Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS FESTIVAL GOLDENER BIBER
Neustadt (Hessen), 11. Oktober 2025
Zum sechsten Mal fand das, nach eigenen Angaben, größte alljährliche Circusfestival Hessens in diesem Jahr statt. Bürgermeister Thomas Groll, der diese Veranstaltungsreihe als passionierter Anhänger des traditionellen Circus ins Leben rief um das Kulturangebot seiner Gemeinde zu erweitern, ist es erneut gelungen eine frische, abwechslungsreiche und sehr unterhaltsame Show zusammenzustellen.
In der Grünanlage am Junker Hansen Turm, dem historischen, im Stadtkern unmittelbar neben dem Rathaus gelegen, Wahrzeichen der Stadt, hat der Circus seinen angestammten Platz.
Während die Organisation des Events bei Thomas Groll und seinen Mitarbeitern liegt, ist die Familie Bichlmaier mit ihrem Circus Manegentraum mit der praktischen Durchführung betraut. Ein rot-gelb gestreiftes Zwei-Masten Chapiteau markiert das Zentrum des Festivals und ein wenig seitlich steht ein optisch dazu passendes Vorzelt. Dessen Frontseite blieb offen und die Musiker der Saxophon-Gruppe des Happy Sound Orchesters können mit ihrem schwungvollen Sound während Einlass und Pause auf dem Gelände für beste Festivalstimmung sorgen. Ein Zierzaun, mit fröhlichen Clownsgesichtern bemalt und von Lichterbögen gekrönt, schließt das Gelände ab. Die beiden Sattelzüge mit ihren mächtigen Zugmaschinen haben ihren Platz hinter dem Zelt und die Fahrzeuge der Artisten und die Tierställe sind in kurzer Distanz abgestellt.
Im Chapiteau stehen ein fünfreihiges Schalensitzgradin und eine Reihe weißer Logenstühle bereit. Den Blickfang im Zelt bietet der große Artisteneingang, dessen rote Gardine von einer breiten, bunt bemalten Blende eingefasst wird auf der unter dem Circusnamen „Herzlich willkommen“ zu lesen ist.
Selbstverständlich eröffnet Bürgermeister Thomas Groll sein Festival und begrüßt die Gäste auf den bestens besetzten Rängen. Dann wird das Mikrofon an Ann-Kathrin Bichlmaier übergeben, die als Sprechstallmeisterin fungiert und das Publikum mit ausführlichen Informationen zu allen auftretenden Artisten versorgt.
Vom Artistikstudio „Toledos“ aus Jena kommen Johanna und Mathilda und eröffnen mit ihrer Partnerakrobatik die Nummernfolge. Im zweiten Teil sehen wir die beiden mit zwei weiteren Partnerinnen unter dem Namen „Duo Sisters“, es handelt sich um zwei Schwesternpaare, wieder. Beide Auftritte basieren auf zahlreichen Handstandfiguren. Sie zeichnen sich durch einen flüssigen, harmonischen Ablauf und eine ansprechende Trickfolge aus und werden versiert und fehlerfrei vorgetragen.
Giovanni Frank ist als Clown Francesco mit zwei Entrees zu erleben. Zunächst versucht es sich, mit einer flugs gefundenen Mitspielerin aus dem Publikum, als Bogenschütze. Im liebevoll und rasant gestalteten Ablauf geht es turbulent zu und endlich gelingt es der Mitspielerin den Ballon zu treffen. Im zweiten Auftritt wird der Clown von fünf freiwilligen Mitspielern unterstützt, die als schnell eingewiesenes Orchester auf einer Reihe obskurer Instrumente agieren.
Gemeinsam mit Ehefrau Janika präsentiert Giovanni Frank vor der Pause einen munteren Quick Change, in dem beide Partner die Kostüme wechseln.
Als Anhänger des traditionellen Circus legt der Veranstalter größten Wert auf gute und originelle Tier-Darbietungen und in diesem Jahr dürfen wir gleich fünf interessante Acts genießen.
Anelya Krachinova sehen wir zunächst mit sechs verspielten Katzen, die sie im Charleston-Look in einem flott inszenierten Ablauf präsentiert. Die „Stubentiger“ beherrschen ein umfangreiches Repertoire interessanter Tricks, das sie bereitwillig zeigen. Später folgt ihr bestens bekannter Act mit vier Frettchen. Zwischen allerlei Küchenutensilien treiben die possierlichen Nager ihr munteres Spiel. Sie überwinden Hürden, rollen eine Matte aus und transportieren Früchte eine Leiter empor.
