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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS BELLY
Hannover, 06. November 2021

Mit dem neuen Programm „Wir sind wieder da“ tourt der Circus Belly von Klaus Köhler seit Anfang September, nach rund zehnmonatigem Zwangsstopp, wieder in Norddeutschland. In Niedersachsens Landeshauptstadt Hannover gastiert man unweit des Maschsee und versteht es ausgezeichnet das Publikum mit traditioneller Circuskunst zu unterhalten.
Der Circusplatz ist von dichtem Gebüsch umgeben und nur an der Zufahrt einsehbar. Ein blaues Chapiteau von dreißig Metern Durchmesser und ein zweimastiges weißes Vorzelt beherrschen den Platz, der an der Frontseite von einem dekorativen weißen Holzzaun abgeschlossen wird. Lichterbögen und Palmen am Zaun und Lichterketten an sämtlichen Absegelungen der Zelte und der hell leuchtende Circusnamen über der Kuppel sorgen für einen stimmungsvollen romantischen Look. Der große Sattelauflieger, der die Kassencounter beinhaltet komplettiert die Front. Der Fuhrpark des Circus ist komplett in weiß, mit blauen Absetzungen, gehalten und viele Fahrzeuge tragen in großen gelben Lettern den Circusnamen.
Außer der gut sortierten Circusrestauration hat auch der Kontrollpunkt des „G Status“ und die Erhebung der Kontaktdaten im Vorzelt ihren Platz. Ist dieses Procedere abgeschlossen, gelangen die Besucher durch einen Tunnel ins Chapiteau. Das im Innern königsblaue Zelt erhält durch die durchgängig rote Einrichtung eine warme, heimelige Atmosphäre. Auf dem großen Bankgradin darf aufgrund der derzeit geltenden Bestimmungen nur jede zweite Reihe besetzt werden und die bequemen Logenstühle werden mittels eingeschobener Plexiglaswände zu vierer Gruppen getrennt.
Ein großer Artisteneingang aus leuchtend rotem Samt nimmt den hinteren Zeltteil ein.

Der romantische Auftakt der Show sieht zunächst Clown „Zippogalli“, alias Orlando Köhler in Aktion. In der abgedunkelten Manege sammelt er einen einzelnen Lichtstrahl in seinen Eimer und als er diesen in die Manege ausleert, ist die komplette Truppe im roten Ring präsent und bietet kleine Kostproben ihres Könnens.
Die flott ablaufende Nummernfolge wird von Direktor Klaus Köhler mit einer Pferde-Freiheit eröffnet. Vier prächtige, tiefschwarz schimmernde Friesenhengste laufen eine Vielzahl unterschiedlicher Figuren. Souverän leitet der versierte Vorführer die Darbietung und ein weiteres Pferd, ein Schimmelhengst, umspielt die Formation der Friesen. Mit einem gekonnten Da Capo Steiger findet der Auftritt seinen idealen Höhepunkt.
Die Söhne von Klaus Köhler – Aaron als Weißclown „Avantes“, Orlando als August „Zippogalli“ und Rouven als August „Angelo“ sind in einem turbulent ablaufenden Entree zu erleben. Als kühne Jäger und Hase kostümiert, versuchen sie sich selbst zu fotografieren. Doch der eigenwillige Selbstauslöser an dem antiken Fotoapparat verhindert dies erfolgreich. Auch ein zu Hilfe gerufener Logenbesucher kann das Problem nicht lösen, sodass schließlich drei versehentlich „erschossene“ Clowns in der Manege liegen und eine gute Fee das Dilemma lösen muss. „Zippogalli“  bittet im weiteren Verlauf des Programms drei Freiwillige mit ihm eine „Opera“ aufzuführen und ist zudem in einigen Reprisen zu erleben. So initiiert er z.B. mit seinem Sohn einen Wettbewerb im Wasser spucken, balanciert eine Flasche auf einem Stab und belohnt eine Besucherin für den gelungenen Wurf eines Reifens mit einer Rose.
Mit Alisia und Antonio, den Kindern von Aron Köhler ist die nächste Generation der Direktionsfamilie in der Manege vertreten. Antonio zeigt sich als geschickter Jongleur, der bis zu fünf Bälle variantenreich zu manipulieren versteht. Die folgenden Routinen werden mit Ringen und hernach mit silbernen Keulen ausgeführt. Alisia versteht es eindrucksvoll sich mit einem eindrucksvollen Kautschuk-Act in Szene zu setzen.
Verblüffende Tricks bietet eine Illusions-Show, die Aaron Köhler als Hauptakteur sieht. Aus einem gewöhnlichen Sessel lässt er eine seiner Assistentinnen auf der Szene erscheinen. Die verschiedenen Großillusionen werden gekonnt und charmant ausgeführt und kommen auf den Rängen ausgezeichnet an.
Zu Beginn des zweiten Programmteils sehen wir den Magier wieder – nun mit dem nicht ungefährlichen Stunt der sogenannten „Bärenfalle“. Der Artist, eng in eine Zwangsjacke gefesselt, hängt kopfüber an einem Apparat, dessen zwei gefährliche, mit scharfen spitzen  Zacken versehenen Metallarme nur von einem brennenden Strick gehalten werden. Aaron Köhler bleiben exakt sechzig Sekunden sich aus der Zwangsjacke zu befreien und auf den Manegenboden zurück zu kehren, ehe die Falle zuschnappt und die beiden gezackten Arme mit einem lauten metallischen Knall zusammenschlagen.
Rouven Köhler ist im zweiten Programmteil unter dem Künstlernamen „Mahado“ mit einer fulminanten Feuershow zu erleben. Gekonnt werden zahlreiche Fackeln im Mund gelöscht und mit im Mund gehaltener Flamme wieder neu entfacht. Langsam streichen die lodernden Flammen über Hände und Arme und hohe, kraftvoll ausgestoßene Feuersäulen steigen in die Kuppel. Schließend lässt „Mahado“ ein lichterloh brennendes Feuerrad auf einem Handstab rotieren und immer wieder in hohem Bogen von einem auf einen anderen Stab fliegen. Abschließend präsentiert er einige große Würgeschlangen und ein recht großer Alligator läuft eine Runde um die Manege.

