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Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS ESTIVAL GOLDENER BIBER
Neustadt (Hessen), 12. Oktober 2024

Seit 2018 veranstaltet die Stadt Neustadt in Hessen ihr eigenes Circusfestival „Goldener Biber“. Bürgermeister Thomas Groll wollte das Kulturangebot der Stadt erweitern und als passioniertem Anhänger des traditionellen Circus von Kindesbeinen an war schnell klar, in welcher Weise dies geschehen solle.
Der Name des Festivals war schnell gefunden, werden doch die Neustädter ist seit jeher, ob der Lage des Städtchens, „die Sumpfbiber“ genannt und „golden“ musste einfach sein um den Glanz des „Goldenen Clowns“ ein wenig in die tiefe hessische Provinz zu bringen. Bürgermeister Thomas Groll ist der Organisator der Veranstaltung, verantwortlich für die Programmauswahl, die Artisten-Engagements und die Akquise von Sponsoren. „Es gelingt mir recht gut Sponsoren zu gewinnen, aber die Kommune legt schon etwas drauf. Aber das tun wir auch bei Theateraufführungen oder den Bädern. Ich möchte den Leuten vor Ort Kultur bieten. Circus ist Kultur.“
Bei den beiden ersten Ausgaben setzte man in erster Linie auf Darbietungen von Artistenschulen und Hausnummern. Nach der zweijährigen Corona-Pause startete man mit Vollgas durch und setzt seither vermehrt auf international renommierte Artisten.
Das technische Equiment des Festivals kommt vom Mitmach-Circus „Manegentraum“ der Familie Bichlmaier, die seit Jahren in Neustadt Kinderfreizeiten veranstaltet.
In einer Grünanlage, die den Junker Hansen Turm, das historische Wahrzeichen der Stadt, umgibt und unmittelbar neben dem Rathaus hat der Circus seinen Platz.
Ein neues rot-gelb gestreiftes Zwei-Masten Chapiteau ist die Spielstätte. Ein wenig seitlich steht das rot-gelbe Vorzelt, dessen Frontseite offen blieb, in dem die Circus-Restauration ihren Platz hat. Auch die Musiker der Saxophon-Gruppe des Happy Sound Orchestras, die während des Einlasses für Festivalstimmung sorgen, haben hier ihren Platz.
Ein Zierzaun, mit fröhlichen Clownsgesichtern bemalt und von Lichterbögen gekrönt, komplettiert den Frontbereich. Die beiden Sattelzüge mit ihren mächtigen Zugmaschinen sind hinter dem Zelt abgestellt. Die Fahrzeuge der Artisten und die Tierställe sind in kurzer Distanz abgestellt.
Im Chapiteau steht erstmals ein neues fünfreihiges Schalensitzgradin für die Besucher bereit. Ergänzt wird das Sitzplatzangebot von einer Reihe weißer Logenstühle. Den Blickfang im Zelt bietet der große Artisteneingang, dessen rote Gardine von einer breiten, bundt und fröhlich bemalten Blende eingefasst wird und auf dem groß „Herzlich willkommen“ nebst dem Circusnamen angeschrieben steht.

Natürlich lässt es sich Bürgermeister Thomas Groll nicht nehmen sein Festival zu eröffnen und die Gäste im ausverkauften Rund zu begrüßen. Er übergibt das Mikrofon an Ann-Kathrin Bichlmaier, die als Sprechstallmeisterin fungiert und das Publikum mit ausführlichsten Informationen zu allen auftretenden Artisten versorgt.
Karla, Lulea und Yuma, drei Teenager der Artistenschule „Toledos“ aus Jena sind als erste in der Manege zu erleben. „Chaises de la rouge“ ist der Titel ihrer erstklassigen Handstand-Equilibristik, für die sie mit dem „Bundestalentpreis für Unterhaltungskunst“ ausgezeichnet wurden. Tänzerisch Übergänge verbinden die vielseitigen Handstandfiguren zu einem harmonischen Ablauf, der seinen Höhepunkt in einem Handstand auf der Spitze einer Stuhlpyramide findet.
Die Familie Tarbeev-Markevich war vor wenigen Tagen noch beim Mönchengladbach-Gastspiel im Circus Freiwald zu erleben – nun sehen wir sie mit ihren furiosen Auftritten Im Rahmen des Golden Biber Festivals wieder. Drei Darbietungen werden hier präsentiert- Anton jr. auf dem Einrad in Kombination mit Keulenjonglage, Katarina Markevich mit ihrem Solo-Pudel und die Diabolo-Jonglage von Anton Tarbeev.

