optimiert



Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS BELLY-WIEN  
Hengelo, 30. Mai 2009

www.bellywien.nl
Auch in diesem Jahr finden wir den Circus von Roman Zinnecker wieder in den Niederlanden. In Hengelo gastierte man auf einem Parkplatz des Expo-Geländes ziemlich außerhalb der Stadt am Rande der Natur. Der umfangreiche Fuhrpark des Unternehmens ist beispielhaft gepflegt und sauber bis ins letzte Detail. Die hellblau/gelben Wagen und rot/gelben Zugmaschinen wirken allesamt wie fabrikneu und auch das übrige Material präsentiert sich in Bestzustand. Hier wird deutlich, dass „schnelles reisen“ und sauberes erstklassiges Erscheinungsbild durchaus miteinander vereinbar sind. Die Wagen sind fast alle „richtige“ Circuswagen die zumeist, genauso wie die beiden großen Wohnwagen der Familie, von Stork in Soest erbaut wurden.
Die artenreiche Menagerie des Circus ist erstklassig untergebracht. Geräumige Einzelboxen für die Pferde, großzügige Außengehege für Kamele und die Giraffe und selbstverständlich auch Außenkäfige für die Tiger wurden errichtet. Auch den beiden Elefantendamen der Familie Scholl steht außer einem geräumigen Stall reichlich Auslauf zur Verfügung. Die Wiesen hinter dem Chapiteau werden weiträumigst als Paddock genutzt, so dass die große Kamelherde, die Giraffe und auch die Elefanten im hohen Gras und zwischen Buschwerk und Bäumen „in freier Wildbahn“ die Zeit bis zur Vorstellung verbringen.
Die Fahrzeuge stehen in Reih und Glied auf dem Pflaster des Parkplatzes, das Gehege der Giraffe umrahmend. Dahinter, auf naturbelassenem Erdreich, wurde das kleinere der beiden Vier-Masten-Chapiteaus aufgebaut. Auf Vorzelt und dekorativen Frontzaun wurde verzichtet. So fand der schicke große Schindelwagen, in dem die Restauration beheimatet ist, vor dem Zelt gegenüber der Kasse seinen Platz. Das Gradin ist komplett mit Schalensitzen ausgerüstet und wird von hübschen nostalgisch verzierten Logen ergänzt. Ein großer, aus dunkelrotem Stoff mit goldener Stickerei verzierter, Artisteneingang beherrscht den hinteren Teil des Chapiteaus.


Der neue Sprechstallmeister des Unternehmens Sander Balk begrüßt die Besucher und ganz traditionell beginnt die Vorstellung mit der Raubtierdressur. Direktor Roman Zinnecker präsentiert die vier Tiger, es ist die letzte Gruppe die Wolfgang Heppner dressierte, gekonnt und trickreich  so dass direkt mit einem Highlight gestartet wird. Pyramiden, Sprünge, Balkenlauf, Hochsitzer und abliegen gehören zum sicher und ruhig vorgetragenen Repertoire.
Sehr schnell wird der Zentralkäfig entfernt und Leila präsentiert ihre Hula Hoop Show, die die gängigen Tricks beinhaltet. Ihr Mann hat als Clown Beppo in dieser Spielzeit nur einen Auftritt. Zusammen mit einem Sohn und dem Sprecher gibt er heuer das 'Bienchen-Entree'.

Eine neue Dressurschöpfung präsentiert Juniorchef Marlon Zinnecker. Ein doppeltes Groß-und-Klein bringt zwei Friesen und zwei helle Ponys, die Geschirre sind in der jeweiligen Fellfarbe der anderen Pferde gehalten, in die Manege. Eine sehr ansprechende Folge, auch ausgefallener Tricks wird bereits mit großer Souveränität gearbeitet.
Ein weiteres Mal sehen wir den jungen Mann, nun mit der Freiheitsdressur von sechs Friesen, in der Manege. Schöne, glänzend gestriegelte Pferde werden fast ohne Zaumzeug zu moderner rockigen Filmmusik, ihr Vorführer zeigt sich ebenfalls ganz in schwarz und in einem modernen Outfit, in einer perfekten variantenreichen Laufarbeit vorgestellt. Drei Da Capo Steiger machen den Charme dieser harmonischen Arbeit aus.
Mit weiteren Dressurnummer sind Mitglieder der Familie zu sehen. Marylin ist die Vorführerin einer verspielten Hundemeute.  Im zweiten Teil beeindruckt die Giraffe das Publikum alleine mit ihrer Größe und der ruhigen gelassenen Art, in der sie von mehreren Logenbesuchern Möhren abnimmt. Im ersten Programmteil bringt Roman Zinnecker sechs Kamele in die Manege. Auch sie zeigen sich gut ausgebildet und präsentieren ihre Trickfolge willig.
Der zwölfjährigen Mandy Zinnecker ist es vorbehalten, den zweiten Programmteil auf dem Drahtseil zu eröffnen. Die gängigen Tricks werden ohne sichtbare Probleme beherrscht.

Aus dem Vorjahr prolongiert wurde die tschechische Artistenfamilie Wolf. Frau Ivetta arbeitet eine orientalische Phantasie an Tüchern, zu der sie auf eine Kamel reitend in die Manege kommt. Mike junior erweist sich als technisch sehr versierter Jongleur. Er startet seine Routinen mit fünf Keulen. Schnell, charmant und fehlerfrei zeigt er sein umfangreiches Trickrepertoire, zu dem  er auch mit Bällen und Ringen agiert. Höhepunkt seiner Arbeit ist die Jonglage von neun Ringen.
Gemeinsam sind Mike senior und Ivetta Wolf mit ihrer Partnerarbeit an den Strapaten zu bewundern. Die kraftvoll vorgetragenen Tricks sorgen denn auch für Begeisterung unter den Besuchern.

Neu im Ensemble des Circus Belly-Wien finden wir die Familie Scholl mit ihren beiden großen indischen Elefantendamen. Sie sind das Highlight vor der Pause. Mit viel Schwung und Showmanship der Vorführer werden mannigfaltige Lauffiguren und akrobatische Tricks, darunter auch ein Kopfstand, geboten. Willig, flott und routiniert folgen die beiden Elefanten den Anweisungen.
Die Blues Brothers, René und Alfred Scholl auf dem Trampolin, sorgen für einen letzten Höhepunkt. Einen Wettbewerb um den schönsten und schwierigsten Sprung ruft der Ringmaster aus und die beiden Brüder geben alles. Der zwanzigjährige René legt jeweils vor und sein kleiner Bruder kontert. Das Publikum rast, als der erst achtjährige Alfred seine enorme Leistung mit einem dreifachen Salto krönt.
Nahtlos schließt sich das kurze Finale an und mit lang anhaltendem Applaus bedankt sich ein begeistertes Publikum für einhundertfünfundfünfzig Minuten erstklassigen mitreißenden Circus. Einmal mehr zeigt sich, dass ein klassisches leistungsstarkes Nummernprogramm, mit vielen Tiernummern darin, ein 'normales' Publikum bestens unterhält und von diesem wesentlich mehr als 'zeitgeistig inszenierte' Shows gefeiert wird. In dieser Vorstellung jedenfalls hat niemand seinen Sitzplatz verlassen, bevor die Manege sich geleert hatte.