optimiert



Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS BELLY-WIEN
Goes, 07. September 2013

www.bellywien.nl
Der Circus Belly-Wien von Roman Zinnecker, einer der schönsten und tierreichsten, die zur Zeit auf der Reise zu erleben sind, gastierte in der niederländische Kleinstadt Goes, in der Provinz Zeeland.
Der Gastspiel-Platz, Teil eines innerstädtischen Parkplatzes, ließ auf Grund der Enge keinen großzügigen Aufbau des Unternehmens zu. Die elegante breite Fassade und das geräumige dreimastige Vorzelt, die ansonsten die Front des Circus bestimmen, konnten auf Grund dessen nicht aufgebaut werden. Dicht gedrängt umringten die dekorativen Tonnendachwagen das moderne gelb-blaue, in der Nachmittagssonne leuchtende, Chapiteau. Der stilvolle, hochglänzend lackierte große Storck Kassenwagen empfängt die zahlreichen Besucher. Die drei Kassenschalter und zwei Schauvitrinen sind von Einbauleuchten umrahmt und unzählige Lämpchen formen einen Sternenhimmel unter dem Vordach; ihnen gleich funkelt der Schriftzug „Tickets“ auf dem Wagendach. Der gesamte Circus strahlt im einheitlichen Farbschema. Gelb und blau sind die Zeltanlagen und Circuswagen, deren Dächer weiß und Fahrgestelle rot lackiert sind, gehalten.
Die schweren Zugmaschinen – vier MAN, vier Mercedes, ein Scania und ein
Volvo – sind in weinrot mit aufwändigem gelben Dekor lackiert und tragen mächtige Kuhfänger und sonstige chromblitzende Anbauteile. Alle Fahrzeuge glänzen frisch gewaschen und sind mit dem Circusnamen beschriftet.
In der im letzten Jahr neu angeschafften Stallanlage haben die Pferde des Circus ein komfortables Unterkommen. Sechs Container, die auf neuen aufwändig gebauten Wagen transportiert werden, sind innen zu je zwei geräumigen Boxen ausgebaut. Die aufklappbare Längswand verschließt den Container beim Transport und bietet als hochgestelltes Vordach Wetterschutz. Vor jeder Box ist ein großer Paddock abgesteckt, so dass die Hengste ihren Aufenthaltsort wählen können. Die beiden Wagen der Tiger und das zugehörige Freigehege haben ihren Platz hinter dem Chapiteau. Der übrige Raum steht den Fahrzeugen und Tieren der engagierten Artisten und Tierlehrer zur Verfügung. Auf einem breiten Wiesenstreifen, den eine Straße vom Circusplatz trennt, waren für die zahlreichen Kamele, Lamas, Rinder und die Giraffe großzügige Paddocks eingerichtet. Die Menagerie ist den ganzen Tag über frei zugänglich und wird von zahlreichen Besucher regelrecht belagert. Besonders Aufmerksamkeit gilt hierbei den Tigern und der Giraffe.
Das vorzügliche Aussehen des Unternehmens setzt sich, wie könnte es anders sein, im Innern des Chapiteau fort. Das moderne Gradin ist komplett mit Schalensitzen ausgerüstet und wird von nostalgisch verzierten Logen ergänzt. Ein großer, aus edlem dunkelrotem Samt mit goldener Stickerei verzierter, Artisteneingang nimmt den hinteren Teil des Chapiteau ein. Eine im letzten Jahr neu angeschaffte Lichtanlage, die komplett mit LED bestückten Scheinwerfern ausgestattet ist, komplettiert die Einrichtung.

Doch der Circus Belly-Wien versteht es nicht nur mit einem erstklassigen Erscheinungsbild zu beeindrucken, auch das unterhaltsame, von tierischen Höhepunkten geprägte Programm begeisterte die an diesem Tag zahlreich erschienen Besucher.
Juniorchef Marlon Zinnecker eröffnete mit einem circensisches Highlight den Reigen der starken Darbietungen. Die herausragende Freiheitsdressur mit acht Friesen, die jungen Hengste hatten im letzten Jahr ihr Manegendebut, läuft perfekt. Eine Vielzahl verschiedenster Figuren werden schwungvoll in raschem Wechsel geboten. Gegenläufe, Fächer zu vier und zu acht, gegenläufige Fächer, Walzer, Volten und Pirouetten – das Repertoire umfasst das komplette Spektrum dessen, was man von einer erstklassigen Pferdedressur erwarten kann. Die Pferde beherrschen das höchst umfangreiche Programm absolut sicher und der versierte Dresseur präsentiert die Darbietung elegant und mit großer Souveränität. Mit einem temperamentvollen Steiger eines munteren Ponys findet dieses equestrische Juwel seinen gelungenen Abschluss.
In einer weiteren Dressurfolge präsentiert Marlon Zinnecker sechs prächtige Steppenkamele. In einer abwechslungsreichen Abfolge laufen die sechs Wüstenschiffe ihre vielfältigen Figuren. Flott und ohne zögern folgen die mächtigen Trampeltiere, die dekorative rote Schabracken tragen, den Anweisungen.
Furios und von hoher Geschwindigkeit ist der fulminante Auftritt von Nadja Scholl hoch in der Kuppel des Chapiteau. Zuerst agiert sie kraftvoll in hohem Tempo am permanent weit und schnell schwingenden Ringtrapez. Dann wechselt die zierliche junge Frau das Requisit und zeigt eine von Abfallern und Flügen geprägte Arbeit an den Strapatentüchern. Die spektakulären Abfaller werden andernorts kaum so geboten.  Zum Abschluss der Darbietung stürzt sich die risikofreudige Artistin mit weitem Schwung im freien Fall aus der Kuppel in die Tiefe, um sich dicht über den Logen nur mit beiden Händen an den Tüchern ab zu fangen.