Die sehenswerten Auftritte der Direktionsfamilie erfahren in dieser Saison mit fünf artistischen Acts ihre Ergänzung. Die Familie Ferrandino-Curci ist mit mehreren formidablen Nummer zu erleben. Asia begeistert mit einer enorm kraftvoll ausgeführten Arbeit an den Strapaten. Viele Schwungelemente werden von der zierlichen jungen Frau spielerisch leicht wirkend ausgeführt. Am Luftring sehen wir im zweiten Programmteil Sara Curci. In schwarzes Leder gekleidet, arbeitet die Artistin zu rockigen Klängen eine mitreißende Kür. Schwungvoll und mit Temperament reihen sich die vielseitigen Abläufe aneinander.
Schließlich präsentiert das Duo Ferrandino einen temperamentvollen Skater-Act. In hohem Tempo wird die höchst umfangreiche Abfolge unterschiedlicher Tricks absolviert. In einem fulminanten Nackenhangwirbel der Voltigeurin findet der Auftritt seinen spektakulären Höhepunkt.
Beide Teile der Show münden in einen Auftritt der Truppe Gerlings. Zunächst sehen wir die drei Truppenmitglieder auf dem Hochseil. Tänzerisch und mit südamerikanischem Temperament wird die umfassende Abfolge der gängigen Tricks vorgetragen. Sprung über den Partner, Seil springen, freier Stand auf einem Stuhl, Fahrrad fahren und eine Dreier-Pyramide gehören zu den Elementen die souverän geboten werden. Selten zu sehen dagegen die Überquerung des Seil „blind und mit gefesselten Füßen“. Die Spannung auf den Rängen ist förmlich greifbar, wenn der Ausführende, die Füßen mit einem Strick eng aneinander gebunden und einer Kapuze über dem Kopf, mit kurzen Sprüngen von einer Plattform zu anderen wechselt.
Genau so temperamentvoll erfolgt abschließend der Auftritt auf dem Todesrad. Manch kollektiv ausgestoßenes „Ah“ und „Oh“ ist vernehmbar ob der riskanten Aktionen am schnell rotierenden Requisit. Blindlauf und hohe Absprünge bilden die Höhepunkte der Darbietung.
Mit einer schwungvollen Flaggenparade nimmt das Finale seinen Beginn. Aaron Köhler stellt die Mitwirkenden namentlich vor und bedankt sich beim zahlreich erschienenen Publikum für den Besuch. Mit der originalen Choreographie zum Song „Jerusalema“ klingt die Veranstaltung fröhlich aus. Zwei Stunden guten traditionellen Circus durften die Besucher im Zelt der Familie Köhler genießen, die mit dem guten, geschickt zusammengestellten und erstklassig präsentierten Programm beste Unterhaltung bot.