmens wurde, Carl Alfhoff war nicht nur in dieser Beziehung ein Vorbild, zeitweilig mit zwei Einheiten gereist und bis zu drei Weihnachtscircusse gleichzeitig veranstaltet.

Große und großartig präsentierte Programme versammelten während dreißig Jahren das Who-is-Who der Circuswelt in und über der Barelli-Manege. Über die Jahrzehnte waren viele große Dompteure im Hause Barelli zu erleben, unter anderem: Alfred Beautour, Kid Bauer, Karoly Donnert mit seiner großen Attraktion - dem reitenden Tiger zu Pferd, Katherina Gasser, Gary Jahn, Eddy Laforte und seine Bären,  Jacek Mikulski, Magic Polo begeisterte mit seinen Raubtier-Ilussionen, Daniel Raffo - der hier sein erstes Europa-Engagement nach Ringling hatte, Tomas Ringel, Leopold Vidlak.
Bis zu fünf Elefanten standen zur gleichen Zeit in der Barelli-Manege, präsentiert von z. B. Daniel Raffo und Amedeo Folco.

Natürlich gab es nicht nur große Dompteure im Circus Barelli, auch große Clowns und namhafte Artisten ließen es sich nicht nehmen hier zu arbeiten. Dramatik auf dem Hochseil boten z. B. Carlos Camadi und die Truppe Tashkenbaev. Fliegende Menschen aus Spanien - die Tonitos, das Duo Stauberti arbeitete seine sensationelle Perche-Nummer, Duo Nikita, die Truppe Kim, die Jockey-Reiterei der Donnerts und die Eshimbekov Dschigiten. Die belgische Handstandkönigin Gina Giovannis war mehrmals engagiert und gerade ihre zu der Zeit  neu gestaltete Equilibristik auf einem großen stilisierten spanischen Hut erzielte auf der Bühne im Barelli-Palast eine Wirkung wie in keinem anderen Circus mehr.  
Alexander Truppe, Duo Donovic, Fjedor und Tatjana, Peter Fontner, Kenia Boys, David Kost, Renato Laforte, Truppe Lanik, Antoine Micheletty, Celine Moreno, Familie Navratil, Nicol Nicols, Duo Romanow, Willi Saloni, Duo Skyler, Trio Zigan  - beinahe beliebig ließe sich die Namensliste der bei Barelli Engagierten erweitern.
Für Heiterkeit sorgten u. a.  die Familie Huesca, José Mitchell Trio und die Toni Alexis Clown Family, sowie Peter Bento mit seinen Söhnen. Dessen Engagement sollte nachhaltigen Einfluss im Hause Barelli haben, war doch Peter Bento sen. der entscheidende Lehrmeister des zu jener Zeit etwa zwölfjährigen Timmy.
Kaum ein Barelli-Programm verzichtete auf erstklassige Jongleure - Manuel Alvarez, Francois Borrie, Cathy Donnert, Pablo Martinez, Romina Micheletty, Lajos Nereus und Duo Wertheim sind nur einige Vertreter des Genres, die uns spontan in den Sinn kommen.
Alle diese Artisten, Tierlehrer und Clowns profitierten von dem einzigartigen, großen Barelli-Orchester. Direktor Harry Barelli hat immer größten Wert auf vorzügliche musikalische Live-Begleitung gelegt. Bis zu vierzehn Personen umfasste das große Show-Orchester. Mit Sängern wurde der erstklassige Sound weiter verfeinert und die musikalische Untermalung perfekt auf die Show abgestimmt. Tusdi und Cahut Galiano, ein ehemaliges Mitglied der Gipsy-Kings nahmen neben den Musikern auf der Bühne Platz. Mehrere CD' s die den unvergleichlichen Charme dieser Circusmusik hervorragend transportieren wurden vom Circus Barelli herausgegeben.

Herz und Motor des Unternehmens war stets die Familie Spindler-Barelli, die mit ihrem artistischen Können, ihrem großen Gespür für echten unverfälschten Circus, ihrem Charme und ihrer nie ermüdenden Einsatzbereitschaft aus guten Darbietungen großartige klassische Circus-Shows gestaltete.
Tief in der Circustradition verhaftet - „Le Cirque commence au Cheval“ (Alexis Gruss) - wurde den Vorführungen mit Pferden seitens der Direktion stets breiter Raum gegeben. Viele großartige Freiheitsdressuren, herrlich herausgeputzte Friesenhengste gehörten stets zum Barelli-Programm, liefen unter der Peitschenführung von Harry und Rolina Spindler-Barelli ab. An die Stelle seiner Mutter trat inzwischen Sohn Franz, der eine ausgezeichnete Freiheit mit sechs Arabern präsentiert. Die Kamele und Dromedare des Circus folgen seinem Kommando und vor einiger Zeit brachte er im großen Afrika-Bild  Giraffe, Flusspferd, Zebra und Strauß in die Manege.