Das Duo Victorias erfreut die Zuschauer mit zwei liebevoll gestalteten Tiernummern. Zunächst sind Katzen der unterschiedlichsten Rassen die Stars im roten Ring. Sie laufen u. a.  auf dem Schrägseil, balancieren elegant beim Flaschenlauf und über eine Stange. Mit großer Sprungkraft setzen sie, auch durch einen Feuerreifen, von einem zum anderen Podest. Zur zweiten Darbietung wird ein kleiner Zigeunerkarren von einem Pony in die Manege gezogen. Kaum ist seine Plane zurückgezogen, wuselt eine quirlige Hundemeute verschiedenster Rassen in die Manege. Sprünge, Roller fahren, laufen auf einer Rolle und Anderes wird spielerisch leicht wirkend geboten und mit einem „Handstand“ eines Pudels auf der Hand des Vorführers erreicht die Darbietung ihren Höhepunkt.
Mandy Zinnecker ist gleichfalls mit zwei Darbietungen im Programm präsent. Zunächst arbeitet sie eine trickstarke Kür auf dem gespannten Silberdraht. Vielerlei Tanzschritte wechseln mit den unterschiedlichsten, sehr sicher ausgeführten, Balanceposen. Mit einem gekonnten Spagat beendet sie ihre Evolutionen. Erstklassige Luftartistik in und an einem Netz bietet die junge Artistin in ihrem zweiten Auftritt. Kraftvoll führt sie die Tricks der modern gestalteten Nummer aus. In der völlig in blaues Licht getauchten Kuppel wechseln die verschiedenen Halteposen und Abfaller einander ab.

Direktor Roman Zinnecker präsentiert nach der Pause die hauseigene Raubtierdressur. Vier mächtige Tiger führt der erfahrene Dompteur, ruhig und bedacht agierend, in einer trickstarken Abfolge vor. In der besuchten Vorstellung erleben wir einen außergewöhnlichen Beweis großer Souveränität, als bei einem Tiger während der Pyramide heftige Verdauung einsetzt. Der Dompteur platziert die Tiere auf ihren Sitzen am Manegenrand, dann wird die Käfigtür weit geöffnet und ein Mitarbeiter kommt hinein. Unter der Aufsicht des Direktors werden Podest und Manegenboden von der Hinterlassenschaft gesäubert, dann findet die Darbietung ihre Fortsetzung. Mit zahlreichen Sprungvarianten, Hochsitzern, Rollover, Teppich, Balkenlauf und weiteren Tricks bietet die Nummer eine umfassende Auswahl gängiger Abläufe des Genres.
Clown Beppo verbreitet mit seinen Späßen auch in dieser Saison wieder Frohsinn. Zur „Filmszene“ rekrutiert er fünf Mitspieler aus dem Gradin. Später darf der Direktor erraten, welche Flüssigkeit aus dem Koffer des Clowns tröpfelt.
Sarah Zinnecker hat nun die Präsentation der Exoten des Circus übernommen. Ungarisches Steppen- und Schottisches Hochlandrind ziehen in aller Gelassenheit ihre Bahnen und zwei Lamas zeigen enormes Sprungvermögen. Immer wieder ein Höhepunkt und von lauten "Ahhs" und „Ohhs“ der Zuschauer begleitet, ist der betreten der Manege durch die majestätische Giraffedes Circus. Sie nimmt die zuvor verteilten Mohrrüben aus den Händen der Logengäste entgegen. Großes Vertrauen zwischen Mensch und Tier beweist die Futterabnahme aus dem Mund der Vorführerin.
Aaron Zinnecker ist in dieser Saison erstmals mit seiner schwungvollen Jongleur-Darbietung in der Manege des Circus Belly-Wien zu erleben. Mit Bällen, Ringen und Keulen arbeitet der Fünfzehnjährige sicher seine Routinen und die effektvolle Jonglage von hell lodernden Fackeln beschließt die Darbietung.

Beide Programmteile enden mit einem Auftritt des Duo Stipka. Vor der Pause begeistert Eliane mit Hula Hoop zu Pferd. Die grazile Artistin tanzt zur Einleitung der Darbietung im Stile einer Ballerina mitsamt ihrem mächtigen Ross durch die Manege. Nachdem sie den Platz auf dem Panneau eingenommen hat, folgen die vertiablen Tricks mit den Reifen. Mit sicherem Stand lässt die Stehendreiterin  Reifen in unterschiedlichster Weise um ihren Körper rotieren. Diese bisher weitestgehend unbekannte Variante einer Hula Hoop Nummer wird vom Publikum mit großem Beifall bedacht.
Finalnummer ist die das hochkarätige, bestens bekannte Pas de Deux von Eliana und Dany Stipka. Routiniert und sicher erfolgt die Ausführung der attraktiven und hochkarätigen Tricks, die allesamt ohne Vorteil gearbeitet werden. Mit dem freien Stand auf dem Kopf ihres Partners von Eliane, auf den kanternden Pferden, endet diese, großes reiterliches Können bietende, Nummer.
Im gelungenen Finale stellt Direktor Roman Zinnecker, bestes holländisch sprechend, noch einmal alle Mitwirkenden vor. Das voll besetzte Auditorium dankt den Akteuren mit frenetischem Beifall für die gezeigten, sehr guten Leistungen und zweieinhalb Stunden allerbester traditioneller Circuskunst, wie man sie heutzutage kaum noch erleben kann.