Fünf Hunde unterschiedlicher Rassen und Größen bringt Leonid Beljakov in die Manege. Eifrig kommen sie den Anweisungen nach und führen ihre Sprünge und Hinterbeinläufe sicher aus. Im zweiten Teil der Show sehen wir ein besonderes Picknick. Ein Border-Collie und Beljakov tragen jeder seinen feinen Picknickkorb in den Ring und nehmen an einem Tischchen Platz, dann nimmt die Comedy ihren Lauf. Der Hund hält u.a. seinem Herrn die Zeitung zum lesen in der richtigen Entfernung hoch und feuchtet ihm den Daumen an, damit er leichter ein Bündel "Geldscheine"zählen kann. Zu guter Letzt gelingt es ihm wunderbar mehrfach Halsband und Leine abzustreifen und die Wurst vom Teller zu stibitzen.
Im Re-Engagement präsentiert Barbara Schnegg ihre neu inszenierte und einzigartige Schaf-Freiheit. „Miss Dorothea“ - so ihr Bühnename, möchte in großer Aufmachung am Trapez reüssieren, doch das Requisit vereitelt diesen Plan und stattdessen kommt Schafbock „Willi“ zum Einsatz. Er läuft u.a. Achten durch die Beine der Vorführerin, rollt einen Teppich aus und steigt auf eine Tonne. Auch der „Todeskuss“ mit Futterabnahme aus dem Mund gehört zum Repertoire. Charmant und mit einem Augenzwinkern präsentiert „Miss Dorothea“ sich und ihre Tiere. Im zweiten Teil des Auftritts sind vier Schafe mit abwechslungsreicher Laufarbeit in einer Freiheitsdressur vereint. Pirouetten und Barrieresprünge sind die Höhepunkte ihrer Arbeit.
Am Luftring bietet Cayenne Frank ihr Können dar. Sicher und gekonnt werden die vielseitigen Figuren ausgeführt und ein rasanter Wirbel an zwei kurzen Strapaten bildet den abschließenden Höhepunkt.
Jongleur Michael Bádo startet seine Evolutionen mit Tennisbällen, von den zunächst fünf und schließlich sieben sicher und variantenreich gehandhabt werden. Mit orangenen Ringen erfolgen die nächsten Touren, dann wechselt der versierte Jongleur zu Keulen. Drei Keulen gemeinsam mit einem Ball, fünf und endlich sieben Keulen werden in vielseitigen Routinen gekonnt manipuliert. Zum Höhepunkt des Auftritts kommen noch einmal Ringe zum Einsatz; neun Stück werden in einem kurzen Durchlauf in der Luft gehalten.
Mit zwei Darbietungen erleben wir Antje Pode in der abwechslungsreichen Vorstellung. Ihr Antipoden-Act ist stringent in eine Story eingebettet und perfekt gestylt. Die Artistin erreicht als „Feine Dame“ den Bahnhof, wo einiges „Gepäck“ und ein „Bahnmitarbeiter“ warten. Ein riesiger Koffer entpuppt sich als Trinka und die hochhackigen Schuhe der „Dame“ werden zu den Schulterstützen. Koffer und Handtasche sind die jonglierten Requisiten, die gekonnt über Hände und Füße der Artistin wandern. Schließlich wird der „Bahnmitarbeiter“ - eine lebensgroße Puppe – gleichfalls auf den Füßen umhergewirbelt und seine sehr beweglichen Arme unterstützen die Illusion es würde sich um einen Menschen handeln.
Als Finalnummer präsentiert Antje Pode ihre Luft-Darbietung – Zitat der Ansage - „An den Strapatentüchern, die in diesem Fall gar keine Tücher sind, sondern einhundert einzelne Fäden“. Gekonnte Haltetricks und risikoreiche Abfaller bestimmen diesen Act.
Das Finale folgt an diesem Abend einer besonderen Choreographie, da Bürgermeister Thomas Groll Geburtstag hat und dementsprechend von seinen Artisten, allen Mitwirkenden und natürlich auch von seinem Publikum gefeiert wird.
An dieser Stelle bleibt nur, das Fazit des vergangenen Jahres noch einmal zu wiederholen: „Das Festival „Goldener Biber“ bietet in kleinem, sehr feinem Rahmen großen traditionellen Circus und ist mehr als ein „Geheimtipp“. Bereits heute sehen wir, voll froher Erwartung der kommenden nächstjährigen Ausgabe entgegen.“