Die wundervollen Friesen und als Kontrast ein verspieltes Groß-und-Klein waren stets die Domäne des Direktors. Darüber hinaus tritt er als genialer Sprechstallmeister in Erscheinung. Als stolzer Opa genießt er heute den gemeinsamen Auftritt mit Enkelin Ashley und lässt sich bereitwillig von ihr „die Show stehlen“.
Ramona Barelli wurde in ihrer Jugend von Manuela Beeloo als Schulreiterin ausgebildet, zudem sahen wir sie am Vertikalseil und an der Ringperche eine attraktive Darbietung präsentieren. Auch als äußerst versierte und sehr charmante Ringmasterin haben wir die junge Frau bei verschiedenen Gelegenheiten schon erlebt.
Salima Folco-Barelli, Enkelin des legendären Franz Althoff - der mit seinem Rennbahncircus eine Ära bestimmte, war mit einer „Ungarischen Post“ zu erleben. Heute sehen wir die versierte Circusfrau in der Manege mit einer „Hohen Schule“ und   einer hinreißenden Kür an den Tuchstrapaten. Zudem nimmt sie viele Aufgaben im administrativen Bereich wahr.
Große Vielseitigkeit bewies immer wieder aufs Neue Timmy Barelli. Sah man den jugendlichen Timmy in vielen Genres -  Pas de deux, Strapaten, und Akrobatik seien hier genannt, wurde seine Karriere auf dem Todesrad nur durch einen Unfall gestoppt. Zur großen Erleichtung der Familie zog er sich beim Sturz aus mehreren Metern Höhe, in Mainz 1996, keine schwerwiegenden Verletzungen mit bleibenden Beeinträchtigungen zu. Im Verlauf der Jahre übernahm er die  verantwortungsvolle Tätigkeit als technischer Leiter des Circus. Von Kindesbeinen an gehört allerdings sein Herz der Clownerie und im Laufe der Zeit hat er sich als hervorragender Komiker und Clown mit eigenständiger Figur und Repertoire einen Namen gemacht. Als heimlicher Star und Publikumsliebling einer jeden Barelli-Produktion wird er spätestens im Finale, das er mit gekonntem Live-Gesang einleitet, von den Massen enthusiastisch gefeiert.

Natürlich blieb man auch bei Barelli nicht von Unfällen verschont. So stürzte in Berlin Irina Koroleva vom Trapez aus der Kuppel in die Tiefe, da ihre Longe riss erlitt sie schwere Verletzungen. Zwei Jahre zuvor war einem südamerikanischen Seilläufer beim Münchener Gastspiel ähnliches Unglück widerfahren.
Aber auch die Direktionsfamilie blieb von schweren Schicksalsschlägen nicht verschont und sowohl Harry, als auch Rolina Barelli erkrankten vor einigen Jahren schwer.

Reich an Geschichten und Begebenheiten ist die Historie des Circus Barelli. So diente er z. B. als Filmkulisse bei einer „Pumuckl“-Verfilmung 2002 mit Hans Clarin, Christine Neubauer und vielen weiteren bekannten Schauspielern.
Heiner Lauterbach wagte sich 2007 in Köln mit Karoly Donnert in den Zentralkäfig.
"Ich mach das aus Liebe zum Circus" bekennt der bekannte Schauspieler, nach seinem kleinen Ausflug spricht Lauterbach von einer faszinierenden Erfahrung.

Das Wohlergehen der gesamte Branche war ein Anliegen von Harry Spindler, dass er nie aus den Augen verlor. Mehrmals rief er in Appellen und offenen Briefen in der Circus-Zeitung und anderenorts zu mehr Geschlossenheit der Branche, zur Gründung eines Direktorenverbandes auf, damit man immer häufiger auftretenden Problemen aller Circusse mit Tierrechtsaktivisten und Behördenwillkür besser begegnen kann.
In seiner legendären, unerreichten, hundertfach - zu meist schlecht - kopierten Tierschauansage versäumt er nie, die Zuschauer zum Besuch aller vor Ort gastierenden Circusse - „ein- zweimal im Jahr kommt ein Circus in die Stadt. Egal ob der Circus klein oder groß ist, gehen sie hin. Denken sie daran, nur von Ihnen unserem Publikum lebt der Circus“ - zu animieren.

Müde von den Anstrengungen der Reise - dem nie endenden Kampf gegen die Widrigkeiten der Branche, den immer mehr um sich greifenden Restriktionen gegen Circus durch Verwaltungen und Kommunen, den Lügen und Anfeindungen der Tierrechtler - und angesichts der angegriffenen Gesundheit zermürbt, hat man sich nun entschieden, den Circusbetrieb einzustellen.
Harry Barelli-Spindler, ein wahrer König der deutschen Circusszene und in einem Atemzug zu nennen mit Hans Stosch-Sarrasani und Carl Althoff zieht sich zurück. Nun hat er mehr Zeit sich seiner geliebten Enkelin Ashley Barelli und seinem Enkel Francesco zu widmen und ihre Entwicklung zu fördern.
Ihm, der den „Circusfreunden“ stets in ganz besonderer Weise begegnete, ihnen jederzeit sein Zelt öffnete, sollte ein besonderer Ehrenplatz in den Annalen sicher sein.

Viele glückliche Stunden unvergleichlicher, unvergesslicher, großartiger Circuskunst haben wir dank Harry Barelli und seiner Familie erleben dürfen. Dafür gebührt der Familie Spindler-Barelli unser Dank und unsere Anerkennung.