Auf der Freistehenden Leiter verblüfft Stefan Platchkov seine Zuschauer. Gekonnt und in hohem Tempo führt der versierte Artist seine variantenreichen Balancen aus. Rasant geht es die Stufen hinauf und hinab, wird die Leiter unter den Füßen gedreht und andere Übungen vollzogen. Auch ein Besucher darf sich kurz in der Balance versuchen. Schließlich steht er auf der Spitze einer Leiter und jongliert mit Keulen.
Ein Garant für beste traditionelle Clownerie ist das Duo Salvini. Mit einem Applaus-Wettstreit gestaltet Gino Salvini das Opening. Wenig später spielt er, zusammen mit fünf Logengästen, mit Glocken. Im ersten Teil der Vorstellung gibt es zudem, mit vier Mitspielern die Orchesterszene. Liebevoll gestaltete Requisiten und große Spielfreude gepaart mit frischen Gags gewinnen dem Klassiker neue Seiten ab und setzen die Mitspieler hervorragend in Szene. Natürlich erleben wir später das gekannteste Entreé der Salvinis – Ginos Kochschule. Mit viel Musik gewürzt reihen sich die Gags aneinander. Mit ihrem vorzüglichen clownesken Spiel begeistert das Duo auf ganzer Linie.


Großen Wert legt der Veranstalter gute und originelle Tier-Darbietungen zu präsentieren, da Tiere für ihn unbedingt zum Circus dazu gehören.
Mit dem Engagement von Barbara Schnegg und ihren Schafen ist dies hervorragend gelungen. Die einzigartige Darbietung kommt beim Publikum bestens an. Zunächst agiert „Miss Dorothea“ - so das Alterego der Tierlehrerin – mit dem Quessant Schafbock „Willy“ in der Manege. „Willy“ läuft u.a. Achten durch die Beine der Vorführerin, rollt einen Teppich auf und steigt auf eine Tonne. Auch der „Todeskuss“ mit Futterabnahme aus dem Mund gehört zum Repertoire. Charmant und mit einem Augenzwinkern präsentiert „Miss Dorothea“ sich und ihre Tiere zu bekannten Hits von Catherina Valente. Im zweiten Teil des Auftritts sind vier Schafe mit abwechslungsreicher Laufarbeit in einer Freiheitsdressur vereint. Pirouetten und Barrieresprünge sind die Höhepunkte ihrer Arbeit.
Nach der Pause präsentieren Namyca Bauer und ihr Partner Paul ihre große Bauernhoftier-Revue. Die in Monte-Carlo ausgezeichnete Darbietung sprengt beinahe den Rahmen der kleinen Manege. Rund zwanzig Tiere - Ziegen, Schweine und Hunde verschiedenster Rassen, sowie ein Zwerghahn - bevölkern den roten Ring. In einem flott inszenierten Ablauf erfolgt eine enorme Anzahl abwechslungsreicher Tricks, bei denen teils auch mehrere Arten miteinander agieren. Abwechslungsreiche Sprünge, Balken- und Flaschenlauf, eine Tonne rollen und abschließend eine Rutschbahn seien hier als Beispiele genannt.
Einen fulminanten Auftritt absolviert Bounce-Jongleurin Line Caroll Chabri. Sie beginnt mit einem gekonnten Solo am Schlagzeug. Dieses wird, neben zwei weiteren Trommeln, natürlich auch in die Jonglagen einbezogen. Schließlich erklingt auf einer „K-Board Tastatur“, mittels Tennisbällen intoniert, Mozarts „Kleine Nachtmusik“ ehe der „French Cancan“, die Stimmung noch einmal anheizt und die Besucher sprichwörtlich mitreißt.
Wer nun, nach dieser hervorragenden Darbietung und angesichts des umfangreichen Programms das Finale erwartete irrte. Zuvor zeigte Paul noch sein Können mit Feuer-Twirling und Kubusjonglage.
Das Finale versammelte noch einmal alle Mitwirkenden in der Manege und nach den Einzelvorhängen für alle Mitwirkenden verabschiedete Manegensprecherin Ann-Kathrin Bichlmaier ein restlos begeistertes Pulikum, das auf dem Weg durch das Spalier der Artisten im Zelteingang gerne die Gelegenheit zu einigen Selfies nutzte.
Das Festival „Goldener Biber“ bietet in kleinem, sehr feinen Rahmen großen traditionellen Circus und ist mehr als ein „Geheimtipp“. Bereits heute sehen wir, voll froher Erwartung der kommenden nächstjährigen sechsten Ausgabe entgegen.