Text und Fotos Friedrich Klawiter
CIRCUS BOSSLE
Koblenz, 08. Juli 2010

Ein neuer Stern leuchtet seit einigen Monaten am deutschen Circushimmel. Mit Saisonbeginn hat sich Andre Bossle mit seiner Familie vom Circus seines Schwiegervaters Hans Lutzny getrennt und betreibt sein eigenes Geschäft. Noch recht klein, aber sauber und gepflegt präsentiert sich der neue Circus.
In Koblenz stand man in einem Stadtteilfür fünf Tage auf einem kleinen Privatplatz. Dies war das einzige Gastspiel in der Großstadt, da die Verwaltung keinen der Stadtteil-Kirmesplätze bzw. andere Freiflächen zur Verfügung stellt.
Der Platz an einem vielbefahren Kreisverkehr am Eingang des Ortsteils ist eng und lässt den Circus kompakt wirken. Drei Sattelauflieger, vier Anhänger, zwei Zugmaschinen, dazu zwei Campings sind um den kleinen flachen, circa sechzehn Meter messenden roten Zweimaster platziert. Unter dem Vorzeltdach findet der Verkaufswagen seinen Platz. Ein kleiner nostalgisch inspirierter Frontzaun komplettiert die Ansicht. Alle Fahrzeuge sind sauber weiß lackiert, tragen in großen Lettern den Circusnamen.


Bei der Chefin im Verkaufswagen gibt es die Eintrittskarten und an diesem, deutlich über dreißig Grad heißen Sommernachmittag werden auch gleich Erfrischungsgetränke mitgeordert. Im Chapiteau das gewohnte Bild eines Familiencircus. Zwei Reihen Logenstühle hinter der dekorativ und bunt bemalten Barriere. Eine kleine Piste, dazu die rote, mit Sternen verzierte Plane des Artisteneingang und ein dreireihiges blau gestrichenes rustikales Holzgradin füllen den Raum. Die Lichtanlage ist neu, ausschließlich mit LED-Scheinwerfern ausgerüstet.

Das rund neunzig Minuten dauernde Programm wird sympathisch verkauft. Mit einem kleinen Charivari der ganzen Familie geht es los. Den Part des Sprechers hat Frau Direktor inne und füllt ihn charmant aus. Der älteste Sohn, der fünfzehnjährige Denis präsentiert zunächst ein Einzelpony, dass folgsam seine Runden in der kleinen Manege dreht. Wenig später lässt er seinen Pudelmischling verspielt herumtollen und seine Sprungkraft demonstrieren.
Der jüngere Sohn Leon ist erst zwölf Jahre alt und verblüfft zunächst mit einer ausgereiften Stuhlbalance. Auf einem Quad, untermalt von einem Rap-Song umrundet er die Manege derweil die Lichter im Stakkato blitzen. Beginnend mit einem Stuhl baut er den Turm in jedem Durchgang höher, bis es beachtliche vier Stühle sind, die sicher auf dem Kinn balanciert werden. Fächerartig ineinander gehakt werden sechs Stühle  ausbalanciert. Als abschließende Zugabe findet auch ein recht massiv wirkender Tisch den Weg aufs Kinn.
Auch er stellt sein Können als Vorführer eines weiteren Einzelponys unter Beweis. Gemeinsam lassen die Brüder die beiden Ziegen des Circus auf dem „Schwebebalken“ paradieren. Die Dressurvorführungen komplettiert Leon mit zwei munteren isabellenfarbenen Ponys.
Lorene Bossle hat genau wie die beiden älteren Brüder auch einen eigenen Soloauftritt im Programm. Sie hat eine kindgerechte Hula Hoop-Show einstudiert, die sie mit Spielfreude vorträgt.

Direktor Andre Bossle sorgt als Clown Otto mehrmals für Heiterkeit. Im Dialog mit seiner Frau sucht er den „Eingang in die Mayonnaise“, zeigt das Spiel mit dem Popkorn und versucht sich als Fotograf an einem Zuschauerpaar.
'Mister Vulcano' so sein wenig origineller Künstlername, als er zum Programmende eine Feuershow präsentiert. Mehrere Fackeln werden im Mund ausgelöscht und mit den brennenden Fackeln über Hände und Arme gestrichen. Selbstverständlich werden auch mehrere hohe Feuersäulen, sie reichen in dem kleinen niedrigen Zelt bis zum First, ausgestoßen und füllen das Chapiteau mit einer zusätzlichen Glutwelle.

Die Douglas-Truppe lässt vor der Pause den Wilden Westen aufleben. Die Geschwister Bossle entfachen mit ihren gekonnten Lassospielen den nötigen Wirbel. Ihre Treffsicherheit beim Messer werfen beweisen beide Brüder, derweil sie diese um den Körper ihrer Schwester platzieren.
Einen sehr ansprechenden Auftritt zeigt Denis auf der Rola. Neben dem üblichen steigen durch zwei Reifen balanciert er auf einem Turm aus drei Walzen. Sehr schön seine sicher und routiniert vorgetragene Keulenjonglage auf der Rola.
Die Geschwister Bossle überzeugen als versierte Jongleure. Mit jeweils drei kleinen Bällen agieren die beiden Jungs parallel. Es folgen Routinen mit Ringen, von denen Denis bis zu vier beherrscht. Er ist es auch, der die meisten Tricks mit dem Diabolo ausführt. Die folgende Passage mit Keulen enthält auch einige Partnertricks, u. a. Passings mit sechs Keulen. Zum Abschluß ihrer umfangreichen und sehr sicheren Arbeit präsentieren sie sich mit Fackeln.

Zum Finale erscheint wiederum die komplette Familie in der Manege und als kleine Zugabe balanciert das jüngste Mitglied, der dreijährige Antonio verspielt auf der Hand seines Vaters. Frau Bossle bedankt sich für den lebhaften Applaus des trotz der brütenden Hitze bis zum letzten Augenblick ausharrenden Publikums. Offensichtlich kam das Programm bei der Hauptzielgruppe, jüngeren Kindern, bestens an – folgten sie dem Gebotenen gebannt und ohne jede Unruhe.
Es ist ein abwechslungsreiches Programm eines kleinen Circus der sympathisch daherkommt, nicht zuletzt auch deshalb weil man vollkommen auf jede Art von Superlativen verzichtet und ganz einfach ehrlichen, anständig gemachten Circus einer Familie bietet. 

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